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Vom Gold, das glänzt

Die Aussichten für die edle Branche der Schmuckindustrie in Deutschland sind gut. Im Februar verzeichnete die Messe "Inhorgenta" in München ein im Großen und Ganzen gutes Stimmungsbild. Rund 60 Prozent der Aussteller betrachteten die Geschäftslage als zufriedenstellend, mehr als 80 Prozent meinten sogar, dass sich der Absatz in Zukunft noch besser entwickeln werde. Karl-Eugen Friedrich, Bundesvorsitzender der Juweliere Deutschlands :

Von Klaus P. Weinert | 08.04.2007
    " Wir haben 2006 endlich eine Steigerung gehabt, wir haben den Bereich Uhren, Schmuck 7 bis 8 Prozent gesteigert. Der Trend geht dahin nach ganz besonderen Stücken, Markenprodukten, wobei sich der Juwelier zum Teil als Marke positioniert hat, das heißt, dass der Kunde zu seinem Juwelier deshalb hingeht, weil er weiß, dort kriegt er besondere Stücke, die der Juwelier für hervorragend hält."

    Nach schwierigen Zeiten hellt sich der Himmel also wieder auf. Viele Firmen der Schmuckindustrie mussten in den vergangenen 10 Jahren ihre Tore schließen. Nur die haben überlebt, die sich rechtzeitig auf die neuen Verhältnisse eingestellt haben. Um konkurrenzfähig zu bleiben, mussten einige Hersteller im Ausland investieren. Gerade im einfachen , zum Teil aber auch im mittleren Preissegment ist die Produktion von Schmuck in Deutschland zu teuer geworden.

    Die Firma Breuning hat ihren Sitz in Pforzheim, der "Goldenen Pforte zum Schwarzwald", wie die baden-württembergische Großstadt genannt wird. Dort , in Pforzheim, werden mehr als 70 Prozent des deutschen Schmucks entworfen und hergestellt. Provinziell darf deshalb aber noch lange nicht zugehen, sagt Geschäftsführer und Mitinhaber Marcus Breuning:

    " Aufgrund der Konsumkrise seit dem Jahr 2000 mussten wir uns als Unternehmen auch neu positionieren ... ,das heißt, wir sind in die Welt hinausgefahren und haben neue Märkte ausprobiert, sind auch erfolgreich in vielen Ländern der Welt. Wir exportieren heute in über 50 Länder in der Welt, und insbesondere die USA sind heute einer unserer stärksten Märkte, die wir haben. ... In USA sind wir schon lange im Geschäft, aber seit 1993 haben wir uns entschieden eine eigene Vertriebsgesellschaft in USA zu gründen, mit eigenen amerikanischen Vertretern ... , und seitdem hat das eine außerordentlich erfreuliche Entwicklung genommen."

    Ein Jahr zuvor hatte die Firma schon eine kleine Produktionsstätte in Thailand aufgebaut, die sich weiter entwickelt hat und mittlerweile 550 Mitarbeiter beschäftigt. Dort wird nach der ISO-Norm Schmuck hergestellt; die Endkontrolle findet nach wie vor in Deutschland statt. Ohne die Niederlassung in Thailand wäre das Unternehmen besonders in mittleren Preislagen nicht konkurrenzfähig geblieben. Denn auch in der Schmuckbranche drängen die asiatischen Hersteller auf die Weltmärkte und unterbieten die Preise.

    So heißt es auch in Pforzheim, "global" zu denken und: neue Geschäftsfelder zu erschließen. Im Segment der Trauringe hat das Unternehmen Potential gesehen. Dazu musste die Organisation umfassend geändert werden. Marcus Breuning:

    " Das bedeutet, dass wir seit zwei Jahren eine Trauringsparte haben, da mussten wir unsere Logistik im Haus komplett anpassen, weil unser Juwelier oder unser Endkunde eine Lieferung von drei bis vier Tagen erwartet und das entsprechend logistisch umgesetzt werden muss ... das bedeutet, dass Wege wesentlich effizienter sind, dass die Aufträge direkt an den Maschinen rauskommen, dass wir in der Lage sind, diese logistische Leistung zu erbringen, um dem Endkunden seinen Trauring liefern zu können."

    Die Strukturen der Schmuckbranche haben sich grundlegend gewandelt. Gab es früher den Großhandel, nehmen die Schmuckstücke heute den direkten Weg zum Juwelier.
    Karl-Eugen-Friedrich, Bundesvorsitzender der Juweliere:

    " Wir haben ja einen großen breiten Großhandel gehabt bis in die 90er Jahre. Wir haben einen Zwischenpuffer- einen Lagerpuffer gehabt zwischen den Juwelieren und dem Hersteller. Dieser Großhandel ist aufgrund der sinkenden Margen einfach verschwunden...Hier wird also die Industrie gefragt schnell liefern zu können."

