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"Viele werden auch weiterhin keine Steuern zahlen"

Ab Oktober nehmen die Steuerbeamten die Einkünfte der Rentner genauer unter die Lupe: Bei Unsicherheiten sollten Rentner ab jetzt zum Fachmann gehen und sich beim Finanzamt melden - "dann passiert da auch nichts", sagt Jörg Schwenker, Geschäftsführer der Bundessteuerberaterkammer.

Jörg Schwenker im Gespräch mit Christian Schütte | 04.08.2009
    Christian Schütte: Wer in Rente geht, für den beginnt nicht unbedingt ein steuerfreies Leben. Die meisten müssen zwar keine Steuern zahlen, aber jeder Dritte etwa muss doch eine Erklärung beim Finanzamt einreichen. Ab Oktober nehmen die Steuerbeamten die Einkünfte der Rentner genauer unter die Lupe. Wen trifft es möglicherweise und was kommt auf diejenigen zu, die zum Beispiel eine Garage vermietet haben, ohne dem Finanzamt Bescheid zu sagen, und sei es aus Unkenntnis? Die Verunsicherung jedenfalls ist bei vielen da, über diese praktischen Fragen spreche ich nun mit dem Geschäftsführer der Bundessteuerberaterkammer Jörg Schwenker. Schönen guten Morgen, Herr Schwenker!

    Jörg Schwenker: Guten Morgen, Herr Schütte!

    Schütte: Sei es aus Versehen oder absichtlich - wie viele Rentner in Deutschland hinterziehen Steuern?

    Schwenker: Also, ob die Steuern hinterziehen, ist uns nicht bekannt. Fakt ist, dass sich zwei Dinge geändert haben: Renten waren zwar grundsätzlich immer schon steuerbare Einkünfte, aber wir haben seit 2005 einen Steueranteil von mindestens 50 Prozent und wir haben jetzt die Möglichkeiten der Kontrolle.

    Schütte: Inwiefern wird kontrolliert?

    Schwenker: Die Finanzämter haben vorliegen Datenmeldungen der Rentenversicherungsträger und das sind circa 120 Millionen Datensätze für die Jahre ab 2005. Das betrifft die gesetzliche Rente, Betriebsrenten und private Leibrenten. Und ab Oktober werden die Finanzämter auf diese Daten zugreifen und dann bei dem einen oder anderen Rentner nachfragen wegen der Steuer.

    Schütte: Welche Nebeneinnahmen, die auf dem Konto landen, sind denn relevant für das Finanzamt, was muss ich angeben?

    Schwenker: Viele werden auch weiterhin keine Steuern zahlen, weil zum Beispiel der Grundfreibetrag in 2009 7834 Euro für Ledige ist und 15.668 Euro für Verheiratete, und es kommt auch auf den steuerpflichtigen Anteil der Rente an. Das steigert sich allerdings, also, ein Rentner, der 2005 oder früher in Rente gegangen ist, da ist die Rente zu 50 Prozent zu versteuern, wer zum Beispiel 2009 in Rente geht, hat 58 Prozent zu versteuern, und andere Einkünfte, die steuerpflichtig sind, sind zum Beispiel Mieteinkünfte oder auch eben Betriebsrenten.

    Schütte: Wie können denn die Betroffenen abschätzen, wie viel Geld sie gegebenenfalls für die letzten vier Jahre nachzahlen müssen?

    Schwenker: Erst mal so eine Faustregel, dass man merkt, dass viele normale Rentner auch außen vor sind: Wenn ich keine anderen Einkünfte habe und nur eine Rente habe, dann ist ein Rentner, der 2005 in Rente gegangen ist, kann 19.000 Euro Rente haben circa und braucht keine Steuern zahlen, bei Verheirateten sind es 38.000 Euro. Wenn natürlich andere Einkünfte dazukommen, dann geht es natürlich dann dementsprechend schneller, dass Steuern gezahlt werden, die Nachzahlung, da kommt es auf den Steuersatz an. Im Zweifel sollte man zum Steuerberater gehen, weil der dann auch gleichzeitig gucken kann, was vielleicht auch noch abzusetzen ist.

    Schütte: Nachzahlungen sind das eine - gibt es eigentlich rechtliche Konsequenzen?

