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Vielspieler im Fokus

Neurowissenschaft.- Für 14-Jährige sind Videospiele fester Bestandteil des Alltags. Gedaddelt wird gerne und oft mehrere Stunden am Tag. Welche Konsequenzen solch intensives Spielen hat, haben Wissenschaftler der Berliner Charité nun untersucht.

Von Volkart Wildermuth | 15.11.2011
    Elitesoldat, Rennfahrer, Abenteurer, ein Videospieler kann alles sein, kann seine Fähigkeiten vor dem Computer beweisen, dabei vielleicht noch mit seinen Freunden chatten. Kein Wunder, dass Videospiele Jugendliche faszinieren, dass sie viel Zeit in virtuellen Welten verbringen. Im Durchschnitt neun Stunden pro Woche, hat Prof. Jürgen Gallinat vom Berliner St. Hedwigs Krankenhaus festgestellt.

    Der Psychiatrieprofessor der Charité hat eine Gruppe von 150 Jungen und Mädchen im Alter von 14 Jahren aus allen Schulformen und verschiedenen Berliner Bezirken im Hirnscanner untersucht. Dabei zeigten sich in einer einzigen Hirnstruktur Unterschiede zwischen den Jugendlichen die mehr, und denen, die weniger als neun Stunden die Woche vor Konsole und Computer verbringen.

    "Wir haben hier eine Region identifiziert, das ist das sogenannte ventrale Striatum, das gehört zum sogenannten Belohnungssystem des Gehirns. Hier finden wir bei den Jugendlichen, die viel spielen, ein größeres Volumen in dieser Struktur, als bei Jugendlichen die wenig spielen."

    Wobei die Unterschiede nicht dramatisch waren. Im Durchschnitt ist das ventrale Striatum der intensiver spielenden Jugendlichen etwa fünf bis zehn Prozent größer, aber die Werte beider Gruppen überlappen sich deutlich. Nur an einem Hirnscan allein können Eltern jedenfalls nicht ablesen, wie viel ihr Sprössling vor dem Computer sitzt. Dass ausgerechnet das ventrale Striatum eine Beziehung zur Nutzung von Videospielen hat, ist nicht so überraschend. Hier wird schließlich das Dopamin gebildet.

    "Dopamin ist ein Neurotransmitter, der unter anderem für Motivation, Lernen aber eben auch für euphorische Gefühle relevant ist, so dass eben diese Aktivität des Dopaminsystem so ein bisschen erklären kann, wieso zum Bespiel Videospielen auch sehr fesselnd sein kann."

    Die Jugendlichen durften am St. Hedwigs Krankenhaus auch ein Spiel im Scanner spielen. Bei allen reagierte das Belohnungssystem auf mögliche Gewinne, bei den Vielspieler aber lösten zusätzlich auch drohende Verluste eine Aktivierung im ventralen Striatum aus.

    "Das könnte bedeuten, dass diese Jugendlichen trotz Verlusten trotz der Erwartung von Verlusten quasi weiterspielen, weil das ventrale Striatum ihnen angenehme Gefühle oder eine besondere Bedeutsamkeit dieser Situation signalisiert. Dass könnte sozusagen ein falsches Lernsignal sein, trotz eine Verlustes weiter zu machen."

    Weitermachen trotz negativer Erfahrungen, das ist ein Kennzeichen einer Sucht. Auch wenn die Berliner Vielspieler lange Stunden vor dem Computer verbringen, sind sie doch weit von einer Spielsucht entfernt. Eine Nachuntersuchung soll aber zeigen, ob sich einigen von ihnen auf dem Weg in eine Abhängigkeit befinden. Daran könnte ein etwas vergrößertes ventrales Striatum auf zwei Wegen eine Rolle spielen. Entweder macht ein aktiveres Belohnungssystem Videospiele besonders anziehend. Oder es ist umgekehrt und die Vielspieler aktiveren ihr ventrales Striatum so oft, dass es im Lauf der Zeit reagiert und wächst. Jürgen Gallinat vermutet, dass bei den jugendlichen Vielspielern beides zusammenkommt. Eine angeborene Neigung, die durch intensives Training noch befördert wird und so zu dem vergrößerten Striatum führt. Ob das gut oder schlecht ist, möchte der Psychiater gar nicht bewerten, schließlich fördern Videospiele einzelne geistige Leistungen.

    "Das Arbeitsgedächtnis verbessert sich, es gibt Untersuchungen die auch zeigen, dass sich Reaktionszeiten reduzieren oder dass bestimmte Aspekte der visuellen Wahrnehmung sich verbessern. Dass heißt kurz gesagt, dass Videospielen nicht nur negative Effekte hat, sondern auch ganz sauber messbare positive Effekte."

    Videospiele gehören heute für die Jugendlichen genauso zum Leben wie Sport und das Abhängen mit Freunden.

    "Und hier kommt es natürlich wie immer darauf an, dass man ein gesundes Mittelmaß erreicht."