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Vom Verfassungsschutz ins Medienrecht
Maaßen kümmert sich um Auskunftsrecht von Behörden

Der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident Maaßen arbeitet künftig als Anwalt zum "öffentlichen Äußerungsrecht" - also zur Frage, was Staatsanwaltschaften, Polizei und Gerichte gegenüber Medien sagen dürfen. Das ist bislang nicht einheitlich geregelt.

Von Michael Borgers | 09.10.2019
Hans-Georg Maaßen geht und lächelt leicht.
Der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen arbeitet künftig im Bereich Medienrecht. (Bernd von Jutrczenka/dpa )
Um Hans-Georg Maaßen herum wird es trubeliger. Vom Bundesamt für Verfassungsschutz in einem Kölner Randbezirk, dem er bis vor einem Jahr als Präsident vorgestanden hat, zieht es den gelernten Juristen in die Innenstadt - an die "Ringe", wo sich Diskotheken an Restaurants und Geschäfte reihen. Im fünften Stock eines unscheinbaren Bürogebäudes steigt er in die Kanzlei Höcker ein, der nach eigenen Angaben größten Kanzlei für Medienrecht in Deutschland.
Behördenarbeit bleibt auch dort Maaßens Thema. Er soll aktiv werden, wenn Medien berichten und sich die Frage stellt, wer ihnen dazu verholfen hat. So wie 2008, bei der Steuerrazzia durch Staatsanwälte bei Ex-Postchef Klaus Zumwinkel.
Maaßen fängt bei berühmt-berüchtigtem Medienanwalt an
Der "Report Mainz" berichtete damals: "Hausdurchsuchung bei einem der ganz Großen der deutschen Wirtschaft: Klaus Zumwinkel. Den Schlips nur nachlässig gebunden, flankiert von der Staatsgewalt. Es geht ab zum Verhör. Und die Nation schaut zu."
Wieso standen die Fernsehkameras bereit, als Zumwinkel aus seinem Haus geführt wurde? Welche Behörde hat was an die Medien durchgestochen? Um diese Fragen, also um das "öffentliche Äußerungsrecht", soll sich Maaßen künftig kümmern.
"Er ist wirklich ein Glücksfall für uns", findet Ralf Höcker, Gründer der Anwaltskanzlei – und berühmt-berüchtigt unter Journalisten. Der Rechtsanwalt ist bekannt dafür, Medien prophylaktisch mit juristischen Konsequenzen zu drohen, um sie von einer Berichterstattung abzubringen. Seine Mandanten, darunter Prominente wie Model Heidi Klum oder Politiker wie der türkische Präsident Erdogan, sind dankbar für seine häufig erfolgreiche Arbeit.
Porträtaufnahme von Annegret Kramp-Karrenbauer mit ernster Miene.
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer: Man hätte Maaßen früher entlassen müssen
Der Umgang mit dem früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen sorgt für Streit in der Union. Im Deutschlandfunk kritisierte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer Maaßens Absolutheitsanspruch.
Höcker und Maaßen kennen sich von ihrem gemeinsamen Engagement für die "Werteunion", eine besonders konservative Gruppe von CDU- und CSU-Mitgliedern. In dem Rechtsbereich, den Maaßen nun ins Visier nehmen soll, gehe es vor allem um die Frage: "Was darf man, was darf ein Staatsanwalt, was darf die Polizei? Was darf ein Gericht in einer Pressemitteilung veröffentlichen, an Daten über eine bestimmte Person, die vielleicht Beschuldigter ist oder Zeuge in einem Strafverfahren?"
Persönlichkeitsrechte im Fokus
Behörden gelten für Journalisten als "privilegierte Quellen", also als vertrauenswürdig und zitierbar. Wenn ein Staatsanwalt einen Beschuldigten namentlich nennt, dann übernehmen die Medien in der Regel diese Praxis auch. Doch er erlebe es immer wieder, wie unsensibel Ermittlungsbehörden mit den Persönlichkeitsrechten Betroffener umgingen, sagt Höcker.
"Die hauen dann einfach mal 'nen Namen raus oder geben irgendwelche persönlichen Daten über den Wohnort einer Person bekannt. Das kann man natürlich nicht machen, jedenfalls in vielen Fällen nicht. In manchen geht es, in manchen nicht. Und genau diese Grenzziehung, das ist unsere Aufgabe, da mit den Behörden ins Gespräch zu kommen und zu sagen: Das dürft ihr, das dürft ihr nicht."
