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Viele offene Fragen im Fall Mollath

Gustl Mollath sitzt in der forensischen Psychiatrie ein. Mancher hat den Eindruck, dass er wegen seines Wissens um Schwarzgeldgeschäfte bei der HypoVereinsbank abgeschoben wurde. Sein Anwalt und die Staatsanwaltschaft wollen die Wiederaufnahme des Verfahrens.

Von Eleonore Birkenstock | 21.03.2013
    Station FP 4 der forensischen Psychiatrie im Bezirkskrankenhaus Bayreuth. Das ist Gustl Mollaths aktuelle Adresse. Eine abgeriegelte Welt, mit Sicherheitsschleusen und Sicherheitsglas. Dass sein Fall noch einmal verhandelt werden könnte, nimmt der 56-Jährige zur Kenntnis. Er verspüre kein Triumphgefühl, sagt er, es sei aber ein Etappensieg. Mollaths Ziel war immer die Wiederaufnahme des Verfahrens.

    "Denn nur das kann mir verschaffen eine ordentliche, öffentliche Gerichtsverhandlung, die rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt. Dann sehe ich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Wahrheit ans Licht kommt und ich als freier Mensch aus der Verhandlung raus komme."

    Ob die Wahrheit nach so langer Zeit tatsächlich ans Licht kommt, ist fraglich. Denn vieles, worum es im Fall Mollath geht, ist schon mehr als zehn Jahre her. Am Anfang steht das Ende einer Ehe. Sie, die Bankmitarbeiterin – er, der Autoliebhaber, der einen Reifenhandel betreibt. Die Ehe geht in die Brüche. Zu Spannungen kommt es wohl auch, weil Mollath seiner Frau vorwirft, in illegale Bankgeschäfte verwickelt zu sein. Im Sommer 2001 soll Gustl Mollath – so lautet die Anklage - seine Frau geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Mollath bestreitet das. Doch er soll zum Psychiater. Für Erika Lorenz-Löblein, die neben dem Anwalt Gerhard Strate Mollaths Interessen vertritt, liegt hier bereits ein Fehler vor.

    "Es gab keinen Grund, ein Gutachten zu erstellen. Es gab ein Attest oder einen Brief von einer Ärztin, die den Herrn Mollath niemals gesehen hatte. Die nach den Angaben der Ehefrau geschrieben hatte, dass sie meint, der Mann könne gemeingefährlich sein und er müsse psychiatrisch untersucht werden."

    Mollath verweigert sich und sagt, er sei nicht krank. Also brauche ich auch nicht untersucht werden. Gustl Mollath sei kein einfacher Mensch, sagen einige seiner Unterstützer. Nicht angepasst, schwierig, aber psychisch krank? Oder gar gefährlich? Einer seiner Unterstützer, der Psychiater Friedrich Weinberger hält Mollath für gesund. Auch, wenn andere ihn störrisch finden.

    "Mollath ist ein Mann von Prinzip. Er zieht sich den Schuh des Geisteskranken nicht an."

    Das Gericht stuft Mollath als schuldunfähig ein. Nach einem einzigen Verhandlungstag am 8. August 2006 fällt das Urteil. Die Richter sprechen Mollath zwar vom Vorwurf der Körperverletzung und Sachbeschädigung frei, ordnen aber seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Mit der Begründung: Mollath leide unter einem paranoiden Gedankensystem und sei für die Allgemeinheit gefährlich. Was Mollaths Anzeigen zu den Schwarzgeldgeschäften betrifft, leiten die Behörden kein Ermittlungsverfahren ein. Doch die Bank ermittelt, die HypoVereinsbank - kurz HVB - untersucht Mollaths Vorwürfe. Und kommt in einem internen Sonderrevisionsbericht im März 2003 zu dem Ergebnis – Zitat:

    "Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt."

    Nachprüfbar war für die Bank, dass einige Mitarbeiter Konten bei anderen Kreditinstituten hatten, ohne die HVB davon in Kenntnis zu setzen. Verurteilt wurde in dieser Sache niemand. Aber die Bank entlässt Mitarbeiter – auch Mollaths Frau muss gehen. Der Bericht bleibt bei der Bank und gelangt erst im vergangenen November an die Öffentlichkeit. Er wirft ein neues Licht auf den Fall. Der Druck auf Bayerns Justizministerin Beate Merk von der CSU wächst. Sie zögert, beruft sich lange auf das rechtskräftige Urteil.

    "Eine Vielzahl von Gerichten hat aufgrund der Einschätzung renommierter Gutachter die Unterbringung des Herrn Mollath und deren Fortdauer angeordnet."

    Mit dem Sonderrevisionsbericht der Bank kommen aber Zweifel an den psychiatrischen Gutachten und am Gerichtsurteil auf.

    Und da gibt es noch ein pikantes Detail: Im Februar 2004 befasste sich ein Steuerfahnder mit den von Gustl Mollath erhobenen Schwarzgeldvorwürfen. Der Fahnder notiert auf einem Blatt das Wort Spinner, auch wird Mollath in den Notizen als Querulant bezeichnet. Hinterher stellt sich heraus, dass dieser Fahnder mit jenem Richter telefoniert hat, der Mollath später in die Psychiatrie einweist. Als das bekannt wird, weist Ministerin Beate Merk wohl auch auf Wunsch von Ministerpräsident Horst Seehofer die Staatsanwaltschaft Regensburg an, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Falls zu prüfen.

    "Es war mir erst jetzt möglich, tätig zu werden. Unmittelbarer Anlass war der Bericht der Nürnberger Nachrichten, der die Besorgnis der Befangenheit des Richters möglich erscheinen ließ."

    Die Notiz auf dem Zettel des Steuerfahnders befeuert Verschwörungstheorien und nährt den Verdacht, dass Justiz und Steuerfahnder Gustl Mollath von vornherein als Verrückten abgestempelt haben. Aber war hier tatsächlich eine Verschwörung am Werk? Ein verfilztes Geflecht von Bank und Justiz? Davon will Mollaths Verteidiger, der Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate, nicht sprechen. Aber:

    "Es ist sicherlich keine Verschwörung. Es ist sicherlich kein Netzwerk, was hier gewirkt hat. Wohl mögen es schon im Einzelnen Personen gewesen sein, die miteinander vernetzt waren – in Handballvereinen, wo auch immer, im Tennisverein, sich kannten. Da gibt es vielerlei Hinweise dafür, dass da gequatscht wurde und gesagt wurde, der Mollath ist ein Querulant – schiebt den mal zur Seite."

    Gerhard Strate hat bereits im Februar einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt – mit der Begründung, die Richter hätten vor sieben Jahren Rechtsbeugung begangen. Dass nun beide Seiten – also Verteidigung und Staatsanwaltschaft den Fall wieder aufrollen wollen, ist ein ziemlich einzigartiger Vorgang. Jetzt entscheidet das Landgericht Regensburg, wie es weitergeht. Sollte der Fall Gustl Mollath wieder vor Gericht landen, könnten einige bis heute offene Fragen vielleicht beantwortet werden. Und davon gibt es im Fall Mollath sehr viele.