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Vier Frauen für den Präsidenten

Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma hat sich in einer in einer traditionellen Zeremonie wieder einmal getraut. Der bekennende Polygamist ist nun mit vier Frauen gleichzeitig verheiratet. Solche Vielehen sind in Südafrika zwar legal, aber längst kein gesellschaftlicher Konsens. Die Kirchen halten sich mit öffentlicher Kritik jedoch zurück.

Von Leonie March | 23.04.2012
    Gottesdienst in einer charismatischen Freikirche in Kwazulu Natal – der Heimat von Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma. Wortgewaltig kritisiert der Prediger die mangelnde Moral in der Gesellschaft: Drogen und Alkohol, Prostitution und Abtreibung, Sex vor der Ehe und Vielweiberei. Die Konzentration auf konservative Grundwerte zeichnet Gemeinden wie diese aus, betont der Theologe Simanga Kumalo.

    "Die charismatischen Kirchen und die Pfingstbewegungen haben wesentlich strengere Moralvorstellungen als die traditionellen Kirchen, wie beispielsweise Anglikaner oder Methodisten. Sie beziehen eindeutig Stellung gegen die Polygamie und alles andere, was sie als unmoralisch empfinden."

    Nur wenige Christen in Südafrika, wie die Anhänger der Shembe-Kirche, befürworten die in Teilen Südafrikas noch immer verbreitete Polygamie öffentlich. Die meisten Kirchen meiden das Thema, unter anderem aus historischen Gründen. Während der Apartheid galten die kulturellen Praktiken der schwarzen Volksstämme in Südafrika als minderwertig. Heute schützt die liberale demokratische Verfassung die Kultur jedes Südafrikaners. Traditionelle, auch polygame Eheschließungen werden vom Staat anerkannt. Weiße Christen, die Präsident Zuma angesichts der Hochzeit mit seiner vierten Ehefrau kritisieren, laufen Gefahr als Rassisten abgestempelt zu werden. Doch auch für afrikanisch-charismatische Freikirchen sei dies ein heikles Thema, meint Phumzile Zondi-Mabizela, Geschäftsführerin des Dachverbands christlicher Kirchen in Kwazulu-Natal. Jacob Zuma ist selbst aktives Mitglied einer Gemeinde und zeigt sich regelmäßig bei Gottesdiensten gemeinsam mit seinen Ehefrauen.

    "Angesichts seiner engen Beziehung zur Pfingstbewegung überrascht es mich schon, dass sie sich nicht zu seinem Lebenswandel äußert. Schließlich sind die meisten Pfingstgemeinden eindeutig gegen Polygamie. Wahrscheinlich liegt es an einer inneren Zerrissenheit: Ich zum Beispiel gehöre der Volksgruppe der Zulu an. Als Pastorin und als Frau lehne ich die Polygamie ab, als Zulu habe ich dafür jedoch Verständnis und kenne die kulturellen Ursprünge. Es ist also eine komplizierte Gratwanderung. Und deshalb äußern sich die Kirchen in der Öffentlichkeit auch nicht zu dem Thema."

    Das Argument von Kultur und Brauchtum werde in Südafrika aber auch gern vorgebracht, um Diskussionen im Keim zu ersticken, bemängelt der Theologe Simanga Kumalo.

    "Das Problem mit der Kultur ist, dass sich die Leute anscheinend nur darauf besinnen, wenn es ihnen gerade gelegen kommt. Sie missbrauchen die Kultur, um tun und lassen zu können, was sie möchten, ohne sich dafür verantworten zu müssen. Das ist ein bedauerlicher Zustand."

    Präsident Zuma rechtfertigt seinen polygamen Lebenswandel mit der Kultur der Zulu. Mit dieser Begründung macht er sich vor seinen Landsleuten nahezu unangreifbar. Die gesellschaftliche Debatte im Land dreht sich daher vor allem um die Finanzierung von vier "First Ladies", die Belastung für die Steuerzahler und das Image Südafrikas im Ausland. Die Widersprüche zwischen dem traditionellen afrikanischen Rechtssystem und der liberalen demokratischen Verfassung, zwischen Polygamie und modernem Frauenrecht werden dagegen kaum öffentlich diskutiert. Und auch die Kirchen schweigen zu teils offensichtlichen Widersprüchen: Während der Gottesdienste fallen klare Worte gegen die Polygamie, die Vielehe des Präsidenten wird jedoch nicht erwähnt, kritisiert Phumzile Zondi-Mabizela.

    "Ich finde das scheinheilig und opportunistisch. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Denn warum sollten für den Präsidenten andere Regeln gelten als für gewöhnliche Gemeindemitglieder? Viele fragen sich, ob die Kirchen nur deshalb schweigen, um sich mit dem Präsidenten gut zu stellen und vielleicht sogar finanzielle Vorteile daraus zu ziehen. Ich finde es sehr schade, dass die Kirchen faule Kompromisse eingehen, statt zu ihren grundsätzlichen Überzeugungen zu stehen, etwa für Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung."

    Südafrikas Kirchen, die politisch brisante Themen im Kampf gegen die Apartheid nicht gescheut haben, halten sich seit dem demokratischen Wandel vor fast zwei Jahrzehnten in öffentlichen Debatten spürbar zurück. Sie würden sich heute lieber auf religiöse Kernthemen besinnen, als gesellschaftlich heiße Eisen anzufassen, meint Simanga Kumalo.

    "Genau das passiert, wenn die Kirchen die Nähe zur Regierung und damit zum Zentrum der Macht suchen. Dafür opfern sie im Zweifelsfall auch tiefe, teils jahrhundertealte Überzeugungen. Am Beispiel der Debatte um Zuma und die Polygamie wird deutlich, dass es nicht um Religion geht, oder darum, was Gott möchte, sondern um Macht und Einfluss. Südafrikas Kirchen müssen sich aus dieser Abhängigkeit befreien. Sie dürfen sich nicht länger instrumentalisieren lassen. Natürlich bevorzugt die Regierung Kirchen, die sie nicht kritisieren, sondern nach ihrer Pfeife tanzen, aber für die Demokratie ist das sehr problematisch."

    Südafrikas Kirchen stehen damit vor einer enormen Herausforderung: Ihre Stimme fehlt in vielen gesellschaftlichen Debatten. Doch angesichts der enormen Bandbreite an Konfessionen scheint es unmöglich auch nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Die Alternative wäre, kontroverse öffentliche Diskussionen dialogisch zu führen und Pro- und Contra-Argumente etwa bei der Polygamie, abzuwägen. Das jedoch vermeiden die Kirchen, zu groß ist das Risiko, wieder im alten Schwarz-Weiß-Schema zu landen.