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Vom Chorknaben zum Starkomponisten

Joseph Haydn war ein fabelhafter und überdies ungemein witziger Erfinder großer Musik, nicht nur in seinem Meisterwerk, dem Oratorium "Die Schöpfung". Vor 275 Jahren wurde er als Sohn eines Wagenbauers geboren.

Von Wolfram Goertz | 31.03.2007
    Am Anfang schuf Joseph Haydn die Welt aus dem Chaos. Und als er sich diese Welt anhörte, wusste er, dass alles gut war. Als Joseph Haydn "Die Vorstellung des Chaos", den Beginn seines meisterlichen Oratoriums "Die Schöpfung”, komponierte, das 1798 in Wien uraufgeführt wurde, konnte er auf sein eigenes Lebenswerk souverän zurückblicken. Er hatte sich aus dem mürben Alltag eines Bediensteten bei Hofe befreit, er war mehrfach in London gewesen, lange hatte er die Kärrnerarbeit des Lohnschreibers verrichtet und konnte jetzt die Auftragslage gelassen sondieren. Das bedeutet aber nicht, dass er am Hofe des Fürsten von Esterházy in Eisenstadt schlechter komponiert hatte. Richard Wagner allerdings bezweifelte das, als er einmal abschätzig sagte:

    "Joseph Haydn ist immer ein fürstlich Bedienter geblieben."

    Haydn war von seiner Geburt am 31. März 1732 an mit Schöpfungen vertraut gewesen, sein Vater war Wagenbauer in Niederösterreich, und er begriff, wie wichtig Handwerk war, das bewahrte ihn zeitlebens vor Größenwahn. Und er konnte später völlig ohne Unterwürfigkeit, sondern einzig aus ruhiger Kompetenz heraus feststellen, dass einer wie Mozart zu den Größten zählte, dessen Opern turmhoch über allem standen, was damals auf Bühnen aufgeführt wurde, Haydns eigene und sehr gelungene Werke fürs Musiktheater eingeschlossen.

    Haydn wuchs bescheiden auf, richtigen Kompositionsunterricht hat er nur einmal genossen, der Rest war "learning by doing”. Immerhin war die Zeit als Chorknabe am Wiener Stephansdom fürs Singen hilfreich. Wenn er auch gleich nach dem Stimmbruch in die Welt entlassen wurde und sich als Privatmusiklehrer durchschlagen musste, so war doch der Grundstock gelegt. Was Haydn komponierte, war von einfallsreicher Gewandtheit und witzfreudiger Heiterkeit, harmonischer Tiefe und reifer Ernsthaftigkeit, und man versteht nur zu gut, dass ein Qualitätsverfechter wie der Pianist Glenn Gould die Sonaten Haydns immer wieder aufs Programm setzte und dabei Äußerstes riskierte, etwa im tollkühnen Presto-Rondo der späten C-Dur-Sonate.

    Man kann kaum überblicken, was Haydn alles komponierte - Opern, Klaviersonaten, Trios, Kirchenmusik, Konzerte, Streichquartette, Sinfonien in rauer Menge. Er schonte sich nicht, so dass die Auflösung der Eszterházyschen Kapelle im Jahr 1790 für Haydn beinahe eine Befreiung darstellte. London wurde seine neue Lieblingsadresse. Während der Rückkehr von der ersten Britannien-Reise nahm er einen gewissen Ludwig van Beethoven als Schüler auf.

    An Haydns Hauptwerk, "Die Schöpfung", fand alle Welt höchsten Gefallen, nur Friedrich Schiller war bei einer Aufführung am 1. Januar 1801 etwas ungehalten, wie er in einem Brief schrieb:

    "Am Neujahrsabend wurde die 'Schöpfung' von Haydn aufgeführt, an der ich aber wenig Freude hatte, weil sie ein charakterloser Mischmasch ist."

    Als Haydn in Eisenstadt noch einmal in fürstliche Dienste trat, war er längst ein weltweit von Publikum und Presse enthusiastisch gefeierter Musikus, der die Bedingungen, unter denen er anderen zu Diensten war, bis zu seinem Tod im Jahr 1809 selber diktieren konnte. So entstanden seine späten Messen, die von solch dringlicher Schönheit sind, dass sie den Kirchenkomponisten Mozart oft weit übertreffen, etwa im "Quoniam tu solus sanctus" der "Nelson-Messe”, hier unter der Leitung von John Eliot Gardiner.