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"Volksparteien sind in schwierigen Gewässern"

Nach dem Wahl-Debakel der CSU bei den bayerischen Landtagswahlen hat sich der SPD-Politiker Erhard Eppler besorgt über den Zustand der Volksparteien in Deutschland geäußert. Früher hätten die großen Parteien eher davon ausgehen können, dass sie eine absolute Mehrheit erreichen. Jetzt setzten die Bürgerinnen und Bürger verstärkt auf Machtteilung.

Erhard Eppler im Gespräch mit Christian Schütte | 30.09.2008
    Christian Schütte: Erwin Huber will seinen Rücktritt vom CSU-Parteivorsitz erklären. Das ist wohl die Nachricht an diesem Morgen, der Sache nach nicht ganz überraschend.
    Mitgehört hat Erhard Eppler, SPD-Politiker und früherer Bundesminister. Guten Morgen, Herr Eppler.

    Erhard Eppler: Guten Morgen, Herr Schütte.

    Schütte: Erwin Huber erklärt seinen Rücktritt. Die einzig richtige Konsequenz nach so einem Wahldebakel wie am Sonntag?

    Eppler: Ja, das glaube ich schon. Wer den Erwin Huber in letzter Zeit beobachtet hat, dem war klar: Das ist keine Wahllokomotive.

    Schütte: Hätte sich die Partei denn inhaltlich erneuern können, ohne einen Wechsel an der Spitze?

    Eppler: Ja nun, der Wechsel an der Spitze wird ja offenkundig stattfinden und da bin ich nun wirklich gespannt, was Seehofer aus dieser Partei macht.

    Schütte: Sie haben gesagt, Herr Huber sei sozusagen eine Art gelähmte Lokomotive. Woran haben Sie das festgemacht?

    Eppler: Ach wissen Sie, es ist ja nicht schön, jemandem da nun Böses nachzurufen. Aber er hat mir immer einen etwas begrenzten Eindruck gemacht. Er war nie wirklich souverän. Er war sozusagen der Funktionär und das ist nichts, was die Menschen so sehr anspricht.

    Schütte: Die CSU ist ja nach der Wahl - das muss man festhalten - noch immer stärker als jeder Landesverband der CDU und das verheerende Wahlergebnis vom Sonntag bedeutet auch nicht das Ende der Partei, wohl aber das Ende einer Ära. Inwiefern ist mit Blick auf die historischen Verhältnisse in Bayern die CSU im Moment noch eine Volkspartei?

    Eppler: Ja nun, weil sie sicherlich - und das zeigen ja auch die Wahlergebnisse - noch in allen Gruppen der Bevölkerung verankert ist. Von den Bauern über die Geschäftsleute bis zu den Industriearbeitern ist die CSU wahrscheinlich nach wie vor die stärkste Partei.

    Schütte: Aus der Parteibasis, von vielen Stammwählern hören wir allerdings, die CSU sei abgehoben und sie sei eben gerade nicht näher am Menschen, wie sie es gerne wäre.

    Eppler: Ich glaube, die Sache mit dem näher am Menschen ist ganz schwer zu definieren. Was viel offenkundiger war, das war die Unsicherheit. Was will man nun eigentlich mit dem Rauchverbot? - Und was der CSU nun gar nicht gut getan hat war eben, dass sie auf der einen Seite in Berlin mitregiert und auf der anderen Seite in München gegen die Berliner Regierung opponiert. Das ist etwas, was keiner Partei gut tut.

    Schütte: Wir werden sicherlich gleich noch mal auf die bundespolitischen Auswirkungen zu sprechen kommen. Noch einmal zum Ergebnis der Bayern-Wahl. Ist das ein weiterer Beleg, dass die Volksparteien im Moment in einer großen Krise stecken?

