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Volksbefragung auf Ruinen

Tausende Menschen sind durch die blutigen ethnischen Auseinandersetzungen im Süden Kirgistans obdachlos geworden. In Osch ist die Lage immer noch so angespannt, dass sich viele Hilfsorganisationen nicht frei bewegen können. Dennoch soll am Sonntag ein Verfassungsreferendum abgehalten werden.

Von Gesine Dornblüth, Christina Nagel, Christoph Prößl | 26.06.2010
    "Ich habe niemanden. Kein Geld, keine Unterkunft. Ich weiß nicht, wie ich weiterleben soll."

    Osch, im Süden Kirgistans. Verzweifelt schaut die Frau auf die Trümmer ihres Hauses. Nur die Grundmauern stehen noch. Die Mutter von acht Kindern ist nicht die einzige Usbekin in dieser Straße, die alles verloren hat. Ganze Viertel der usbekischen Minderheit wurden hier dem Erdboden gleich gemacht. Den meisten Flüchtlingen, die zurückkehren, ist nicht mehr geblieben, als ihr Leben, und das, was sie am Leib tragen.

    Tausende Menschen sind durch die blutigen ethnischen Auseinandersetzungen im Süden Kirgistans obdachlos geworden. Über die Zahl der Opfer gibt es noch immer keine verlässlichen Angaben. Die Übergangsregierung geht von bis zu 2000 Toten aus. Hunderttausende Flüchtlinge harren noch immer an der kirgisisch-usbekischen Grenze aus. Ärzte sprechen von Nahrungsmittelmangel und Seuchengefahr.

    Die internationale Hilfe läuft nur langsam an. In Osch ist die Lage immer noch so angespannt, dass sich viele Hilfsorganisationen nicht frei und ohne Risiko bewegen können. Es wird geschossen. Menschen werden angegriffen, entführt. Unter ihnen auch Angehörige der Wahlkommission, die das Verfassungsreferendum am Sonntag vorbereiten sollten. In dieser Situation eine Volksabstimmung durchzuführen, hält der Stellvertretende Vorsitzende der usbekischen Diaspora in Kirgistan, Alischer Sabirow, für unverantwortlich:

    "Ich denke, es ist unmoralisch, momentan ein Referendum durchführen zu wollen. In einer Zeit, in der noch nicht alle Toten begraben sind, die Menschen nicht in ihren Häusern leben und nicht ruhig schlafen können."

    Die Übergangsregierung in Bischkek aber hält an ihrem Zeitplan fest. Es sei wichtig, die Grundlage für einen politischen Neuanfang zu schaffen, sagt die Chefin der Übergangsregierung, Rosa Otunbajewa. Um den bisherigen autoritären Tendenzen ein Ende zu setzen, soll aus der starken Präsidialmacht eine parlamentarische Demokratie nach westlichem Vorbild werden.

    "Wenn wir das Referendum nicht durchführen, werden unsere Gegner versuchen, uns aus der Bahn zu werfen. Sie werden Punkte machen, indem sie sagen: Seht doch, die Übergangsregierung ist absolut unfähig!"

    In den usbekischen Vierteln von Osch mehren sich die Stimmen, die das Referendum boykottieren wollen. Wie solle ein Volk ernsthaft abstimmen, wenn Krieg herrsche, fragt ein alter Mann müde. Angesichts des Chaos seien Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Internationale Wahlbeobachter wird es im Süden kaum geben. Aus Sicherheitsgründen. Die Legitimität des Referendums bei einem ungünstigen Ausgang anzufechten, wird für die Gegner der Verfassungsreform ein Leichtes sein.

    Wer die Gegner sind, daran lässt die Übergangsregierung keinen Zweifel: Immer wieder macht Interims-Regierungschefin Rosa Otunbajewa den Clan des im April gestürzten Präsidenten Bakijew für die Unruhen verantwortlich:

    "All die Ereignisse, das kann ich mit Sicherheit sagen, werden von Bakiews Angehörigen, von seinen Brüdern, provoziert und dirigiert. Daran haben wir keinen Zweifel. Die Versuche, das Referendum zu verhindern, sind ebenso massenhaft wie verzweifelt. Die blitzschnelle Entwicklung der Ereignisse spricht dafür, dass ihr Drang und der Druck, wieder an die Macht zu kommen, riesengroß sind."

