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Vogelwilderei
„Der Spaß am Töten spielt eine sehr große Rolle“

Allein im Mittelmeerraum werden jährlich etwa 20 Millionen Wildvögel getötet - illegal. In einigen Ländern gibt es deswegen nationale Aktionspläne zur Eindämmung der Wilderei. Doch noch immer gebe es Brennpunkte, sagte Tilman Schneider von der Konvention zur Erhaltung wandernder, wild lebender Arten im Dlf.

Tilman Schneider von Susanne Kuhlmann | 17.05.2019
Ein Braunkehlchen ist in einer Schlagfalle gefangen (undatierte Aufnahme). Millionen von Vögeln verenden jedes Jahr qualvoll bei der illegalen Jagd in Italien.
Ein Braunkehlchen ist in einer Schlagfalle gefangen. Millionen von Vögeln verenden jedes Jahr qualvoll bei der illegalen Jagd in Italien. (dpa / picture alliance / Komitee gegen den Vogelmord)
Susanne Kuhlmann: Rund 20 Millionen Vögel werden schätzungsweise jedes Jahr gewildert und illegal gehandelt, und zwar nicht in Asien oder Afrika, sondern mitten in Europa: im Mittelmeerraum. In Rom wurde vorige Woche auf einer internationalen Konferenz beraten, wie sich Vogelkriminalität bekämpfen lässt. Mit dabei war Dr. Tilman Schneider von der Bonner Konvention zur Erhaltung wandernder, wild lebender Arten. Hallo, Herr Schneider!
Tilman Schneider: Ja, hallo! – Ich grüße Sie, Frau Kuhlmann.
Kuhlmann: Um welche Vogelarten geht es?
Schneider: Es geht unter dem Mandat der Bonner Konvention erst mal um die Arten, die in unseren Artenanhängen gelistet sind. Das sind geschützte Arten unter Anhang eins, die nicht bejagt beziehungsweise aus den natürlichen Systemen entnommen werden dürfen, unter Anhang zwei dann Arten, die generell in einem schlechten Erhaltungszustand sind und durch Unterabkommen der Konvention geschützt sind.
Wir sprechen hier bei Anhang-eins-Arten natürlich über große Greifvögel, Geier, die Opfer von Vergiftung werden, unter anderem zwei Arten aus der Familie der Mönchsgrasmücken- und Laubsänger, Fliegenschnäpper, jeder kennt, denke ich, das Rotkehlchen, Bienenfresser und andere Arten.
Es ist aber auch zu beachten, dass die Illegalität nicht nur im Schutzstatus der Arten besteht, wenn man sie wildert, sondern dass auch unselektive Fangmethoden wie Netze und Leimruten verwendet werden, die nach der EU-Vogelschutzrichtlinie verboten sind, und auch Jagdsaisons auf prinzipiell jagdbare Arten zum Teil nicht eingehalten werden.
Kuhlmann: Wenn wir jetzt auf das Fangen gucken, für welche Kundschaft passiert das?
Schneider: Es gibt Unterschiede im Mittelmeerraum bezüglich der Länder. Im europäischen Raum können Sie sich vorstellen, dass es da nicht unbedingt nötig ist, seine Nahrung aus Zugvögeln zu beziehen. Es ist dann eher eine Delikatesse, die auf dem Schwarzmarkt gehandelt wird.
In anderen Ländern im nordafrikanischen Raum ist es tatsächlich so, dass Menschen das als Nahrungsquelle, Proteinquelle benutzen. Es ist leider aber auch in vielen Ländern so, dass Sport, wenn man es in dem Sinne bezeichnen will, der Spaß am Töten eine sehr große Rolle spielt beim Schießen oder Bejagen oder Wildern, von Jagd kann man eigentlich nicht mehr sprechen, geschützter Arten sowie der illegale Handel gerade mit begehrten Arten, die entweder zur Nahrung als Delikatesse dienen oder zur Präparation.
"Nationale Aktionspläne"
Kuhlmann: Vereinbart wurde ja in Rom, eine gemeinsame Strategie gegen den Vogelmord zu entwickeln. Wie sollte die aussehen?
Schneider: Es geht darum, nationale Aktionspläne zu entwickeln, wie sie zum Beispiel in Ländern wie Italien schon bestehen, um zudem auch die Ursachen und Motive besser zu verstehen und die Länder dabei zu unterstützen, effizient auch die nationale Gesetzgebung weiterhin anzupassen und verstärkte polizeiliche Beobachtung und gesetzliche Verfolgung der Vogelwilderei durchzusetzen.
Es geht um die Gewährleistung effizienter und effektiver Rechtsprechung gegenüber den festgestellten Verstößen und natürlich auch um Präventionsmaßnahmen. Das heißt, Bildung zukünftiger Generationen, damit diese den illegalen Aktivitäten nicht mehr nachgehen.
Kuhlmann: Ganz kurz noch zum Schluss. Wie hat sich die Vogelkriminalität entwickelt? Ist sie schlimmer geworden?
Schneider: Wir haben deutliche Fortschritte zu verzeichnen in einigen Ländern des europäischen Mittelmeerraums. Italien hat einen nationalen Aktionsplan entwickelt. Der muss dann auch greifen am Ende. In Ländern wie Spanien haben wir ein deutliches starkes Engagement auch der Umweltpolizei. Es geht darum, in vielen Ländern wurden höhere Strafen in die Gesetzgebung aufgenommen, so dass sich der Handel mit diesen Vögeln nicht mehr lohnt, wenn man eine hohe Strafe bekommt. Das sind abschreckende Maßnahmen. Es gibt aber wirklich noch Brennpunkte im Nahen Osten, wo dann dementsprechend auch teilweise noch ausufernde illegale Vogelwilderei stattfindet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.