    Wie auch die Ölindustrie ist die Schmuckindustrie von Rohstoffen abhängig, insbesondere vom Gold. Heftige Schwankungen des Goldpreises haben die Schmuckindustrie 1971 und 1973 schwer getroffen. Damals zogen die hohen Ölpreise auch das Gold mit. Erinnerungen an diese Zeit wurden in den vergangenen beiden Jahren wach, als der Goldpreis um rund 40 Prozent stieg. Preissteigerungen, die nicht ohne weiteres an die Kunden weitergegeben werden können. So weicht die Schmuckbranche auf leichtere Kreationen aus. Entsprechend weniger Gold wird verarbeitet und das Preisniveau bleibt beherrschbar..

    Schmuck aber bedeutet nicht nur Gold. Auch andere Rohstoffe, nicht zuletzt Edelsteine bestimmen den Markt: Rubine, Smaragde, Turmaline oder Lapislazuli. Nach wie vor ist aber der Diamant für viele Kunden der edelste und attraktivste Stein. Insbesondere wenn er hochwertig ist, also eine hervorragende Farbe besitzt, das heißt, dass er keinen Gelbstich haben darf und auch keine so genannten Einschüsse, kleine Löcher, die durch eine Lupe sichtbar sind.

    Auch der Markt für Diamanten hat sich aufgrund der Globalisierung geändert. Eitan Gul. Geschäftsführer der Gul KG, handelt seit langem mit Diamanten. Er kauft seine Ware häufig an der israelischen Börse, die zu einer der größten weltweit gehört. Andere große Handelsplätze sind Antwerpen und New York. Je nachdem welche Ware die Händler benötigen, wählen sie den entsprechenden Börsenplatz aus. Zunehmend wichtig für die Schmuckbranche ist die indische Börse: Eitan Gul:

    " Indien ist der größte Produzent im Kleinsteinebereich, von einem Millimeter bis vier Millimeter Durchmesser, genauso China, hat sich sehr stark entwickelt in den letzten fünf bis sieben Jahren, zu einem der größten Produzenten, vor allem qualitativ, sehr sehr hochwertige Steine. Russland war einer der größten Produzenten bis 89/90, dann gab es einen Rückgang, und seit einiger Zeit ist Russland wieder einer der größten Produzenten weltweit, sowohl für geschliffene Ware, wie auch für Rohware."

    Diamant ist der ungeschliffene Stein, aus dem erst der Schmuckstein entsteht. Es gibt quadratische Steine, man nennt diese Carré- oder auch Princess-Schliff, auch Steine in Form von Herzen oder Tropfen. In Deutschland fragen die Kunden meist den runden Stein nach, den Brillanten, der aus 57 Facetten besteht und dem Stein das Funkeln und jenen Glanz verleiht, der ihn so beliebt macht. Ein Karat dieses Steins kostet bei hoher Qualität ungefähr 8000 Euro.

    Die meisten Brillianten gehören zu den kleineren Steinen, des mittleren und unteren Preissegments für einige hundert Euro. Diese Steine werden mittlerweile auch in Ländern wie China nachgefragt. Überhaupt habe sich der Diamantenmarkt belebt, sagt Eitan Gul :

    " Wir haben in letzter Zeit einen höheren Verbrauch aus zwei Gründen, weil neue Märkte erschlossen worden sind, neue Verbrauchermärkte, zweitens weil auch andere Wege der Verarbeitung in anderen Bereichen gefunden worden sind ... . 700 Was heute läuft, das sind Ringe, Anhänger, und der Halsschmuck. Diamanten werden heute auch verarbeitet in verschiedenen Accessoires: Taschen, Schuhe, Brillen. Es hat sich in letzter Zeit der Gebrauch von Diamanten erweitert wie Handys und Uhren."

    Hatte sich das Schmuckdesign früher nur langsam geändert, spielen heute die rasch wechselnden Trends in der Branche eine größere Rolle. Auf diese Herausforderung muss auch das Management reagieren. Wer seinen Markt nicht kennt, die Bedürfnisse der Kunden falsch einschätzt, bleibt auf seinen Waren sitzen. Wer keine Ladenhüter produzieren will, ist auf Informationen angewiesen - Informationen über den Verbraucher und sein Konsumverhalten, aber auch Informationen über verwandte Branchen der Schmuckanbieter. Marcus Breuning:

    " Zum einen ist es natürlich wichtig, was die Modeindustrie im Textilbereich plant, deshalb bekommen wir vom Deutschen Modeinstitut die Trendfarben schon einige Jahre im voraus, so dass wir wissen, mit welchen Farben, insbesondere bei Steinen, wir arbeiten sollten. Zum zweiten haben wir Leute in den verschiedenen Märkten, die in die Geschäfte gehen, das müssen nicht einmal Schmuckgeschäfte sein, das kann jegliche Art von Geschäft sein, um zu sehen, welche Trends werden gerade kreiert, welche Trends sind im Kommen. Schmuck ist heute eine absolut schnelllebige Modeindustrie geworden."