    Schwenker: Neben den Steuernachzahlungen können zum Beispiel eventuell auch Nachzahlungszinsen von sechs Prozent für die Jahre ab 2005 anfallen im Einzelfall, ansonsten hat die Finanzverwaltung gesagt, will sie sehr kulant mit den Rentnern umgehen und von daher rechne ich nicht mit weiteren rechtlichen Konsequenzen.

    Schütte: Wer sollte jetzt schnell handeln und was tun, bevor das Finanzamt ermittelt?

    Schwenker: Man sollte jetzt gucken, ob man nicht zum Steuerberater und zum Fachmann geht, weil der kann zum Beispiel überprüfen, ob nicht auch Kosten absetzbar sind und dann wiederum kommt vielleicht gar keine Steuer heraus. Das sind bei Rentnern oft zum Beispiel Spenden, Krankheitskosten oder aber auch die Absetzbarkeit der haushaltsnahen Dienstleistungen, also, wenn sie zum Beispiel eine Haushaltshilfe beschäftigen. All das können Sie heute von der Steuer absetzen und dann können Sie auch zum Beispiel Mieteinkünfte und eine Rente haben und haben vielleicht unterm Strich trotzdem keine Steuer zu zahlen.

    Schütte: Die Kriterien, nach denen die Finanzbeamten prüfen, sollen geheim bleiben. Trotzdem an Sie die Frage als Experten: Wonach wird denn in der Praxis wohl geschaut?

    Schwenker: Also, das können wir natürlich jetzt ad hoc noch gar nicht sagen, weil das System erst ab Oktober laufen wird. Ein Grund ist, dass die Rentenversicherungsträger im Moment noch die Daten auch vervollständigen, nicht bei jedem Rentner, bei einem Rentenversicherungsträger bekannt: die steuerliche Identnummer. Diese steuerliche Identnummer ist an jeden Steuerpflichtigen in Deutschland verteilt worden und das wird das Kriterium, wo zukünftig alle Einkünfte daran orientiert werden. Und hier fehlen bisher bei zirka 400.000 Rentnern noch die Angabe der Steueridentnummer und die werden im Moment von den Rentenversicherungsverträgern abgefragt, und dann sind die Datensätze wahrscheinlich im Oktober komplett und dann wird es wahrscheinlich auch regional darauf ankommen, wie die Arbeitskapazitäten der Finanzverwaltungen aussehen, weil das ja die einzelnen Bundesländer handhaben und nicht der Bundesfinanzminister.

    Schütte: Es gibt keine Bagatellegrenze, das heißt, theoretisch sollen auch Cent-Beträge eingetrieben werden. Trotzdem soll, so die Aussage aus dem Bundesfinanzministerium, mit Augenmaß geprüft werden. Was heißt das in der Praxis?

    Schwenker: Generell wissen wir: Das Steuerverfahren ist ein Massenverfahren und schon jetzt gibt es nicht nur für die Rentner, sondern insgesamt ein sogenanntes Risikomanagement, das heißt, viele der Angaben werden maschinell vorgeprüft und nur noch im Einzelfall dann von einem Sachbearbeiter im Finanzamt kontrolliert. Und auch so wird wahrscheinlich das System mit der Rente laufen, das heißt, da wird schon intern ein Prüfmechanismus vorauslaufen, ob zum Beispiel eine Rente überhaupt zu einer Steuer führt oder nicht. Und dann ist es im Einzelfall wahrscheinlich Entscheidung der örtlichen Finanzbehörden beziehungsweise vielleicht der Weisung der einzelnen Landesfinanzminister, ab welchen Grenzen dann wirklich nachgefragt wird.

    Schütte: Steuern zu hinterziehen ist immer illegal, dennoch gibt es schwerere und leichtere Fälle. Erwischt man mit der neuen Regelung künftig, ich sage mal, die Richtigen?

    Schwenker: Das finde ich nicht die richtige Frage. Generell, unabhängig von Rente oder nicht: Steuerhinterziehung ist strafbar und sollte nicht toleriert werden. Ob das bei den Rentnern in diesem Bereich überhaupt der Fall ist oder ob eben trotz der Rechtslage 2005 überhaupt jeder sich das bewusst ist, da möchte ich nicht von Steuerhinterziehung sprechen, deswegen im Zweifelsfall aber jetzt zum Fachmann gehen und Steuerberater und dann sich beim Finanzamt melden und dann passiert da auch nichts.

    Schütte: Der Geschäftsführer der Bundessteuerberaterkammer Jörg Schwenker im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank!

    Schwenker: Danke!