    Neben der Familie Bakijew dürften aber auch andere Clans Interesse daran haben, eine politische Neuordnung zu verhindern. Sie wollen ihre Macht behalten und ihren Einfluss auf die als korrupt geltenden Behörden nicht verlieren.

    Eine wichtige Rolle spielt auch die organisierte Kriminalität. Der Süden Kirgistans gilt als Drehscheibe für Drogen aus Afghanistan. Dass sein Clan in den Drogenhandel verstrickt sei und die Gewaltexzesse organisiert habe, weist Ex-Präsident Kurmanbek Bakijew weit von sich.

    "Wenn ein Bürgerkrieg ausbricht, werde automatisch ich beschuldigt. Dabei bin ich zurückgetreten, um Stabilität und Rechtsordnung in Kirgistan zu gewährleisten. Aber es gibt keine Stabilität, die Unruhen gehen weiter."

    Unabhängige Untersuchungskommissionen sollen die Drahtzieher der blutigen Auseinandersetzung ausfindig machen. Dass die ethnischen Unruhen bewusst geschürt wurden, davon gehen alle aus - die Vereinten Nationen und auch diejenigen, die den Ausbruch der Gewalt miterleben mussten. Wie Almaz:

    "Per Lautsprecher wurde die Nachricht verbreitet: die usbekische Grenze sei durchbrochen worden, große Gruppen von Usbeken seien auf dem Weg nach Osch, um die Kirgisen zu vernichten."

    Es reichte offenbar aus, alte Ressentiments und Vorurteile neu zu schüren. Der Süden gilt seit Jahrhunderten als Spannungsfeld. Es geht um Land, um Zugang zu Wasser, um Einfluss, Religion und Traditionen. Wie in vielen anderen Regionen der ehemaligen Sowjetunion ließ Stalin auch im fruchtbaren Ferganatal willkürliche Grenzen ziehen. Tadschiken, Usbeken und Kirgisen fanden sich plötzlich in Enklaven einer anderen Sowjetrepublik wieder. In der Region um Osch gehört rund die Hälfte der Bevölkerung der usbekischen Minderheit an.

    Neben der Frage, wem welches Stück Land gehört, werden kulturelle und religiöse Unterschiede zwischen Kirgisen und Usbeken betont. Anders als die Kirgisen, die früher als Nomaden über das Land zogen, waren die Usbeken sesshaft. Die meist streng gläubigen Muslime treiben traditionell Landwirtschaft, dominieren häufig den Handel. Das habe in der verarmten Region zu sozialen Ungleichheiten geführt, meint der frühere Gouverneur vom Gebiet Osch, Amangeldy Muramijew:

    "Die Usbeken waren im Dienstleistungssektor und beim Handel stark, sie haben diese Bereiche erfolgreich privatisiert. Die Kirgisen haben dagegen in Fabriken und Betrieben gearbeitet, die im Laufe der Zeit pleite gingen."

    Bei ethnischen Hetzjagden wird deshalb auf kirgisischer Seite häufig Neid, Missgunst und die Angst vor einer radikalen Islamisierung geschürt. Die Usbeken ihrerseits fürchten gewaltsame Vertreibungen und politische Unterdrückung. Sie fordern Ämter-Proporz und Usbekisch als Amtssprache, erklärt der Internet-Journalist Daniil Kislow

    "Nach der Revolution im April hat die usbekische Diaspora in Dschalal-Abad nach politischen Rechten verlangt. Denn in der Regierungszeit von Bakijew wurde die usbekische Minderheit sowohl politisch als auch wirtschaftlich künstlich klein gehalten."

