Mittwoch, 24. April 2024

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"Vielleicht wird es ein bisschen ruhiger"

Der SPD-Politiker Erhard Eppler sieht keine Alternative zur Großen Koalition. Das Bündnis von Union und SPD sei "immer noch das, was am ehesten funktioniert", sagte Eppler, der Ende der 60er Jahre der ersten Großen Koalition in der Bundesrepublik angehörte. Allerdings empfahl Eppler den Koalitionären, sich mit öffentlicher Kritik am jeweiligen Regierungspartner zurückzuhalten.

Moderation: Christian Schütte | 25.08.2007
    Erhard Eppler: Guten Morgen, Herr Schütte!

    Schütte: Sie waren damals Entwicklungsminister unter der Regierung Kiesinger-Brandt. Mit Blick auf Ihre Erfahrung von damals: Wie beurteilen Sie denn die Stimmung heute in der Großen Koalition?

    Eppler: Na ja, es ist ein gewisser Hoffnungsschimmer. Bisher ist mir immer aufgefallen, dass in der jetzigen Regierung die Konflikte alle offen in den Medien ausgetragen werden, während damals eben im Kabinett und zwischen den Ministern diskutiert wurde, aber eben ohne die Medien. Es könnte sein, dass man sich jetzt an diese damaligen Gewohnheiten anschließt und etwas weniger gegeneinander polemisiert.

    Schütte: Das heißt, Sie entdecken da einen Wandel in der Streitkultur?

    Eppler: Das könnte sein, ich weiß nicht. Zum Beispiel das, was ich jetzt von Herrn Tiefensee gehört habe, dass er nun wieder öffentlich die Frau von der Leyen kritisiert, das spricht nicht dafür, dass man hier einen grundsätzlichen Wandel beschlossen hat. Aber vielleicht jedenfalls wird es ein bisschen ruhiger, und vielleicht besinnt man sich darauf, was eigentlich eine Regierung ist und dass eine Regierung eben auch einen gemeinsamen Willen verkörpern muss und dass das eben nicht dasselbe ist wie eine Auseinandersetzung im Parlament.

    Schütte: Trotzdem scheinen sich die Politiker etwas uneinig zu sein, welche Handschrift eigentlich die Beschlüsse tragen. Vizekanzler Müntefering sagt, das ist eine sozialdemokratische Handschrift, CDU-Generalsekretär Pofalla dagegen sagt, es seien zentrale Positionen der Union vereinbart worden. Welche Handschrift können Sie denn, Herr Eppler, in den Beschlüssen erkennen?

    Eppler: Also ich habe sie mal daraufhin durchgesehen, ob eine rein sozialdemokratische Regierung sie hätte ebenso beschließen können. Und ich stelle fest: In der Tat, eine rein sozialdemokratische Regierung hätte zwar noch einiges dazu gemacht, siehe Mindestlohn, aber es gibt keine einzige Maßnahme, wo ich sagen könnte, das hätte nicht auch eine rein sozialdemokratische Regierung gemacht. Nun bedeutet das nicht, dass das alles gegen die Union ist. Es gibt eben eine ganze Anzahl von Gemeinsamkeiten zwischen den großen Volksparteien. Sie müssen sich ja orientieren an dem, was die Mehrheit im Volk wünscht und braucht. Und dadurch gibt es natürlich auch ganz von selbst Gemeinsamkeiten.

    Schütte: Die SPD, sagen Sie, hat großen Anteil, also die sozialdemokratische Handschrift ist zu erkennen. Trotzdem sieht sich die SPD als Verlierer der Großen Koalition. Was ist denn diesmal anders als in der ersten Auflage, aus der die SPD als Sieger hervorging und dann 1969 die Wahl gewonnen hat?

