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Vogelbeobachtungen in den Wiener Donau-Auen
In aller Frühe und mit Fernglas

In den Donau-Auen in Wien lassen sich allerlei Vogelarten beobachten und belauschen. Das lockt natürlich Hobby-Ornithologen auf den Plan. Die einen packt der Ehrgeiz, jedes Gezwitscher bestimmen zu können, die anderen genießen die Ausflüge in die Natur.

Von Lothar Bodingbauer | 22.06.2014
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    Ein Mäusebussard fliegt über ein Feld. (picture-alliance / dpa / Boris Roessler)
    "Gut, ich denke mir, so reine Gehzeit heute wird gut 2,5 Stunden sein, drei Stunden, mit Vögelbeobachten und so weiter vier bis fünf Stunden, denke ich mal. Wir gehen jetzt donauabwärts bis zur Fischamündung, und die Fischa gehen wir dann hoch nach Fischamend und von da fahren wir mit der Schnellbahn wieder zurück."
    15 Menschen sind für diesen Ausflug in die Au zusammengekommen, am Wochenende, in aller Früh. Ihr Alter ist verschieden und ebenso auch ihre Herkunft. Sie teilen aber eine gemeinsame Erwartung: viele Vögel zu sehen und auch zu bestimmen.
    "Ja, jetzt schauen wir mal, was es Neues gibt hier. Ich bin schon ein bisschen vogelkundlich infiziert, Frühjahr ist auch da." - "Ich gehe raus und kann total abschalten, ich gehe raus, und alles was mich beschäftigt, ärgert, oder was auch immer: ich gehe raus, höre die Vögel und bin wo anders." - "Heute geht es darum, dass ich als Leiter dieser vogelkundlichen Exkursion in die Donau-Auen versuche, den Teilnehmern diesen Frühjahrsaspekt näherzubringen, den man in so einem mitteleuropäischen Auwald hat. Ich bin Christian Schulze von der Universität Wien. Mein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Ornithologie, also Vogelkunde, und gleichzeitig geht diese Exkursion in die Donau-Auen, weil es mir ein Anliegen ist, diesen naturschutzfachlichen Wert dieses Nationalparks aus vogelkundlicher Sicht einem breiteren Publikum zu vermitteln."
    Die erste Herausforderung ist die "Kunst der Bestimmung". Nicht die Augen stehen dazu als Instrument im Mittelpunkt, sondern die Ohren. Das erzählt Karin Schlechta. Sie hat zu diesem Ausflug eingeladen und sie ist eine der Teilnehmerinnen.
    "Ich bin Musikerin, ich spiele Geige. Von den Vogelgesängen: ich ordne sie anders ein, in Intervalle, Rhythmen, Lautstärke, Fülle oder kleiner Ton oder Höhe. Ich war am Anfang, dass ich sie nach dem Sehen bestimmt habe, nach dem Fotoapparat, was sehe ich da. Jetzt ist es halt: was kann ich alles mit meinem Gehör bestimmen, ich muss gar nicht mehr sehen. Was mich am Anfang sehr interessiert hat, weil ich dachte, ich bin draußen, ich will sie ja sehen, aber teilweise geht es halt nicht. Wenn viel Laub ist, hast du keine Chance, dass du den Vogel siehst." - "Die Ringeltaube sehe ich da oben sitzen. Sie bleibt sitzen, das ist auch schön. Wenn ein Vogel sitzen bleibt, kann man ihn wunderbar beobachten. In dem Fall ist es wunderbar." - "So: was hören wir da jetzt für Vogelstimmen? Wer erkennt was? Zilpzalp! Das ist der leichteste. Das ist eine Art, mit der man gut anfangen kann, weil die relativ einfach zu erkennen ist, die macht wirklich zilpzalp, zumindest unser Zilpzalp. Der macht auch nicht immer zilpzalp, der macht manchmal zilpzilpzalp, aber trotzdem ist dieses Zip und Zalp immer da." - "Das Hohe ist das ein Baumläufer oder eine Amsel?" - "Mönchsgrasmücke hört man wieder, Ringeltaube." - "Ich habe mir eine CD mit Vogelstimmen auf den iPod gespielt. Jedes Mal wenn ich mir nicht sicher bin bei einem Vogel, hole ich meinen iPod raus, höre mir das an und kann das meistens bestätigen. Wenn man sich unsicher ist, ist das eine gute Referenz, ob es der Vogel ist, oder nicht." - "Wenn das Ohr etwas hört und das Auge nicht ausreicht, um es zu bestimmen, dann haben viele der Hobbyornithologen auch ein Fernrohr dabei, das sogenannte Spektiv."
    "Das Spektiv ist optimal für eine Vogelbeobachtung aus der Ferne. Ab 400 Meter ist das Glas zu wenig, und dann ist das Spektiv ideal. Es wird hauptsächlich aufgestellt, wenn man weite Blick hat, wie am Neusiedlersee, wenn ein großer, weiter Blick möglich ist." - "Da ist der Gänsesegler zu sehen, er ist sehr aktiv, deswegen ist er schwer einzustellen." - "Jetzt ist er da, im hellen Wasser. Müsste man mit dem Spektiv einstellen." - "Ich bin die Api, ich bin acht Jahre, habe ein Buch dabei zum Reinschreiben, was ich gesehen habe, ein Fernstecher, ein Vogelbuch, einen Rucksack mit der ganzen Ausrüstung. Ich bin heute dabei, weil ich gerne Vögel sehen mag, und weil ich alleine keine Vögel so gut sehen kann. Ich kann sie nicht unterscheiden so alleine. Ohne Führungen."
