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Viele Beinahe-Unfälle auf dem Bodensee
Treffen sich ein Freizeitpaddler und ein Motorschiff

Schiffskapitäne kommen auf dem Bodensee regelmäßig ins Schwitzen: Immer wieder kreuzen Bötchenfahrer oder Stehpaddler ihre Fahrrinne. Das ist ebenso verboten wie lebensgefährlich - und liegt meist an Unkenntnis der Vorfahrtsregeln auf dem See.

Von Thomas Wagner | 01.08.2019
Mehrere Stand-Up-Paddler auf einem See
Zwischen Stehpaddlern und Ausflugsschiffen kommt es auf dem Bodensee immer wieder zu gefährlichen Begegnungen (Deutschlandradio Kultur / Wiebke Nordenberg)
Ein sonniger Sommertag auf dem Bodensee:
"Wir sind im Moment auf dem Motorschiff MS Überlingen. Im Moment, in den Morgenstunden, ist das eine sehr genussreiche Zeit. Da ist der See noch quasi leer."
Kaum Verkehr auf dem Bodensee. Noch. Denn Kapitän Stefan Gieble weiß: Das wird sich schnell wieder ändern.
"Speziell in den Sommerferien und an den Wochenenden ist der See natürlich schon deutlich frequentierter, von allen möglichen Freizeitsportlern, sprich Segler, Motorboote, Stand-Up-Paddler und Ruderboot-Fahrer."
Verkehrsregeln auf dem See oft nicht bekannt
"Also, ich denke, da ist schon eine Zunahme erkennbar im Freizeitbereich, vor allem Stand-Up-Paddler, die hat man ja noch so vor fünf Jahren gar nicht gekannt. Und am Anfang waren sie ja wirklich auch nur in Ufernähe. Aber heutzutage ist es einfach so, dass die eben quer über den See rüberfahren. Wenn ein Stand-Up-Paddler-alleine auf dem See ist, das ist dann oft schwierig zu erkennen", ergänzt Matthias Hipp, Steuermann auf der MS Überlingen und Betriebsrats-Vorsitzender der Bodensee-Schiffsbetriebe, eine 100-prozentige Unternehmenstochter der kommunalen Stadtwerke Konstanz.
Will heißen: Es wird in Ferienzeiten und an Wochenenden allmählich eng auf dem Bodensee – und gefährlich. Frank Weber ist Geschäftsführer der Bodensee-Schiffsbetriebe:
"Was mich mit Sorge umtreibt, ist der zunehmende Freizeitverkehr auf dem Wasser, und zwar von Leuten, die sich mit Stand-Up-Paddlern, mit Tretbooten und mit Paddelbooten auf dem See befinden und die mit den Verkehrsregeln auf dem See nicht umgehen können."
Tatsächlich ist das Bodensee-Schifferpatent, der für den Bodensee erforderliche Bootsführerschein, nur für Motorboote mit einer Maschinenleistung ab 6 PS erforderlich - und für größere Segelboote. Ruderboote, Tretboote, und selbst kleinere Motorboote können sowohl Feriengäste als auch Einheimische an einer der vielen Bootsvermietungen ausleihen – ohne Führerschein. Das gilt auch für die so genannten "Stand-Up-Paddler", wo man aufrecht auf einem Brett steht und sich mit einem Paddel fortbewegt.
"Wir schauen bei uns ganz genau im Verein, auf unsere Vereinsmitglieder intern, und die wissen sehr genau, dass sie nicht diese Schifffahrtslinien kreuzen soll", so Rolf Becker vom Windsurfclub Immenstaad; viele Mitglieder dort sind begeisterte "Stand-Up-Paddler." Das Problem: Viele "Stand-Up-Paddler" gehören eben keinem Club an, haben keinerlei Kurs absolviert.
"Die Leute, die sind wirklich unterwegs, die kaufen sich das Ding ohne jede Anweisungen oder kommen im Urlaub hierher, nutzen das als Badeinsel und paddeln einfach ganz weit auf den See hinaus. Sie kennen diese Vorschriften einfach nicht."
Fahrgastschiffe haben Vorrang
Doch die Vorschriften sind eindeutig: Ertönt das vier Sekunden lange Achtungssignal, "dann müssen alle Verkehrsteilnehmer umsichtig schauen und gucken, dass sie nicht im Weg rumfahren."
Denn, erklärt Kapitän Stefan Grieble, Fahrgastschiffe haben Vorrang vor anderen Booten. Nur: Viele Stand-Up-Paddler, Ruderer und Tretbootfahrer wissen das nicht. Und das führt immer öfters zu gefährlichen Situationen, "besonders im Bereich der Landestellen und der Hafeneinfahrten. Das sind natürlich beliebte Orte für die Wassersportler. Die können sich aber die Geschwindigkeit und die Größe, die ein Schiff hat, oftmals gar nicht vorstellen. Die sind oft überrascht, wie viel Kraft so ein Schiff hat, und machen sich einen Spaß daraus, wenn Sie da dahin schwimmen. Dabei ist das eklatant lebensgefährlich", so Frank Weber, Geschäftsführer der Bodensee-Schiffsbetriebe.
Abhilfe könne nur mehr Information bringen: "Da ist mein dringender Appell an alle, die mit dieser Ausbildung oder mit dem Verkauf und dem Verleih gerade solcher Wassersportgeräte zu tun haben: Informieren Sie die Leute! Bleiben Sie weg von den Fahrgastlinien, von den Schifffahrtslinien. Bleiben Sie weg von den Landestellen und Häfen! Da ist es für Ihre Kunden lebensgefährlich."
Vielleicht geht ja sogar noch ein bisschen mehr – richtige Schulung für diejenigen, die mit ihren Wasserfahrzeugen aufs Wasser raus wollen, aber die Regeln nicht kennen – noch nicht kennen. Jochen Becker vom Windsurfclub Immenstaad:
"Wir haben auch Kurse, bieten auch Kurse an. Am Sonntag hatten wir eine Schulung, hatten auch einen Theorieteil gehabt, wo wir einfach erklärt haben, wie das Ganze theoretisch funktioniert, die Regeln, die man beachten muss, und gerade, dass man sich von der Berufsschifffahrt fernhält."