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Vollverschleierung
Frankreichs Erfahrungen mit dem Burka-Verbot

Das öffentliche Tragen der Burka und des Niqab ist in Frankreich seit fünf Jahren verboten. Muslimische Verbände beklagen, die Aggressionen gegenüber verschleierten Frauen hätten generell zugenommen. Das Gesetz biete inzwischen vielen einen "legalen Deckmantel, verschleierte Frauen anzupöbeln".

Von Jürgen König | 16.08.2016
    Eine vollverschleierte Frau auf einer Straße in Frankreich
    Schätzungen der Behörden gehen von etwa 2.000 Frauen in ganz Frankreich aus, die offen und wiederholt gegen das Vollverschleierungsverbot verstoßen. (picture alliance / dpa / Jean Francois Frey)
    Seit gut fünf Jahren ist es in Frankreich per Gesetz verboten, auf der Straße, in Bussen und Bahnen, auch in allen öffentlichen Gebäuden den Niqab zu tragen - jenen Schleier, der das Gesicht vollständig verdeckt sowie die Burka, die den gesamten Körper verhüllt. Zur Notwendigkeit des Gesetzes wurden Fragen der Sicherheit angeführt, zudem ist Frankreich ein streng laizistischer Staat, in dem alles Religiöse als reine Privatangelegenheit gilt. 2009 setzt der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy eine erste Arbeitsgruppe ein, das Verbot des Ganzkörperschleiers war von vornherein Ziel des Gesetzes:
    "Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sondern eines der Erniedrigung, der Knechtschaft. Ich sage es ausdrücklich: Sie wird auf französischem Boden nicht willkommen sein."
    Geschäftsmann übernimmt aus Protest die Bußgelder
    Das Verbot scheint weitgehend eingehalten zu werden: Vollständig Verschleierte sieht man in Frankreich nur sehr selten. Schätzungen der Behörden gehen von etwa 2.000 Frauen im ganzen Land aus, die offen und wiederholt gegen das Gesetz verstoßen. Auch die vorgesehenen Strafen schrecken sie nicht ab: 150 Euro Bußgeld und ein Kurs in Staatsbürgerkunde - das wird hingenommen, zumal es auch noch einen aus Algerien stammenden, reichen Geschäftsmann gibt, der aus Protest gegen das Gesetz die Strafzahlungen für die Verurteilten übernimmt.
    Nur rund 1.500 Bußgelder hat die Polizei in fünf Jahren erhoben, von oft genug immer wieder denselben Frauen. Die bürgerliche Opposition wie auch der rechtsextreme Front National fordern seit längerem schärfere Strafen, beklagen zudem, das Gesetz werde in manchen Vororten nicht hart genug durchgesetzt. Zumal seit es wiederholt zu Krawallen kam, als Polizisten die Identität einer verschleierten muslimischen Frau feststellen wollten.
    Aggressionen gegenüber verschleierten Frauen haben zugenommen
    Auch Regierungschef Manuel Valls will das Gesetz ändern: An den Universitäten soll jede Form von Schleier verboten werden. Benoist Apparu von den "Republikanern", einer der Sprecher von Präsidentschaftskandidat Alain Juppé, ist dagegen:
    "Die vorherige Regierung hat den Niqab und die Burka in Frankreich verboten: in allen öffentlichen Räumen. Wir haben auch den Schleier, der nicht das ganze Gesicht bedeckt, an den Schulen verboten. Wir sollten diese Regelung nicht auch in den Universitäten einführen. Denn auf Universitäten gehen keine Kinder mehr, dort sind Erwachsene, und sie können sich für den Lebensstil entscheiden, der ihnen entspricht."
    Folgenlos ist das bestehende Gesetz aber nicht geblieben. Seit den Terroranschlägen von 2015 weigern sich Kinos oder auch Kaufhäuser deutlich öfter als früher, Frauen mit Niqab einzulassen. Muslimverbände beklagen, die Aggressionen gegenüber verschleierten Frauen hätten generell zugenommen, das Gesetz biete inzwischen vielen einen "legalen Deckmantel, verschleierte Frauen anzupöbeln". Doch eine wirklich scharfe Debatte wird über Niqab und Burka in Frankreich derzeit nicht geführt. Das könnte sich ändern, wenn eintritt, was manche befürchten: dass infolge der Terroranschläge die Spannungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen zunehmen.