    Dass es unter der Übergangsregierung besser wird, diese Hoffnung hat die Mehrzahl der usbekischen Minderheit nach den Pogromen der vergangenen Woche begraben. Die Politiker in Bischkek standen und stehen der Gewalt hilflos gegenüber. Für den kirgisischen Internet-Journalisten Almaz aus Osch ist klar:

    "Selbst wenn wir den Konflikt heute oder morgen beilegen, es wird lange, sehr lange dauern, bis das gegenseitige Vertrauen wieder da ist."

    Wie viele andere Kirgisen und Usbeken im Süden Kirgistans ist auch er der Meinung, dass eine Beruhigung der Lage nur möglich ist, wenn internationale Friedenstruppen für Ruhe und Sicherheit sorgen. Die Übergangsregierung allein ist mit dieser Aufgabe überfordert – und hofft auf Russland.

    Moskau, der Kreml. Vier Flugstunden von der kirgisischen Hauptstadt Bischkek entfernt. 70 Jahre waren Kirgistan und Russland in der Sowjetunion vereint, und so lange regelten die Herren im Kreml, was in den Republiken am Rand des Riesenreiches geschah. Sie verhinderten auch, dass die Konflikte zwischen den Völkern der Sowjetunion aufflammten. Als die Sowjetunion auseinander fiel, war das vorbei. Vielerorts brachen Unruhen aus – so auch zwischen Kirgisen und Usbeken in Osch, vor genau zwanzig Jahren. Offiziellen Angaben zufolge starben rund 1.200 Menschen, inoffiziell sollen es bis zu 10.000 gewesen sein. Andrea Schmitz von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin erinnert daran, dass damals noch sowjetische Friedenstruppen eingriffen.

    "Das war mit Sicherheit keine Peacekeeping-Mission, sondern die sind mit schwerem Gerät aufgefahren und haben halt allein durch ihre schiere Präsenz für Ruhe und Ordnung gesorgt. Aber die Gewalt zwischen Kirgisen und Usbeken flammte auch nachher immer wieder auf."

    In den 90er-Jahren schwand der Einfluss Moskaus in der Region merklich – Russland war wegen der wirtschaftlichen und politischen Krisen mit sich selbst beschäftigt. Seit 2002 versucht der Kreml, international wieder eine stärkere Rolle zu spielen, gerade in Zentralasien. Um sich Einfluss zu sichern, hat Russland in den vergangenen Jahren verschiedene regionale Organisationen gegründet, darunter im Jahr 2002 die OVKS, die "Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit". Seit dem Ausbruch des Konfliktes in Kirgistan fordern dort Politiker, die OVKS müsse eine Friedenstruppe in die Unruheregion schicken.

    Doch was ist das für eine Organisation? Der OVKS gehören sieben Nachfolgestaaten der Sowjetunion an: Russland und Weißrussland, das südkaukasische Armenien sowie die vier zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan. Vladimir Putin, damals Präsident Russlands, wies der Organisation im Jahr nach ihrer Gründung diese Aufgaben zu:

    "Der Sinn der OVKS ist es, die Sicherheit, territoriale Integrität und Souveränität der Mitgliedsstaaten zu garantieren. Wir haben in letzter Zeit beharrlich daran gearbeitet, sie effektiver zu machen. Wir werden einen gemeinsamen Stab haben, eine schnelle Eingreiftruppe mit gewissen militärischen Komponenten, und wir werden politische Positionen abstimmen."

    Demnach wäre die OVKS also prädestiniert für eine Intervention in Kirgistan. Aber die Organisation hat bisher lediglich einige Militärmanöver sowie wenige Operationen gegen Drogenhandel und Terrorismus durchgeführt. Die Zentralasienexpertin Andrea Schmitz hält die postsowjetische Sicherheitsorganisation deshalb für wenig hilfreich:

    "Was die OVKS betrifft, so ist das ja ein Organ, das bisher, wenn es um Fragen des Krisenmanagements ging, eigentlich überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist. Diese Organisation ist ein Mittel, um sich gegenseitig in Schach zu halten. Vor allem auch für Russland, es ist ein Mittel, um die Staaten des postsowjetischen Raumes zu kontrollieren und Einfluss geltend zu machen."

