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Vom Krimi zur Kirche

Ihren Nachruhm verdankt die englische Autorin Dorothy L. Sayers ihren Kriminalromanen, in denen der adelige Hobbydetektiv Lord Peter Wimsey ermittelt. Aber die Pfarrerstochter, die zu den ersten Frauen gehörte, die an der Universität Oxford studierten, schrieb auch Gedichte, Essays und Theaterstücke.

Von Eva Pfister | 17.12.2007
    Man kennt sie nur als große Krimi-Lady, aber sie war auch eine christliche Dramatikerin, eine geistreiche Essayistin und hinterließ eine unvollendete Übersetzung von Dantes "Göttlicher Komödie". Geboren wurde Dorothy Leigh Sayers am 13. Juni 1893 in Oxford als Tochter eines Pfarrers, der ihr schon als Kind Lateinstunden gab. Deutsch lernte sie in der Schule, und Französisch studierte sie in ihrer Heimatstadt, wo sie als eine der ersten Frauen ihren Master of Arts entgegennehmen konnte.

    Dass sich die junge Akademikerin dem neuen Genre des Kriminalromans zuwandte, lag einerseits an ihrer prekären finanziellen Lage, andererseits hatte Dorothy L. Sayers schon früh einen Hang dazu, wie sie in einem Brief gestand:

    "Ich war schon als Kind ein äußerst robustes kleines Biest und legte Wert darauf, dass man mir alle blutrünstigen Details vorlas, sehr zum Schrecken meiner Eltern."

    Ihr erster Krimi "Ein Toter zu wenig" erschien 1923 und wurde sogleich ein Erfolg. Beliebt war vor allem die Figur des Hobbydetektivs Lord Peter Wimsey, der in weiteren zehn Romanen ermittelte. Er besaß alles, was der jungen Autorin fehlte:

    "Weil ich unzufrieden war mit meiner unmöblierten Bude, gönnte ich ihm ein luxuriöses Apartment im vornehmen Stadtteil Piccadilly. ... Als ich kein Geld für den Bus hatte, präsentierte ich ihm einen Zwölfzylinder-Daimler, ... ; und wenn ich mich langweilte, ließ ich ihn damit herumfahren."

    An Selbstbewusstsein mangelte es Dorothy Sayers nicht. Als Studentin gründete sie mit Freundinnen einen literarischen Zirkel mit dem schönen Namen "Gesellschaft zur gegenseitigen Bewunderung", und 1916 ließ sie ihren ersten Lyrikband drucken, den sie "Opus 1" nannte.

    Nach dem Studium bekam sie allerdings zu spüren, dass es für Akademikerinnen kaum Arbeitsmöglichkeiten gab, zumal sie nicht unterrichten wollte. In einem kleinen Verlag in Oxford war sie unterfordert, aber 1922 fand sie eine Stelle als Texterin in einer Werbeagentur in London.

    Mit 33 Jahren ging Dorothy Sayers eine Ehe ein, die nicht sehr glücklich wurde. Ihren Idealmann aber hatte sie sich ja vorher schon selbst erschaffen, eben Lord Peter Wimsey. Nicht zufällig macht der im Roman "Strong Poison" einer Kriminalschriftstellerin einen Heiratsantrag. Und zwar im Gefängnis, denn Harriet Vane ist des Mordes angeklagt. Mit subtiler Ironie gestaltet Sayers diese Begegnung, - hier die der Hörspielfassung der BBC:

    "Good morning Miss Vane."

    "Good Morning - Please, sit down. You're Lord Peter Wimsey I believe and have come from my solicitor."

    Nach der höflichen Begrüßung verrät Lord Peter Wimsey sein Interesse an Kriminalfällen, worauf ihm Harriet Vane antwortet, dass sie durchaus im Bilde sei, denn als Verfasserin von Detektivgeschichten habe sie seine Karriere mit Interesse studiert!

    "I rather enjoy investigating things, if you know what I mean?

    "I know. Being a writer of detective stories, I naturally studied your carrier with interest."

    "I see, have you?"

    Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wandte sich Dorothy L. Sayers von den Kriminalgeschichten ab. Sie wurde eine wichtige Autorin für religiöse Themen, schrieb Hörspiele über das Leben Jesu und Essays über Glaubensfragen. 1943 bot ihr der Erzbischof von Canterbury sogar den Ehrendoktor der Theologie an. Aber zur Kirche hielt Sayers stets eine gewisse, auch ironische, Distanz, wie Passagen aus einer fast schon ketzerischen Satire zeigen:

    "Wie denkt die Kirche über Gott den Vater?"

    "Er ist allmächtig und heilig. Er schuf die Welt und gab den Menschen Gebote, die sie unmöglich erfüllen können. Er wird aber sehr ärgerlich, wenn sie nicht ausgeführt werden."

    "Wie denkt die Kirche über Sexualität?"

    "Gott schuf sie, um die Welt am Leben zu erhalten, und erlaubt sie, vorausgesetzt, (a) dass das Paar verheiratet ist und (b) keinen Spaß bei der Sache hat."

    Dorothy L. Sayers letzte große Leidenschaft galt dem italienischen Dichter Dante Alighieri. Sie lernte Altitalienisch, um "Die göttliche Komödie" neu ins Englische zu übersetzen. 1949 erschien "Hell" ("Die Hölle") und wurde in nur drei Monaten 50.000 Mal verkauft. 1955 folgte "Das Fegefeuer", aber den dritten Teil, "Das Paradies", konnte Dorothy L. Sayers nicht mehr vollenden. Am 17. Dezember 1957 starb sie ganz unerwartet an einem Herzschlag.