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"Völkerschau" im Zoo Wuppertal
Ein Gedenkstein für "Sussy Dakaro"

Verschleppt, versklavt und ausgebeutet: Fünf junge Aborigines müssen im 19. Jahrhundert als "exotische Wilde" im Wuppertaler Zoo auftreten. Nun erinnert ein Gedenkstein an ihr trauriges Schicksal. Doch damit ist das dunkle Kapitel der "Völkerschauen" noch nicht abgeschlossen.

Von Jana Turek | 03.07.2017
    Die Symbole "Frau" und "Weg" auf einem Gedenkstein in Wuppertal-Sonnborn, der an das das Schicksal der verschleppten Aborigine "Sussy Dakaro" erinnern soll.
    Die Symbole "Frau" und "Weg" auf dem Wuppertaler Gedenkstein, der an Sussy Dakaros Schicksal erinnert (Jana Turek)
    Queensland, Australien, vor rund 150 Jahren: Im Land der Aborigines suchen Abenteurer, Missionare und Verbrecher ihr Glück. Auf den Palm Islands, einer Inselgruppe im Nord-Osten des Landes, kommt ein Mädchen zu Welt. Mit 14 gerät sie in die Fänge des Menschenjägers Robert A. Cunningham. Er sammelt Menschen für sogenannte Völkerschauen. Selbst für damalige Verhältnisse war sein Geschäftsmodell besonders grausam, sagt Hilke Thode-Arora, Historikerin im Museum Fünf Kontinente in München:
    "Die Quintessenz der Quellen ist eigentlich: Für Impresarios und für Völkerschau-Teilnehmer waren in den meisten Fällen die Schauen ein gutes Geschäft für beide Seiten. Hier ist Cunningham als Rekruteur natürlich wieder die große, unrühmliche Ausnahme. Er brüstet sich in der Programmbroschüre zu der Aborigine-Schau damit, dass er die Aborigines an Bord eines Schiffes lockte und entführte."
    Für westliches Publikum als "Wilde" inszeniert
    Cunningham verschleppt neun Personen. Das 14-jährige Mädchen von den Palm Islands wird fortan die Negerprinzessin Sussy Dakaro spielen müssen. Er plant mit seinen Gefangenen aus Australien sogenannte Völkerschauen, auch Wuppertal steht auf dem Plan. Zunächst aber erreichen sie 1883 die USA. Dort müssen die Teilnehmer im Zirkus und auf Jahrmärkten auftreten und in die Rolle der Wilden schlüpfen, erklärt Manfred Görgens, ein Wuppertaler Journalist, der sich intensiv mit Sussys Geschichte beschäftigt hat:
    "Cunningham hat die Aborigines Tänze aufführen lassen - die kamen überhaupt nicht aus deren Kultur, sondern das war irgendwas, was der sich ausgedacht hat. Er hat auch solche Dinge gemacht, dass der den Männern in Nase und Ohren Löcher gebohrt hat und Knochen reingesteckt hat, weil das das Bild war, was das Publikum eigentlich wieder haben wollte von diesen Wilden."
    Schon damals Kritik an den Völkerschauen
    Die Rechnung geht auf: Das Publikum ist geradezu euphorisch und strömt zu Hunderten, wie heute bei einem Popkonzert, zu den Schauen. Diese Begeisterung teilen aber nicht alle: Der Hamburger Zoodirektor und selbst Völkerschauausrichter Carl Hagenbeck kritisiert Cunningham für seine Methoden, sagt die Historikerin Hilke Thode-Arora:
    "Cunningham hatte in der gesamten Völkerschaubranche offenbar einen äußerst schlechten Ruf und ja auch zu Recht: Er galt, wie wir etwa aus den Briefen Carl Hagenbecks wissen, als jemand, der Menschen so lange zur Schau stellte, bis sie alle gestorben waren. Er hielt sie wie Gefangene, er sparte an den Lebensmitteln und er sparte auch an medizinischer Versorgung. Er schlug sogar noch aus dem Tod von Völkerschauteilnehmern Profit, indem er ihre menschlichen Überreste präparieren ließ und verkaufte."
    Sussys Mann Tambo und drei weitere Aborigines sterben noch in den USA. Auch Tambos Leichnam wird einbalsamiert und weiterverkauft und erst 1993 in einem amerikanischen Museum wiedergefunden und schließlich in seiner Heimat Australien beigesetzt.
    Der Gedenkstein in Wuppertal-Sonnborn erinnert an das Schicksal der verschleppten Aborigine "Sussy Dakaro".
    Gedenkstein in Wuppertal-Sonnborn (Jana Turek)
    Können Sussys Gebeine in ihre Heimat zurück?
    Für Sussy und die vier anderen Überlebenden geht es 1884 von Amerika nach Westeuropa, und im Juni 1885 ins heutige Wuppertal, in den Zoo Elberfeld, beworben als "Bumerang werfende Kannibalen". Für den noch jungen Zoo ist es ein voller Erfolg. Nur Sussy kann nicht mehr auftreten. Sie leidet unter Tuberkulose und stirbt am 23. Juni 1885.
    Jetzt - 132 Jahre später - erinnert ein Gedenkstein in Wuppertal-Sonnborn an ihr Schicksal. Der Wuppertaler Zoo, Stiftungen und private Spender haben sich dafür eingesetzt. Ob Sussys Gebeine noch ausgehoben werden und nach Queensland heimkehren, wird zur Zeit kontrovers diskutiert. Nur auf diese Weise könne ihre Seele nach dem Glauben ihres Volkes Ruhe finden. Doch solange ist Sussy Dakaro "unter fremdem Namen im fremden Land begraben".