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Von Arbeitslosen- und Fernsehquote

Nachdem im privaten Fernsehen eifrig beim Renovieren, bei der Kindererziehung und der Finanzplanung geholfen wurde, wird auch bei der Jobsuche mit angepackt: in der neuen Reality-Sendung "Der Arbeitsbeschaffer" auf RTL.

Von Klaus Deuse | 05.01.2008
    Es gibt einen Fernsehsender, der führt den Menschen nicht nur neidvoll vor Augen, wie die Reichen und Schönen leben, nein, der lässt die einfachen Menschen mit ihren schier unerträglichen Sorgen auch nicht im Regen stehen. RTL hilft den Menschen, wo es nur geht, und zieht sie dabei mit ihren Nöten vor die Kamera, damit die anderen einfachen Menschen vor der Glotze hautnah das Gefühl vermittelt bekommen: Du bist nicht allein.

    Denn jetzt flimmert "Der Arbeitsbeschaffer" über den Schirm. Ja, wer trotz des von der Politik verkündeten Aufschwungs noch immer keine unterbezahlte Arbeit gefunden hat, dem zeigt nun der private Arbeitsvermittler Lars Naundorf beim Privatsender RTL, wo es ruckzuck ab in Lohn und Arbeit geht. Denn:

    "Lars Naundorf ist der Arbeitsbeschaffer. Seine Arbeit beginnt da, wo das Arbeitsamt nicht mehr weiterkommt."

    So, als würden die Vermittler beim Arbeitsamt nur Däumchen drehen, und der Lars Naundorf, der legt sich gleich auf den ersten Filmmetern so was von ins Zeug, dass das einfach klappen muss mit dem neuen Job.

    "Selbstmitleid bringt niemandem eine Arbeit. Ich zeige den Menschen, was sie tun müssen, damit es klappt."

    Nun ist das mit der Arbeitsvermittlung in Ostdeutschland nicht ganz so einfach. Wie im Fall des 41-jährigen gelernten Betonbauers, Rainer Jahn. Seit neun Jahren kassiert er Stütze vom Staat: ein gefundenes Fressen für die Kameras von RTL, denn der Rainer weiß bei den begrenzten Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt nach Dutzenden von Absagen nicht so recht, wofür er eigentlich noch gut ist.

    "Hausmeister oder was mit einem Computer so zusammenbauen oder Kundendienst, so was, in der Richtung."

    Nun hat der Rainer aber auch ein paar Probleme mit sich und der Arbeitswelt.

    "Viele Leute hat es abgeschreckt, weil ich es mit der Bandscheibe und der Wirbelsäule habe. Ich darf nicht so schwer heben, ich darf nicht draußen arbeiten, bin nicht höhentauglich."

    Da bleibt selbst dem garantierten Arbeitsbeschaffer Naundorf die Spucke weg:

    "Was hat denn das mit draußen zu tun, wenn Sie was mit dem Rücken haben?"

    "Ich weiß es nicht."

    Und nachdem Naundorf nachgerechnet hat, wie viel Rainer Jahn und seine ebenfalls arbeitslose Ehefrau Ina Sachse samt ABM, Harzt IV sowie Mietzuschuss und Kindergeld bekommen, nämlich 1982 Euro, bricht es aus dem garantierten Arbeitsbeschaffer heraus:

    "Also, um den sozialen Standard zu halten, den sie nun schon seit langer Zeit haben, brauchen sie nicht unbedingt arbeiten zu gehen, das füllt schon das soziale Netz aus."

    Wirklich, ein toller Arbeitsbeschaffer, der da bei RTL rumwerkelt. Aber aus Ehefrau Ina kitzelt er doch noch einen Satz heraus, der Harzt IV-Kritiker frohlocken lässt.

    "Dass man doch einmal, oder er, den faulen Arsch hochkriegt."

    Und der Rainer kriegt seinen Arsch wirklich hoch und darf für einen Tag bei einem Hausmeisterdienst zur Probe arbeiten; zwar ohne Aussicht auf eine Anstellung, doch Arbeitsbeschaffer Naundorf kann zeigen, was er als Vermittler einzigartig für die mitlaufenden Kameras drauf hat.

    "Ich hab gleich meinen Fotoapparat mit dabei, und möchte dort Fotos von ihm machen, gleich live während der Arbeit, weil ich glaube, dass wir da wesentlich mehr Dynamik mehr ins Bild rein bekommen."

    An der Qualifikation von Rainer Jahn, der samt Silicon-Spritzpistole auf einer Leiter in die Kamera grinst, verbessert auch das Stand-Foto nichts. Und weil der RTL-Arbeitsbeschaffer so gerne knipst, muss auch Rentnerin Erna Scholz in ihrem Altenheim mit ihrem Rollator als humanes Motiv herhalten, damit Jahn-Tochter Nicole ein bewegtes Bewerbungsfoto für die angestrebte Ausbildung als Altenpflegerin bekommt.

    "Und jetzt mal kucken, was wir hier für schicke Bilder hinkriegen."

    Eine televisionär peinliche Veranstaltung, denn der leibhaftige Persilschein für eine Arbeitsplatzvermittlung scheitert an den realen ostdeutschen Gegebenheiten. Mutter Ina findet zwar einen Mini-Job als Aushilfe in einer Spielhalle und Töchterchen Nicole eine Ausbildungsstelle - man kann dem Fernsehen ja nicht jeden Wunsch abschlagen - aber Vater Rainer kuckt in die Röhre. 100 Kilometer weit entfernt könnte er zwar einen neuen beruflichen Anfang finden, doch zum Umzug fehlt der Familie schlichtweg das Geld. Außerdem wäre es dann Essig mit dem Job für die Mutter und dem Ausbildungsplatz für die Tochter.

    Einfach toll, was so ein TV-Arbeitsbeschaffer zu leisten vermag. Aber was soll es: Hauptsache die Quote stimmt.