    Jeder hat seinen Lieblingsvogel
    Und plötzlich: ein Seeadler.
    "Ein ganz alter, man sieht den hellen Kopf - und der weiße Schwanz. Na, ist das schön!" - "Er heißt White Tail Eagle - ja, jetzt sieht man schön den weißen Schwanz - er ist eine Rarität - ein majestätisches Profil - sehr schöner Vogel." - "Der größte Adler in Österreich." - "Der ist echt super." - "Mich interessiert die Natur generell sehr stark. Eines Tages bin ich auf die Idee gekommen. Ich habe mich viele Jahre nur mit Kräutern beschäftigt, die Augen waren nur bei den Pflanzen. Dann bin ich aufmerksam geworden, dass es toll ist, die Vögel zu beobachten." - "Typischer Buchfink, dieses ‚dijoooom'. Tü-tü-tü diiiijooom. Hören Sie das? Immer wieder ähnlich." - "Ich freue mich immer, wenn ich eine neue Vogelart für mich entdecken kann, die ich noch nie vorher gesehen oder gehört habe." - "Die Steppenmöwe, die Rohrweihe, die Graugans mit den vier Babys. Die Kormorane. Und ich habe eine Bachstelze gesehen, zwei." - "Ich bin bei der ÖBB, Güterverkehrsdisponent. Wenn es sich bei mir ausgeht, dann mache ich das in der Gegend. Man erlebt immer was, und schaut. Das ist keine Frage." - "Mein Mann hat Ökologie studiert, und ich Botanik, aber in den letzten Jahren, wir waren zwei Jahren im Ausland, in Mittelamerika in Guatemala und dort waren die Vögel die einzige Gruppe, wo es Bücher gegeben hat, Hauptsache man hat etwas, wo man ein bisschen nachschauen kann, wo es ist. Dann haben wir viele Vögel bestimmt, wenn man mal was macht, geht es schnell, dass man weiterkommt." - "In der Vielfalt in Guatemala haben wir uns angewohnt, eine Fotodatenbank aufzubauen. Da lernt man es noch einmal, wenn man es beschriftet zu Hause und nachbestimmt. Und so sind wir in die Ornithologie reinkommt." - "Man macht sich eine Liste, ich habe mir das heuer zum Spaß angewöhnt, aufzuschreiben, welche Vögel ich das ganze Jahr in Österreich sehe." - "Wir bleiben auch oft bei Blumen stehen, Schmetterlingen oder Heuschrecken, es beschränkt sich nicht nur auf die Beobachtung von Vögeln." - "Vielleicht kommt man irgendwann, wenn man jahrelang dabei ist, dass man sich auf einzelne spezialisiert, die man noch nicht gesehen hat, aber im Moment ist wirklich Naturerlebnis." - "Da wir es noch nicht so lange als Hobby für uns entdeckt haben, ist es noch ein weites Feld." - "Ich würde gerne einen Kranich sehen er ist mir bisher noch nie untergekommen, er ist mir noch immer entwischt."
    So hat wohl jeder der Birder, der Vogelbeobachter seinen Lieblingsvogel, ob er ihn schon entdeckt hat, oder nicht. Viele verschiedene Vogelarten zu sehen, ist aber nur die eine Seite. Spannend sind vor allem auch die Abläufe in der Natur.
    "Für mich sind die Zusammenhänge, zum Beispiel Zugvögel, wann fliegen sie weg, wo fliegen sie hin, was betrifft sie, Wetterumschwünge, was ist dann mit der Population. Ich finde es interessant, dass man die Aufmerksamkeit darauf hinbringt: Hallo Leute, unsere Vögel fliegen auch wo anders hin." - "Mich haben von Anfang an die Ornithologen fasziniert, es war faszinierend, wie sie mit einem Spektiv den Vögeln nachgelaufen sind." - "Mein Lebensgefährte interessiert sich schon für Vögel, aber nicht so sehr wie ich. Aber er geht trotzdem wahnsinnig gerne bei solchen Exkursionen mit, weil er sagt, es ist so lustig, die Ornithologen als Gruppe zu beobachten." - "Das ist für mich, da habe ich mir gedacht, sind eigentlich interessante Menschen, die möchte ich kennenlernen. Seit dem bin ich dabei, und beobachte die Ornithologen, und die Vögel auch manchmal."
    Nach fünf Stunden in der Au hat Api, die achtjährige Schülerin, 28 Vogelarten für sich ganz neu entdeckt. Sie mag Vögel, sagt sie, und strahlt.
    "Mit sieben Jahren ist mir einfach eingefallen, dass ich Vögel über alles liebe, und dass ich sie gerne studieren mag."