    Eppler: Ja. Ich glaube schon, dass die Volksparteien in schwierigen Gewässern sind. Vor allem zeigt das Ergebnis der CSU eine Erkenntnis, die Friedrich Naumann - das ist ein früher scheinbar Liberaler vor 100 Jahren gewesen - immer Recht hatte. Er hat nämlich gesagt, es wird nie eine große Volkspartei in Deutschland geben, sondern immer zwei oder gar keine. Das heißt, Volksparteien brauchen auch ihr Gegenüber - und zwar Gegenüber als Volkspartei. Und wenn die Union geglaubt hat, sie könnte davon profitieren, dass man die SPD sozusagen herunterstuft zu einer Nicht-Volkspartei, dann war das natürlich ein gewaltiger Irrtum. Die Volksparteien brauchen einander.

    Schütte: Sie sagen, die Union hat die SPD sozusagen niedergemacht. Für die Krise in der SPD ist die Partei, sind die Sozialdemokraten aber erst mal selbst zuständig?

    Eppler: Natürlich. Ich meine nur, die Häme und die Freude in der CDU und in der CSU darüber, dass es der SPD schlecht geht, war sicherlich verfrüht. Und ich meine, es war ja jetzt schon so, dass von den Verlusten der SPD im Bund die CDU gar nichts gewonnen hat. Es haben nur andere gewonnen. Jetzt zeigt sich eben, dass die beiden Volksparteien einander brauchen, man wählt CSU, damit die SPD nicht dran kommt, und man wählt SPD, dass die CDU nicht zu stark wird. Das ist nun einmal so in einer Demokratie.

    Schütte: Herr Eppler, wenn wir von Verlusten sprechen, müssen wir auch erwähnen, dass die SPD in Bayern ihr bislang schlechtestes Ergebnis erzielt hat, also noch mal weiter verloren hat. Trotzdem spricht der Kanzlerkandidat der SPD in Spe Frank-Walter Steinmeier von einem Sieg und meint damit die Verluste der CSU. Was sagt dies wiederum aus über den Zustand der SPD?

    Eppler: Na ja, sehen Sie, wenn Sie nach Brandenburg gehen, da ist die CDU bei den Kommunalwahlen auch unter 20 Prozent gefallen. Das passiert heutzutage bei Volksparteien und nicht nur in Bayern. Also ich hätte wahrscheinlich, wenn ich das bayerische Ergebnis zu kommentieren gehabt hätte, etwas weniger gestrahlt als andere.

    Schütte: Warum hat denn das neue Führungsduo an der Parteispitze der SPD den Sozialdemokraten in Bayern keinen Auftrieb gebracht?

    Eppler: Es scheint so, dass Bayern doch eine eigene Welt ist. Maget hat ja darauf hingewiesen, dass die ganzen Schwankungen nach unten und nach oben, die in der Bundespartei zu verzeichnen waren, in Bayern gar nicht stattgefunden haben. Ich glaube, dass die bayerische Landtagswahl mehr als jede andere eine Wahl ist, wo man sich auf die Landesthemen konzentriert.

    Schütte: Herr Eppler, wir haben schon ein bisschen über die Entfremdung zwischen großen Parteien und den Bürgern geredet. Wir haben darüber geredet, wie es so weit hat kommen können. Zum Schluss bitte ich Sie folgenden Satz zu vervollständigen. Die Deutschen sehnen sich nach dem Gefühl, dass die großen Parteien ...

    Eppler: ... nicht mehr alleine das Sagen haben.

    Schütte: Was meinen Sie damit?

    Eppler: Früher war es ja so, dass absolute Mehrheiten von großen Parteien - etwa in Hamburg die SPD oder eben in Baden-Württemberg die CDU - ganz als etwas Normales hingenommen wurde. Und jetzt scheint es doch so zu sein, dass die Bürgerinnen und Bürger eher auf Machtteilung setzen.

    Schütte: Der SPD-Politiker und frühere Bundesminister Erhard Eppler. Ich danke Ihnen für das Gespräch.