    Diese Trends beeinflussen ebenso die Geschäftspolitik der Unternehmen, die im Hochpreissegment tätig sind, wie die Firma Victor Mayer aus Pforzheim. Sie beobachtet die doch überraschende Renaissance eines Accessoires für Herren, das lange ausgedient hatte: Mitinhaber und Geschäftsführer Marcus Mohr:

    " Ein Trend zum Beispiel ist, dass Herren wieder Manschettenknöpfe tragen. Und damit meine ich nicht nur ein kleines Accessoire, sondern Manschettenknöpfe aus unserer Fertigung, die können bis zu 15000, 20000 Euro kosten und mehr, und ein normaler Manschettenknopf, den wir fertigen kostet 2000 bis 4000 Euro. Und das sind Utensilien, die man in den 80ern ganz, ganz selten gesehen hat, und den 90ern. Und auf einmal gab es einen weltweiten Bedarf für Manschettenknöpfe; und das ist für uns ein sehr, sehr wichtiger Artikel geworden."

    Seine Firma ist bekannt nicht zuletzt durch das berühmte Fabergé-Ei, das in Russland seinen Ursprung hat. Seit 1989 ist Victor Mayer weltweit der autorisierte Werkmeister dieses Schmuckstücks. Die Familie Fabergé war Hoflieferant des russischen Zaren und anderer Königshäuser in Europa.

    Durch den Fall der kommunistischen Regime Osteuropas und Russlands sowie der Globalisierung, haben sich für die Schmuckindustrie ganz neue Märkte geöffnet. Marcus Mohr:

    " Genau solche Bedarfe haben wir in den neuen Märkten, in den ehemaligen Sowjetrepubliken, das haben wir in China, in vielen asiatischen Märkten, dort boomt es, und dort gibt es einen riesigen Nachholbedarf an Luxusgütern ... Russland ist einer der boomenden Märkte für Luxus weltweit, das hat auch Tradition in Russland. Die Russen waren schon vor 200 Jahren hier in Deutschland als reiche Gönner bekannt. Wir haben Baden-Baden vor der Haustür, meine Familie stammt zu Teil aus Baden-Baden. Wir haben auch da Geld verdient mit den Russen. Denn der russische Luxusbedarf war schon immer legendär."

    Den Schmuckherstellern ist bekannt, dass nicht jede Nation und auch nicht jede Region schmuckbegeistert ist. Und auch die Preisvorstellungen varriieren - fragen russische Kunden etwa teure Ware nach, ist dies bei Chinesen überwiegend nicht der Fall. Und noch eines beobachten die Marketing-Strategen der Schmuckindustrie: In Deutschland und auch in Teilen Europas böten protestantische Gegenden weniger Absatzchancen als katholische.

    Die Schmuckbranche ist eine Branche für Spezialisten. Nicht jeder Betrieb kann auf die Mithilfe eines Spitzen-Designers setzen und nicht jeder Betrieb verfügt über Handwerker und Meister, die jedes Preissegment bedienen können. Vielfach, so beschreibt Marcus Mohr, komme es in der Branche auf althergebrachte Fertigkeiten an. So werde in der Email-Technik Spitzenqualität produziert - ausgebildet aber werde dazu eben nur noch bei Victor Mayer in Pforzheim:

    " Das Email ist ein Glasbrand, das ist eine sehr alte Technik, die seit dem Mittelalter gepflegt wird. Es wird eine Art Glaspaste ... aufgetragen mit feinen Pinseln auf einer goldenen Oberfläche und dann in einem Ofen bei zirka 850 Grad zum Fließen gebracht, dann wird es aus dem Ofen herausgebracht und es erkaltet, und man bekommt dann eine schöne glasige Oberfläche über dem Gold. Dieses Email gibt es in verschiedenen Farben ... Und diese Technik kann man nur noch bei uns hier Hause erlernen ... Sie erfordert ein Talent, Fingerspitzengefühl für Feinheiten, denn sie arbeiten auf goldenem Material und ganz filigranen Strukturen."

    Das Produzieren in Billiglohnländern kommt deshalb nicht Frage. Zwar arbeiten Goldschmiede in Osteuropa für bis zu einem Dreißigstel des westlichen Lohns, sie beherrschen aber nicht in jedem Fall die Techniken, um exquisite Schmuckstücke herstellen zu können.

