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Visa-Streit zwischen Indonesien und Israel beendet
Aufatmen bei indonesischen Jerusalem-Pilgern

Aufatmen bei indonesischen Jerusalem-Pilgern: Israel und Indonesien haben heute ihren Visa-Streit beigelegt. Nun können Muslime und Christen weiter ihre heiligen Stätten in Jerusalem besuchen. Eine deutsche Ethnologin erforscht die Beziehungen zwischen Indonesien und Nahem Osten.

Von Lissy Kaufmann | 27.06.2018
    Blick auf die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Sie gilt als drittwichtigste Moschee des Islams.
    Ziel für Pilger aus Indonesien: Die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem (dpa / Peer Grimm )
    Die Altstadt Jerusalems: Anziehungspunkt für Gläubige und Touristen aus aller Welt. Auch immer mehr Muslime, viele aus Indonesien, pilgern hier zur Al-Aksa-Moschee, der drittheiligsten Stätte des Islams. Sie kommen in Gruppen, die Frauen tragen Kopftücher, manche Männer eine Gebetskappe.
    Die deutsche Ethnologin Mirjam Lücking erforscht an der Hebräischen Universität Jerusalem die Beziehungen zwischen Indonesien und dem Nahen Osten: "Für die meisten religiös motivierten Touristen, christlich wie muslimische, steht die Reise ganz stark unter dem Stern einer spirituellen Erfahrung", so Lücking.
    "Also sie kommen erst mal hierher, um eine spirituelle Erfahrung zu machen. Um diese heiligen Stätten aufzusuchen, um dort auch zu beten. Meine Beobachtung ist, dass sich oft vielmehr innerhalb der Gruppe abspielt als mit dem, was gesellschaftlich oder politisch um sie herum passiert."
    Pilgerreise zum Erzfeind
    Mehr als 36.000 indonesische Touristen kamen laut Tourismusministerium im vergangenen Jahr nach Israel, ein Anstieg um mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Knapp 13.000 davon sind Muslime.
    Grund für den Anstieg, so Mirjam Lücking, sei auch eine wachsende urbane Mittelschicht mit Geld fürs Reisen.
    Muslimische Gläubige im im Innenhof der Heiligen Moschee in Mekka (9.9.16)
    Die Pilgerfahrt nach Mekka ist für Muslime eine religiöse Pflicht (AFP/AHMAD GHARABLI)
    Oberstes Ziel ist für alle Muslime die Hadsch nach Mekka. Doch die kann nur zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt absolviert werden: "Und da gibt es mittlerweile auch schon sehr lange Wartelisten, weil Saudi-Arabien die Zahl der Pilger auch reglementiert."
    In manchen Regionen von Indonesien gebe es Wartelisten von 15 bis 20 Jahren, so Lücking. "Für die Reiseagenturen hat das bedeutet, dass sie den Markt für sich erkannt haben und dass sie dann eben auch andere Pilgerreisen angeworben haben, so nach dem Motto: Solange man darauf wartet, die Hadsch nach Mekka zu machen, kann man ja auch erst mal die kleine Pilgerreise, also die Umrach, nach Mekka und Medina machen - und die könnte man auch verbinden. Das heißt dann oft Umrach plus, Umrach plus al Aksa oder Istanbul, und so ist dann eigentlich der Markt für muslimische Reisen oder Halal-Tourismus gewachsen."
    Die Reise nach Israel ist unter Muslimen umstritten. Viele solidarisieren sich mit den Palästinensern. Israel gilt, vor allem in der arabischen Welt, vielen als Erzfeind.
    Tourimusbranche profitiert von Indonesiern
    So geriet auch Yachya Cholil, einer der Generalsekretäre der größten islamischen Organisation in Indonesien, in die Kritik, als er Anfang Juni nach Israel reiste und sich auch mit Premier Netanjahu traf.
    Doch er konterte die Kritik und ließ es sich nicht nehmen, bei der Konferenz des American Jewish Council eine Friedensbotschaft auszusenden: "Wenn die Menschen keine Rahma haben, also kein Mitgefühl mit anderen, können diese Menschen auch nicht für Gerechtigkeit sorgen. Wenn ich also die Welt zu etwas aufrufen könnte, dann dazu, dass wir uns für Rahma, also Barmherzigkeit, entscheiden."
    Muslimische Frauen in Indonesien während eines Gebets
    In keinem anderen Land der Welt leben so viele Muslime wie in Indonesien (picture alliance / dpa / Tamy Utari)
    Die Tourismusindustrie hat sich längst auf die Indonesier eingestellt: Reiseanbieter und Souvenirhändler lernen sogar Indonesisch – nicht nur in Jerusalem.
    Denn auf dem Reiseplan der Indonesier stehen noch andere Ziele, weiß Mirjam Lücking. Sie hat einige Gruppen begleitet - für Forschungszwecke: "Das wird dann verbunden mit Besuchen in Ägypten und Jordanien, auch angeworben als Reisen auf den Fußspuren der Propheten. Viele Propheten im Islam sind ja auch Propheten des Christentums und des Judentums. Und das fängt dann an in Ägypten mit der Erinnerung an den Propheten Mussa im Islam - also Moses."
    Kontakt zwischen Christen, Muslimen und Juden
    Auch das Patriarchengrab in Hebron, wo der Überlieferung nach Abraham, oder Ibrahim, begraben liegen soll, ist eines der Ziele. Genauso die Geburtskirche. Denn Jesus gilt im Islam als Prophet, Isa genannt.
    Und auch das Heilige Grab der Rabiad Al Auija, einer islamischen Mystikerin, ist beliebt. Dabei sind solche Destinationen innerislamisch höchst umstritten: "Also nicht alle Muslime würden das als erstrebenswert oder also empfehlenswert ansehen, zum Beispiel auch Wahhabiten in Saudia Arabien würden sagen: Das hat polytheistische Züge, zu den Gräbern von Heiligen oder von berühmten Klerikern zu pilgern."
    In Indonesien sei das sehr weit verbreitet, so Lücking. "Das hat auch was mit der vorislamischen Ahnenverehrung zu tun. Und das Pilgern zu Heiligengräbern als eine Tradition im mystischen Islam ist in Indonesien weit verbreitet, man verspricht sich davon Segenskraft und Verbindung zu der Weisheit der Heiligen und einfach einen inneren Zustand, der einen empfänglicher macht für Spiritualität und Nähe zu Gott."