    Eppler: Na ja, die Vorstellung, dass die SPD da als Sieger hervorging, stimmt ja auch nicht ganz, denn die Union war ja 1969 ganz nahe an der absoluten Mehrheit. Davon kann die Frau Merkel noch nicht einmal träumen. Aber wie gesagt, es war eben damals die Vorstellung, wir haben eine Regierung, und die hat eine bestimmte Politik, zum Beispiel zwischen Finanz und Wirtschaft, da war Strauß Finanzminister, Schiller war Wirtschaftsminister. Die haben sich abgestimmt, die haben nicht miteinander gestritten, ob man Steuern senken soll oder nicht senken soll, sondern die haben miteinander ein Programm gegen die damals einsetzende Rezession gemacht, und sie haben das mit Erfolg gemacht. Das heißt, es war ein gemeinsamer Wille der Regierung für jeden erkennbar. Das ist heute sehr viel schwieriger.

    Schütte: Damals haben sie offenbar also besser an einem Strang gezogen, noch mal eben die Frage auf heute: Die SPD sieht sich ein wenig benachteiligt in dieser Großen Koalition. Was macht die SPD denn heute falsch?

    "Alles schaut auf die Kanzlerin"
    Eppler: In jeder Koalition, groß oder klein, spielt natürlich die Kanzlerschaft die beherrschende Rolle. Das ist nun einmal in der deutschen Verfassung und in der deutschen Tradition üblich, dass alles auf den Kanzler, auf die Kanzlerin schaut. Und selbstverständlich ist damit die Partei, die den Kanzler nicht stellt, im Nachteil. Das war übrigens bei der ersten Großen Koalition nicht wesentlich anders. Allerdings war damals eben die Außenpolitik eine höchst umstrittene und in der Aufmerksamkeit der Menschen sehr wichtige Sache. Und der Außenminister hieß damals Willy Brandt.

    Schütte: Manche sagen, die Koalition wird jetzt in den kommenden zwei Jahren gar nicht mehr viel zuwege bringen, weil beide Partner, mehr noch vielleicht die SPD, auf Profilierung vor der nächsten Wahl aus ist. Kennen Sie diese Problematik auch von früher?

    Eppler: Na ja, da mag ja was dran sein. Aber ich habe mir jetzt einmal vorgestellt, es gäbe eine Regierung zwischen CDU und FDP. Die würde im Augenblick in der öffentlichen Meinung und bei den Bürgern mit dem, was sie ursprünglich vorhatte, so viel Widerstand erzeugen, dass da auch nicht viel ginge. Oder wenn es eine Koalition gäbe, in der die FDP und die SPD dabei wären, also etwa SPD/Grüne/FDP, da würde auch nicht viel laufen, weil zwischen und SPD und FDP fast keine Gemeinsamkeiten zu finden sind. Das heißt, wenn man relativ sieht, dann ist das immer noch das, was am ehesten funktioniert.

    Schütte: Erwarten Sie denn noch größere Reformen in den kommenden zwei Jahren?

    Eppler: Wenn zum Beispiel das alles durchgesetzt wird, was jetzt über den Klimawandel beschlossen worden ist, das geht ja weit über das hinaus, was die rot-grüne Koalition damals gegen den Widerstand der Union gemacht hat, dann muss ich schon sagen, dann ist das der Mühe wert, dann wird diese Regierung mindestens damit in die Geschichte eingehen, dass sie den Klimaschutz ernst genommen hat.

    Schütte: Zum Schluss, Herr Eppler, noch kurz ein Wort zur SPD und der Abgrenzung zur Linken. Parteichef Kurt Beck zeigt sich ja weiterhin ablehnend, Franz Müntefering dagegen hat vor Kurzem betont, über rot-rote Bündnisse auf Landesebene müsse der Verband vor Ort entscheiden. Ist das ein Zeichen, dass die SPD möglicherweise auch in westdeutschen Parlamenten mit der Linken zusammengehen könnte?

    Eppler: Also da ist keine Differenz. Der Müntefering ist nur ein gewissenhafter Mensch, der das sagt, was nun eben immer schon gewesen ist. Das heißt, er hat gesagt, ich bin gegen Bündnisse mit den Linken, auch im Westen, aber wir können natürlich vom Bund aus die Landtagsfraktionen nicht kommandieren. Und damit hat er natürlich auch Recht.

    Schütte: Das war Erhard Eppler von der SPD, Mitglied der ersten Großen Koalition. Vielen Dank für das Gespräch.

    Eppler: Bitte schön.