    Doch Russland entsandte keine Friedenstruppen, sondern lediglich materielle, humanitäre und militärische Hilfe. Das Zögern Russlands hat viele westliche Beobachter überrascht. Auch Andrea Schmitz von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

    "Man muss sich ja die Frage stellen, was hätte Russland von einem solchen Eingreifen gehabt. Einfluss in Kirgistan hat man auch so. Denn die Interimsregierung unter Otunbajeva ist als russlandfreundlich einzuschätzen. Für Russland dürfte auch die Überlegung eine Rolle gespielt haben: Wenn wir eingreifen unilateral, dann schadet das unter Umständen unserer internationalen Reputation. Ein dritter Faktor, der eine Rolle spielen dürfte, sind die fehlenden Kapazitäten. Ich nehme an, dass Russland, das ja mehrere Baustellen hat – die Hauptbaustelle ist im Kaukasus – dass es hier einfach an Kapazitäten fehlt."

    Auch in Russland selbst wird die Frage nach einer militärischen Intervention in Kirgistan diskutiert. Der Militärexperte der russischen Zeitung "Novaja Gazeta", Vjatscheslav Izmajlov, gab sich in einem Radiointerview äußerst skeptisch – schließlich habe nur die labile Übergangsregierung in Kirgistan um Hilfe gerufen.

    "Wer hat uns denn gerufen? Wie legitim ist diese Regierung? Und wie vorhersagbar ist die weitere Entwicklung der Ereignisse? Aus Afghanistan mussten wir unsere Truppen auch wieder abziehen. Ich sage das als ehemaliger Soldat, der Afghanistan und Tschetschenien mitgemacht hat. Wenn Russland sich einmischt, macht es sich die gesamte Bevölkerung Kirgistans zum Feind. Wir sollten besser bei uns für Ordnung sorgen, anstatt uns in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen."

    So hält sich Russland auffallend zurück - ebenso wie die gesamte Staatengemeinschaft: Die Vereinten Nationen und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa kümmern sich ausschließlich um humanitäre Hilfe. Und auch EU und NATO verfolgen die Entwicklung zwar mit Sorge – aber aus sicherer Distanz.

    Deutsche Soldaten wissen ganz genau, wo Termez liegt. Das Nest im Süden Usbekistans liegt direkt an der Grenze zu Afghanistan und ist die letzte Station vor dem Krieg. In Termez kommen die Männer und Frauen an, die meist ein halbes Jahr Dienst für die ISAF-Truppen vor sich haben. Termez ist der Versorgungsstützpunkt der Bundeswehr. Hier landen normale Passagierflugzeuge der Bundeswehr, die aus Deutschland kommen. Und hier starten die Transall-Flugzeuge, die klobigen olivgrünen Propeller-Maschinen, nach Masar-e-Sharif, Kunduz oder Faisabad.

    Termez liegt rund 700 Kilometer vom kirgisischen Osch entfernt. Trotz der Entfernung: Die NATO ist beunruhigt über die Lage an der usbekischen Grenze. Greift der Konflikt aus und springt der Funke der Unruhen über, wäre der reibungslose Nachschub nach Afghanistan möglicherweise nicht mehr gewährleistet. Die NATO-Botschafter aller Mitgliedsstaaten beraten intensiv über die Lage in Zentralasien: Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen:

    "Bislang hatten die Unruhen keine Auswirkungen auf unsere Operation in Afghanistan. Es ist für uns natürlich sehr wichtig, dass es da keine negativen Einflüsse gibt."

    Außerdem hat sich auch der NATO-Russland-Rat bereits dieses Themas angenommen. Details nennt Rasmussen nicht. Er muss vorsichtig sein – Zentralasien, das ist vor allem das Einflussgebiet Russlands und Chinas. Und nach den Spannungen zwischen Moskau und der NATO in Folge des Georgien-Konfliktes nähern sich die Kontrahenten von einst erst langsam wieder an. So hat es Russland ermöglicht, dass die Amerikaner seit Anfang Juni Nachschub über Zentralasien nach Afghanistan bringen können. Eine wichtige Vereinbarung, denn der Weg über Pakistan ist für die USA gefährlich und teuer.

