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Von Abholzungen und Bausünden

Das verheerende Unwetter auf Madeira hat offenbar mehr Menschen das Leben gekostet als bislang vermutet. Vier Tage nach der Katastrophe suchen die Rettungkräfte immer noch nach Verschütteten - die Ursache der Katastrophe ist jedoch hausgemacht.

Von Jochen Faget | 23.02.2010
    Eigentlich heißt Madeira auf Deutsch Holz, damit wäre die Blumeninsel im Atlantik also die Holzinsel. Nur wurden die einst undurchdringlichen Urwälder Madeiras schon vor 500 Jahren von den portugiesischen Entdeckern gerodet. Und immer mehr der wenigen verbliebenen bewaldeten Gebiete fallen einer scheinbar unkontrollierten Bauwut zum Opfer.

    "Früher gab es viel mehr Wälder in den höher gelegenen Gebieten", gibt der Klimaforscher Filipe Duarte Santos zu bedenken.
    "Die jedoch sind höchst wichtig, haben das Regenwasser zurückgehalten. Solche Schutzzonen sind nötig. Und Wasserläufe müssen so angelegt werden, dass es auch bei schwersten Regenfällen nicht zu Überschwemmungen kommt."

    Doch darum – soviel steht bereits fest – hat sich auf Madeira niemand gekümmert. Nachdem an einem Tag soviel Regen gefallen war, wie sonst nur in einem Monat, kam es zur Katastrophe: Die Flüsse traten über ihre Ufer, rissen Erde, Bäume, Steine, sogar tonnenschwere Felsen mit – alles ins Tal, alles in die Inselhauptstadt Funchal.

    Obwohl die Aufräumungsarbeiten auf Hochtouren laufen, herrscht in der Altstadt von Funchal noch immer Chaos total: Bagger und Kräne heben Autowracks und Mauerreste aus den "ribeiras". So heißen auf Madeira die Flüsse, die nur bei Regen Wasser führen und sonst trocken liegen. Die Regenfälle vom Samstag ließen sie zu unkontrollierten, reißenden Schlammströmen anschwellen. Drei davon gibt es in der Inselhauptstadt Funchal – und alle drei wurden in den vergangenen Jahren teilweise sogar überbaut. Ein schwerer Fehler, stellt Hélder Spinola von der Umweltschutzorganisation Quercus fest:

    "Selbst Gesundheitszentren, Feuerwehrquartiere, sowie viele andere private und öffentliche Gebäude wurden bedenkenlos in Gefahrenzonen und sogar in den Flussläufen errichtet."

    Vor allem in Funchal wurde viel zu viel und viel zu bedenkenlos gebaut, kritisieren die Umweltschützer. Wegen der Touristen entstanden Einkaufszentren, Restaurants und Parkhäuser. Aus Platzmangel auch immer öfter in überschwemmungsgefährdeten Bereichen der Stadt und obwohl Raumplaner immer wieder auf das Risiko hingewiesen hatten. Es sei daher kein Wunder, dass gut die Hälfte der Todesfälle in der Inselhauptstadt zu beklagen sei. Der Ladenbesitzer Americo Gonçalves zum Beispiel kam gerade noch mit dem Leben davon:

    "Ich war am Samstag mit sechs anderen Personen in den Wassermassen gefangen, von zehn Uhr morgens bis sechs Uhr nachmittags. Das Wasser stand uns schon bis zum Bauch, als die Feuerwehrleute uns mit einem Seil herausholten."

    Der Mann Ende 50 wollte gerade seinen Laden in einem Einkaufszentrum aufsperren, als die Schlammlawine und die Wassermassen kamen. Das Einkaufszentrum, über einer der "ribeiras", die in Funchal ins Meer münden, gebaut, wurde weitgehend zerstört. Das Wasser hat nicht nur den angeblich sicheren Betonkanal gesprengt, sondern auch die umliegenden Gebäude unterspült und sogar die Uferstraße vor dem Einkaufszentrum einfach weggeschwemmt. Schäden, aus denen die Stadt- und Regionalplaner auf Madeira hoffentlich für die Zukunft lernen.