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Visionen aus Stein und Stahl

Das New Yorker Guggenheim Museum, das "Fallingwater House" oder der Entwurf eines 1600 Meter hohen Wolkenkratzers - seine Architekturentwürfe sprengten die Dimensionen ihrer Zeit und widersetzten sich allen Trends, Stilrichtungen und Moden. Bis heute gilt der vor 50 Jahren verstorbene Architekt, Frank Lloyd Wright, als schillernde Legende und Ideengeber moderner Architektur.

Von Jochen Stöckmann | 09.04.2009
    Frank Lloyd Wright, geboren 1867 in Wisconsin, gehörte als Schüler von Louis Sullivan zu den Wegbereitern des Wolkenkratzers. 1901 stimmte der Sohn eines Baptistenpredigers eine Lobeshymne auf das Maschinenzeitalter an. Sein erster Erfolg aber waren "Prärie-Häuser", villenartige Gebäude, die sich perfekt in die weitläufige Landschaft der Vororte Chicagos einpassten: flach geneigte, weit vorragende Dächer, niedrige Geschosshöhen, ineinander übergehende Räume, die in Terrassen und Gärten münden.

    In Perfektion verkörperte "Fallingwater House" diesen Dialog zwischen Architektur und Natur: ein Wohnhaus, das Wright 1934 mitten in einem Wasserfall errichtete - ein Meisterstück, das aufgrund hoher Bau- und Erhaltungskosten ein Unikat blieb, bleiben musste.

    Mit Pfennigfuchserei hatte dieser Architekt, ein Liebhaber knallroter Sportwagen und schöner Frauen, nichts am Hut. Deshalb kanzelte der protestantische Lebensreformer in seinem Buch "Das natürliche Haus" Bauunternehmer als "betrunkene Bande von Verbrechern" ab:

    "Der Mann der Praxis, der den steinigen Weg ging und mit Leib und Seele dabei war, ist verschwunden. Und in kommerziellen Unternehmen bleibt Inspiration Expertensache."

    Die inspirierten Entwürfe Frank Lloyd Wrights fanden großen Widerhall - in Europa: Bereits 1910 wurde dem Ausnahmearchitekten eine Ausstellung in Berlin gewidmet, der Wasmuth-Verlag präsentierte sein Werk in einem aufwendig gedruckten Buch, das den Architekten Ludwig Mies van der Rohe förmlich elektrisierte. Aus Paris machte sich Le Corbusier auf, um den verehrten Kollegen im Herbst 1930 in den USA zu besuchen. Aber Wright, der sich nach mehrjährigem Aufenthalt in Japan in das ländliche Amerika seiner Kindheit zurückgezogen hatte, ließ den prominenten Besucher aus Übersee vor der Tür stehen.

    In seinem neugegründeten "Taliesin"-Büro, einer verschworenen Gemeinschaft meist junger Architekten, holte er Gleichgesinnte zusammen, die mit unverstelltem Blick auf alltägliche Probleme Bauten entwarfen, in denen die karge Material-Ästhetik von Backstein und Beton mit einer opulenten Formensprache der Natur verschmolzen.

    Aber diese sehr individuellen Lösungen waren im prosperierenden Amerika der Nachkriegsjahre wenig gefragt. Frank Lloyd Wright musste sich ganz anderen Bauaufgaben stellen:

    "Das Problem ist die Stadt. Jedes Dorf in Amerika will Großstadt werden."

    Darauf reagierte der Verfechter der "Prärie-Häuser" mit utopischen Entwürfen für 1600 Meter hohe Wolkenkratzer. Und Wright bemerkte bissig, dass drei dieser babylonischen Türme genügen würden, um ganz New York zu ersetzen. Tatsächlich aber baute er in der verhassten Metropole 1959 das Guggenheim Museum, eine Betonspirale als Manifest gegen die stupide Schachbrettordnung der Straßenzüge und Rasterfassaden.

    "Architektur des 20. Jahrhunderts muss im Innern beginnen. Denn wie sind wir gebaut? Von innen nach außen, um die Wirbelsäule! Aber was macht Mies van der Rohe? Er nimmt einen Stahlrahmen als Architektur. Er denkt an nichts anderes als an Raster, Raster, Raster! Oder Le Corbusier - ein Maler, kein Architekt: Fixiert auf Fassaden. Sie sehen weder Bäume noch uns, sie sehen gar nichts!"

    Frank Lloyd Wright selbst bewies Weitsicht, noch lange nach seinem Tod am 9. April 1959: Als facettenreich schillernde Legende, als Ideengeber und Anreger weist er über Stilrichtungen und Modetrends hinaus - so, wie ihn Simon and Garfunkel in ihrem Album "Bridge over troubled water" 1969 besungen haben:

    Architects may come and
    Architects may go and
    Never change your point of view.
    When I run dry
    I stop awhile and think of you

    So long, Frank Lloyd Wright
    So long
    So long.