    Doch Zentralasien ist für Europa und die NATO nicht nur ein Nachschubweg. Die Bundesrepublik hat bereits 2007 während ihrer Europäischen Ratspräsidentschaft eine europäische Zentralasien-Strategie auf den Weg gebracht und damit diese schwierige Region erst mals in den Blick genommen. Der FDP-Europa-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff:

    "Zentralasien liegt eingeklemmt zwischen China und Russland, die Orientierung der Länder ist entweder nach Peking oder nach Moskau, der europäische Einfluss in einer solchen Region ist sehr überschaubar, ebenso wie der amerikanische Einfluss. Wir können uns dort nicht der Illusion hingeben, dass wir wirklich fundamentale Politikwechsel erreichen können. Was wir machen können ist das Angebot, konstruktiv zusammenzuarbeiten, auf den Feldern Bekämpfung des Drogenschmuggels, Stabilisierung der Region, Energiepartnerschaft, es sind zum Teil nicht ganz uninteressante Märkte, das Wirtschaftswachstum ist ganz beeindruckend, aber all das liegt wirklich sehr weit weg von uns."

    Dass gerade Deutschland die Zentralasien-Politik der EU vorangebracht hat, ist kein Zufall. Deutschland setzt sich seit 1989 für die Stabilität in der Region ein und unterhält als einer der wenigen Staaten in allen fünf zentralasiatischen Ländern Botschaften. Michael Emerson vom Centre of European Policy Studies:

    "In der Zeit, als die Sowjetunion auseinander brach, machte Bundeskanzler Kohl die Zusage an Gorbatschow, die Übergangsphase der sowjetischen Republiken zu unterstützen."

    Für die EU ist die Zentralasien-Strategie Teil der Nachbarschaftspolitik und verbindet altruistische Ziele mit der Idee, dass ein friedliches Zentralasien der EU nutzt und gut ist für die Wirtschaft.

    "Diese Nachbarschaftspolitik soll den Staaten helfen, europäische und demokratische Werte zu vermitteln. Das ist sehr schwer. Die EU will die wirtschaftliche Lage verbessern, Menschenrechte fördern."

    Sagt der Zentralasienexperte Emerson. Er befürwortet die europäische Strategie. Moskau und Peking hätten bislang den Kurs gefahren, autokratische Systeme zu stützen, um für Stabilität zu sorgen. Doch die aktuellen Auseinandersetzungen würden nun zeigen, dass dieser Weg falsch war.

    Hinter der Europäischen Politik stehen jedoch auch handfeste wirtschaftliche Interessen. Die Europäische Union will unabhängiger werden vom russischen Gas. Aus diesem Grund treibt die Kommission das Pipeline-Projekt Nabucco voran. In den Röhren soll eines Tages Gas vom Kaspischen Meer bis nach Österreich fließen.

    Bleibt die Frage, ob die derzeitigen Unruhen tatsächlich auf Usbekistan oder Turkmenistan übergreifen könnten.

    "Das Ferghanatal ist so zerstückelt wie ein Puzzle und erstreckt sich im Staatsgebiet von Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan. Und wir haben in den vergangenen Tagen gesehen, wie kompliziert die ethnische Situation in Osch ist, verbunden mit ernsten sozialen und ökonomischen Problemen. Dazu kommen autoritäre Regime und nationale Strömungen, und wir haben gesehen, wie schnell dieser Cocktail explodieren kann."

    Während Emerson eine Destabilisierung der ganzen Region für nicht ausgeschlossen hält, ist Graf Lambsdorff optimistischer.

    "Ich glaube, das ist ein Konflikt, der sich auf Kirgistan beschränkt. Ich glaube, da werden dann auch die Russen ein großes Interesse daran haben, die selbstverständlich nicht wollen, dass an ihrer Südflanke dort ein Flächenbrand entsteht. Das ist schlimm genug, aber ich denke, es wird auf die Gegend beschränkt bleiben, wo es ist."