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Virtueller Kopfhörer

Technik. - Ein Topthema der Messe der Audio Engineering Society AES in Wien ist der Surround-Sound. Münchner Forscher stellten in Wien ein Verfahren vor, das auf kleinstem Raum den Klang eines Konzertsaals originalgetreu abbildet.

Von Gerd Pasch | 07.05.2007
    Bei der Mehrkanaltontechnik sind die verschiedenen Schallquellen in einem Raum verteilt, zum Beispiel verschiedene Instrumente eines Orchesters. Der Tonmeister positioniert die Mikrofone entsprechend. Über Kopfhörer kontrolliert der Toningenieur diese Aufnahmesituation auf der Bühne und im Studio. Dabei ist in der Enge des Regieraumes die Akustik des Konzertsaales nur unzureichend darstellbar. Dieses Manko wollen die Entwickler des virtuellen Kopfhörers ausgleichen. Die Forscher des Münchner Münchner Instituts für Rundfunktechnik hängen dazu einen Kranz mit 22 Lautsprechern und einem Durchmesser von 1,5 Meter unter die Decke des Regierraumes. "Binaural Sky" nennt Karl Laumann das von ihm mitentwickelte System:

    "Es besteht aus einem Lautsprecher-Array, das über dem Hörer angebracht wird, sodass keine Lautsprecher im Weg stehen oder im Gesichtsfeld sich befinden. Und dieses Lautsprecher-Array erzeugt eben mit Hilfe der Wellenfeldsynthese fokussierte Quellen. Und diese fokussierten Quellen können mit dem Kopf mitbewegt werden. Die sind so angeordnet, dass dadurch ein virtueller Kopfhörer entsteht. Das heißt, beim Hören von Audio-Signalen über diese fokussierten Quellen wird alles so berechnet, dass man das Gefühl hat, einen Kopfhörer aufzuhaben."

    Damit das funktioniert, hat der Hörer eine Art Bewegungsmelder auf dem Kopf. Dieser ermöglicht die dynamische Auswertung der aktuellen Kopfposition des Hörers. Das geht zum Beispiel mit sich kreuzenden Lichtstrahlen, deren Längenänderung der so genannte Head Tracker registriert. Karl Laumann verwendet ein anderes Verfahren, das die Position von Magneten registriert:

    "Wir verwenden jetzt ein elektromagnetisches, weil es von den Latenzzeiten und von der Genauigkeit zurzeit am besten funktioniert. Aber im Prinzip kann jedes System verwendet werden. Es muss nur genau genug für unsere Zwecke sein."

    Der Hörer bewegt so seine Ohren unter der Schalldusche von der Decke. Jeder dieser Lautsprecher im Deckenkranz strahlt ein eigenes Tonsignal ab, das neben dem eigentlichen Klangereignis auch die Rauminformationen sendet. Dazu wird der Konzertsaal zuvor mit einem Kunstkopf-Mikrofon ausgemessen und in einer Datenbank abgelegt. Ein handelsüblicher PC berechnet aus Rauminformation, Schallereignis und den Kopfpositionsdaten das eigentliche Signal für den virtuellen Kopfhörer. Das Klangereignis sitzt sozusagen immer stabil an den Ohren, egal wohin sie sich auch drehen. Bei der Wiedergabe wird dann die Kopfposition ausgelesen und dem entsprechen die passenden Rauminformationen wieder hergeladen, so dass der Raumeindruck bei Kopfhörergabe wieder entsteht.

    Die Münchner Forscher haben für ihren virtuellen Kopfhörer die Technologie für die exakte Reproduktion der räumlichen Wahrnehmung im Originalraum verknüpft mit einer Wellenfeld-Synthese aus der Kunstkopf-Stereophonie, die neben der rechts-links Ortung auch Schallereignisse vorne und hinten darstellen kann. Hinzugefügt haben die IRT-Entwickler um Karl Laumann diesem System noch die fokussierten Quellen. Der Schall wird dank dem Bewegungssensor direkt vor den Ohren konzentriert. So als hätte man einen Kopfhörer auf. Der virtuelle Kopfhörer kommt nicht nur in kleinen Abhörkabinen oder Regieräumen zum Einsatz. Die Entwickler stellen sich auch vor, dass "Binaural Sky" auch Computerspieler begeistern oder im Museum akustische Exponate in einem dreidimensionalen Raum präsentiert werden können.