    Allerdings ist längst nicht mehr alles Handarbeit in der Schmuckbranche. Die CNC-Technik hat längst Einzug gehalten, und die Schleuder- und Vakuumtechnik sind verfeinert worden; Auf diese Weise können mehrere Stücke gleichzeitig gefertigt werden, indem das Edelmetall durch Schleudern oder ein Vakuum in vorgeformte Schmuckteile gefüllt wird. So muss der Goldschmied nicht jedes einzelne Teil fertigen, sondern nur noch die Feinarbeiten übernehmen.

    Mit der Technologie hat auch die Rationalisierung Einzug gehalten in die einst bodenständige Schmuckindustrie. Kein Zufall also, dass in der Schmuckstadt Pforzheim auch die Forscher angesiedelt sind, die neue Technologien erproben und entwickeln. Professor Wolfgang Böhm vom Schmucktechnologischen Institut in Pforzheim:

    " Das Rasterelektronenmikroskop bietet die Möglichkeit Details mit hoher Vergrößerung aufzulösen, erkennbar zu machen und hinterher chemisch zu analysieren, um festzustellen, welche Elemente sich an dieser Stelle befinden ... Und so kann ich eine Korrelation herstellen zwischen Werkstoff, chemischen Elementen und optischen Effekten, und das ist auch etwas, das bei der Herstellung von Schmuck von Bedeutung ist."

    So können Oberflächenfehler beim Polieren des Schmucks auftreten, kleine Erhebungen, die das Schmuckstück unansehnlich machen; es verliert an Glanz und damit an Verkaufswert. Durch die mikroskopische Analyse ist es möglich, herauszufinden, woher dieser negative Effekt kommt, um verbesserte Anleitungen für die Produktion vorzuschlagen.

    " Wir entwickeln Verfahren, die der Schmuckindustrie helfen, produktiver zu arbeiten, um höchste Qualität bei möglichst niedrigen Herstellkosten zu erzielen, um damit international wettbewerbsfähig zu sein. Die Vorteile des deutschen Schmucks ist eben dieses hohe Qualitätsniveau, das allerdings nicht vom Preis, von den Herstellkosten total abgehoben sein darf, und deswegen muss man auf die Herstellkosten achten, und sehen, wie man das heute ohne allzu menschliche Wertschöpfung macht, sondern dass man möglichst viel Arbeit auf die Maschine überträgt."

    Entsprechend vielfältig müssen die Funktion der Maschinen sein, die in der Schmuckindustrie zum Einsatz kommen. Genügten früher Ketten-Automaten, die eine einzige Halskette fertigten, müssen die Maschinen heute multiple Aufgaben erfüllen können, um die kompliziertesten Dinge zu produzieren - bis him zum mehrfarbigen Trauring.

    Und wie den Maschinen geht es auch den Menschen. Die Anforderungen wachsen. Im Markt für große Mengen ist Computerkenntnis gefragt, Ingenieure und Techniker sind nicht mehr wegzudenken aus der Branche. Der Handwerker und Goldschmied alter Prägung gehört mehr und mehr der Vergangenheit an.

    Eine Ausnahme jedoch gibt es: Die Uhrenbranche . Mechanische Werke sind gefragt und entsprechend ist die Handarbeit nötig. Auch Jörg Schauer, Inhaber von Stowa- und Schaueruhren, macht seine Uhren selbst.

    " In den letzten fünf Jahren hat sich der Markt dahingehend entwickelt, dass die Uhren immer größer geworden sind, zum Teil schon fast untragbare Uhren, die aber auch ihren Absatz gefunden haben. Ich selbst habe schon immer große Uhren gebaut und habe diesen Hype nicht wirklich mitgemacht, weil irgendwo sollte man sich auf eine Größe beschränken ... Von Design her versucht jede Firma ihren Stil zu entwickeln. Es gab Zeiten, wo sich viele Uhrenfirmen kaum unterschieden haben. Aber heute ist es auch ein Verkaufsargument, dass man eine Eigenständigkeit hat und einen geschichtlichen Hintergrund, den man auch wieder aufleben lassen kann."

    Für die Wachstumsmärkte in Asien ist "Firmentradition" ein Verkaufsargument. Dort verbindet der Kunde Qualität in der Regel immer mit einem Namen.

    Die Nachfrage nach teureren Produkten beobachten die Juweliere auch bei der jüngeren Kundschaft

    Die wachsende Konsumfreude hat der Schmuckindustrie und ihren Händlern bereits im vergangenen Jahr bis zu zweistellige Umsatzsteigerungen eingebracht. Eine "Geiz-ist-Geil"-Kampagne, so heißt es, würde in der Schmuckbranche nicht verfangen.