Strafrechtsprofessor fordert Neuregelung
Also ganz ähnlich, ergänzt Höcker, wie er und seine Kollegen das auch mit Journalisten machten. Doch für Medien gelten klare presserechtliche Regeln. Bei Behörden dagegen erlebe er häufig Orientierungslosigkeit. Der Medienrechtler findet deshalb: "Es wäre wirklich an der Zeit, ein Gesetz zu machen, das mal einheitlich regelt, wie und was diese Stellen alle sagen dürfen."
Und nicht nur Höcker sieht das so. "Man kann guten Gewissens sagen, mit der geltenden Rechtslage in diesem Bereich sind alle Beteiligten unzufrieden", beobachtet Mark Zöller, Professor für Strafrecht an der Uni Trier. Gemeinsam mit anderen Experten arbeitet er deshalb seit einiger Zeit an einem Gesetzentwurf.
Danach soll die Strafprozessordnung um eine Art Presserecht ergänzt werden. Das würde erstmalig bundesweit einheitliche Regelungen einführen. Eine zentrale Forderung dabei: Journalisten sollen künftig genau wissen, an wen sie sich mit ihrem Auskunftsanspruch wenden können.
Große Unterschiede in den Bundesländern
Bislang handhabten die Bundesländer diese Frage eigenständig und höchst unterschiedlich, kritisiert Zöller. Und das habe Folgen für die Medienarbeit, "die von medienerfahrenen und häufig auch sehr eloquenten Pressesprechern bis hin zu öffentlichkeitsscheuen Behördenleitern reicht, die am liebsten überhaupt keine Informationen an die Medien weitergeben", so Zöller.
Die Wissenschaftler haben bereits Vertreter verschiedener Parteien getroffen und für ihr Vorhaben geworben - Politiker wie Patrick Sensburg von der CDU, ebenfalls Jura-Professor.
Sensburg begrüßt die Gesetzesinitiative. Rechtspolitisch würde sie Klarheit schaffen. Allerdings werde es keine schnelle Lösung geben. Nun gehe es darum, Mehrheiten im politischen Berlin zu finden, kündigt Sensburg an. Er wisse, dass das Justizministerium aktuell an einer Überarbeitung der Strafprozessordnung arbeite: "Ich könnte mir vorstellen, dass vielleicht eine Chance besteht, diese Änderung in der Strafprozessordnung auch wirklich in ein Gesetzgebungsverfahren zu überführen."
Richterbund sieht keinen Handlungsbedarf
Keinen dringenden Handlungsbedarf sieht dagegen der deutsche Richterbund, der Berufsverband der Richterinnen und Staatsanwälte. Die aktuellen Vorschläge blieben teilweise sogar hinter der heute gelebten Praxis zurück, teilte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem Deutschlandfunk auf Anfrage schriftlich mit.
Zudem sei es zweifelhaft, "ob der Bund Auskunftsansprüche der Medien durch ein Bundesgesetz regeln dürfte", gibt der Richterbund zu bedenken. Im Bereich des Presserechts seien dafür allein die Länder zuständig.
"Herr Maaßen passt sehr gut in dieses Dezernat"
Das "öffentliche Äußerungsrecht", die Frage, nach welchen Regeln Rechtsstaat und Medien miteinander sprechen – ein sensibler Bereich, um den sich nun Hans-Georg Maaßen von Köln aus als Rechtsanwalt kümmern soll; ein Jurist, der sich seit seiner Absetzung als Verfassungsschutz-Chef als Opfer einer linksradikalen Verschwörung darstellt.
Man könnte die Entscheidung als Provokation lesen oder als spektakulären PR-Coup. Doch Ralf Höcker, in dessen Kanzlei der 56-Jährige arbeiten wird, winkt ab: "Herr Maaßen passt sehr gut in dieses Dezernat, weil er Öffentlich-Rechtler ist, also weil er sich genau mit diesem Rechtsgebiet des Verwaltungsrechts sehr, sehr gut auskennt."
Und ergänzt: Außerdem habe Maaßen sehr große Erfahrung in politischer Kommunikation.