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Volksabstimmung wäre die sauberste Lösung

Die griechischen Wähler sind die richtige Adresse für die Frage, ob sie für den Euro leiden oder auf den Euro verzichten wollen. Das Problem ist nur, dass von der Antwort auch das Wohl vieler anderer Länder abhängt. Das führt zur zentralen Frage: Welche Demokratie braucht der Euro? Welche Demokratie braucht Europa?

Von Alois Berger | 02.11.2011
    Es ist nicht leicht in diesen Tagen, die Griechen zu verstehen. Das Land steuert auf einen Staatsbankrott zu und was machen die in Athen? Sie demonstrieren und streiken! Die Taxifahrer, die Müllabfuhr, irgendwer findet immer einen Grund, das Land lahmzulegen. Und jetzt will Premierminister Papandreou auch noch ein Referendum über die Staatshilfen abhalten. In Brüssel herrschen Ratlosigkeit und blankes Entsetzen.

    Dabei wäre die Volksabstimmung die sauberste Lösung, auch für die EU. Zwar ist die genaue Fragestellung noch nicht bekannt und auch der Zeitplan birgt viele Unsicherheiten. Aber im Kern geht es darum: Wollen die Griechen den Sparkurs akzeptieren, oder wollen sie raus aus dem Euro? Dazwischen gibt es nichts und dazwischen kann es auch nichts geben! Denn nicht die EU, die griechischen Regierungen der letzten Jahrzehnte haben ihr Land in diese Lage gebracht. Deshalb sind die griechischen Wähler auch die richtige Adresse für die Frage, ob sie für den Euro leiden oder auf den Euro verzichten wollen, mit allen Konsequenzen.

    Das Problem ist nur, dass von der griechischen Antwort auch das Wohl vieler anderer Länder abhängt. Wenn es in Griechenland kracht, dann krachen auch viele Banken. Vor allem in Irland, Portugal, Spanien geht jetzt wieder das große Zittern los. Das führt unweigerlich zur zentralen Frage: Welche Demokratie braucht der Euro? Welche Demokratie braucht Europa?

    Bislang herrscht in Europa ganz eindeutig die repräsentative Demokratie. Die Menschen wählen ihre nationalen Regierungen und sie wählen ein Europaparlament. Institutionen, die im Idealfall zusammen in Brüssel die Entscheidungen treffen. Theoretisch hat das den Vorteil, dass Regierungen und Europaabgeordnete das große Ganze im Blick haben. In der Praxis hat es den Nachteil, dass immer mehr Menschen das Gefühl haben, von einer undurchschaubaren Eurokratie regiert zu werden. Da können Politiker und brave Journalisten noch so oft versichern, dass das nicht so ist. Das Misstrauen gegenüber europäischen Entscheidungen ist mit Händen zu greifen.

    Deshalb wird Europa nicht drum herumkommen, die Bevölkerung stärker in wichtige Entscheidungen einzubinden. Das ist weniger eine demokratietheoretische Frage als vielmehr eine Frage der Akzeptanz der Europapolitik. Dass bei Volksabstimmungen erfahrungsgemäß viele Bürger aus dem Bauch heraus entscheiden, statt sich zu informieren - das ist leider so! Dass dabei Antworten heraus kommen können, die Europa und uns allen schaden, das ist leider auch so. Aber so ist Demokratie nun mal, und kluge Entscheidungen, die von der Bevölkerung nicht akzeptiert werden, richten vielleicht noch mehr Schaden an.

    Deshalb sollten wir das griechische Referendum über den Schuldenschnitt und die zugehörige Sparpolitik auf jeden Fall begrüßen. Es ist nur leider so, dass die Volksabstimmung in Griechenland vermutlich gar nicht erst zustande kommt, weil sie außer Regierungschef Papandreou keiner so recht will, die Oppositionspolitiker nicht und offensichtlich auch die Bürger nicht.

    Wer die Straßenumfragen in Athen gehört und gesehen hat, der hat vor allem Menschen wahrgenommen, von denen viele sauer waren darüber, dass sie jetzt selbst entscheiden sollen. Einige schimpften, die Regierung wolle nur die Verantwortung abschieben. Es ist nicht leicht in diesen Tagen, die Griechen zu verstehen.

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