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Vom Landwirt zum Energiewirt?

Biomasse zur Erzeugung von Strom oder Wärme ist nicht per se umweltverträglich. Eine zunehmende Bepflanzung mit nachwachsenden Rohstoffen zieht zum Beispiel einen verstärkten Einsatz von Düngemitteln nach sich. Kritiker monieren außerdem, dass Flächen für nachwachsende Rohstoffe wie Mais oder Getreide nicht endlos zur Verfügung stehen. In manchen Regionen habe die Flächenknappheit wegen der Konkurrenz von Nahrungspflanzen zu Energiepflanzen schon die Pachtpreise um bis zu 40 Prozent steigen lassen.

Von Folkert Lenz | 16.07.2007
    Lange Jahre war Ingo Stöver genervt. Knapp 9000 Euro hat der Haustechnik-Unternehmer aus dem niedersächsischen Himmelpforten an die örtlichen Stadtwerke im Jahr gezahlt, um sein Einfamilienhaus und seinen Betrieb zu beheizen. Im Frühjahr hat er den Gashahn des Versorgers zugedreht. Jetzt kommt die Wärme von Holzhackschnitzeln und aus der Verbrennung von Chinaschilf, dem sogenannten Miscanthus. Knapp drei Hektar Acker hat Stöver für den Anbau in Sichtweite seiner Firma gepachtet:

    "Wir haben also im letzten Jahr eine Fläche angepflanzt von 2,6 Hektar letztes Jahr im Mai. Die ist jetzt zirka 2,50 Meter hoch gewachsen und kann im nächsten Mai das erste Mal geerntet werden. Allerdings noch nicht mit vollem Ertrag. Sondern im Jahr 2009, da rechnen wir mit dem vollen Ernteertrag. "

    Rund 6.700 Liter Heizöl kann er mit der Chinaschilf-Ernte von einem Hektar ersetzen, weiß der Ingenieur aus einem Versuch. Seine Heizkosten sinken durch das Verbrennen von Miscanthus um 85 bis 90 Prozent, hofft Stöver:

    "Wenn ich das umrechne auf die Kilowattstunde Energieinhalt, dann muss man bei Miscanthus 0,8 Cent für die Kilowattstunde Energie ansetzen. Wenn ich Öl oder Erdgas oder fossile Energieträger nehme, dann liege ich so bei fünf oder fünfeinhalb, 5,8 Cent für die Kilowattstunde Energie. "

    Selbst das Verfeuern von Hackschnitzeln aus preiswertem Recyclingholz koste noch das Doppelte wie mit Chinaschilf, rechnet Stöver vor. Versuche, Miscanthus - das auch als Elefantengras bekannt ist - als alternativen Energieträger zu etablieren, hat es schon in den 80er Jahren gegeben. Doch am Markt konnte sich das Schilf nicht durchsetzen.

    Auch Dank dem Vorurteil, dass Miscanthus große Ascheberge hinterlasse. Stöver widerspricht:

    "Ich habe keine Schlacke, keine Asche gesehen bei unserer Verbrennung. Und das bisschen, was da an Asche rauskommt, das wird vorne in so einem Aschekasten aufgefangen. Und das kippen wir in eine Schubkarre. Und da können wir die Blumenbeete mit düngen. Aber man muss sich keine Gedanken darüber machen, das aufs Feld oder so ausbringen zu müssen. Die Reste sind verschwindend gering. "

    Der Energiepionier gesteht aber Probleme ein: Es gebe noch wenige geeignete Öfen. Außerdem lasse die großvolumige Pflanze nur einen Anbau in der Nähe der Feuerstelle zu, wenn unsinnige Transporte vermieden werden sollen. Mit Holz von Weiden und Pappeln gibt es dieses Problem nicht. Im westfälischen Kreis Minden-Lübbecke haben Landwirte und Abfallentsorger eine Kooperation gegründet. Die beteiligten Bauern wollen 20 Jahre lang auf ausgewählten Flächen Weiden anpflanzen. Mit dem Stangenholz vom Acker werden sie zu Energiewirten. Bernd Büscher von der Gesellschaft zur Verwertung organischer Abfälle:

    "Wir haben also dann Flächen gepachtet, die eigentlich für eine normale Bewirtschaftung nicht geeignet sind. Entweder sind sie zu nass oder die Unterbodenstruktur lässt ein vernünftiges Wachstum von Mais oder Weizen nicht zu. "

    Nachteil des schnell wachsenden Holzes ist sein hoher Wassergehalt: Bis zu 50 Prozent. Es soll nun mit der Abwärme getrocknet werden, die die nahe gelegene Deponie Pohlsche Heide produziert, wenn sie biologische Abfälle vergärt.

    Doch genau das bezeichnen Kritiker des Biogasbooms als Energieverschwendung. Sie monieren außerdem, dass Flächen für nachwachsende Rohstoffe wie Mais oder Getreide nicht endlos zur Verfügung stehen. In manchen Regionen habe die Flächenknappheit wegen der Konkurrenz von Nahrungspflanzen zu Energiepflanzen schon die Pachtpreise um bis zu 40 Prozent steigen lassen. Auch Matthias Klöffel, Kreisobmann des Bauernverbandes Rhön-Grabfeld in Bayern prognostiziert:

    "Es wird eine Flächenknappheit geben. Aber nicht, weil wir zu viele intelligente Konzepte haben. Sondern weil einfach zu viel Kapital da ist, das in diesen Markt rein will und da eine Wertschöpfung rausholen will. Und leider werden in dieser Situation sehr oft große strategische Fehler unternommen. "

    Nicht nur Klöffel fordert deshalb, keine riesigen Biogasanlagen mehr zu bauen, die den Transport von Mais über weite Entfernungen nötig machen. Bei der Vergärung entstehende Wärme müsse sinnvoll genutzt und dürfe nicht verschwendet werden. Und letztlich seien Energiesparkonzepte viel wichtiger als der gigantische Ausbau der Biogasindustrie.