Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Von Bienen und Satelliten

Umwelt. - Der Klimawandel wirkt oft abstrakt und wenig fassbar, zumindest für Otto Normalverbraucher. Dass die globale Erwärmung läuft, bekommen Tiere wie etwa Honigbienen indes schon zu spüren. Forscher wollen sie deshalb nutzen, um mit Nasa-Satelliten Auskunft über den Zustand der Welt zu geben.

Von Dagmar Röhrlich | 09.06.2008
    "Obwohl ich selbst zum Klimawandel forsche, war es schockierend zu sehen, dass er in meinem eigenen Garten stattfindet, wenn auch in so geringem Ausmaß, dass er ohne die Messungen nicht aufgefallen wäre."

    Vor 15 Jahren hatte der Ozeanograph Wayne Esaias seine Bienenvölker von einem Imker übernommen und den Rat befolgt, Sammelfleiß und Gesundheit der Tiere mit Hilfe von Waagen zu überwachen. Darauf stehen die Körbe. Jeden Abend liest der Hobbyimker ab, wieviele Kilogramm Nektar und Pollen seine Arbeiterinnen gesammelt haben, und er überträgt die Daten in den Computer. Als er sie jetzt auswertete, war er überrascht: Zwischen dem Verhalten der Bienen und den Satellitenmessungen, mit denen er Tag für Tag am Nasa Goddard Spaceflight Center in Greenbelt, Maryland, arbeitet, gibt es einen Zusammenhang:

    "Seit 15 Jahren führe ich über die Gewichtszunahme der Bienenvölker Buch. In diesen Daten steckt ein klares Klimasignal, denn gleichgültig ob der Stock groß oder klein ist: Jahr für Jahr beginnen die Bienen einen halben Tag früher mit ihrer Arbeit, und inzwischen hat sich das auf etwa 25 Tage aufsummiert. Das deckt sich sehr schön mit den Satellitenmessungen."

    Bei der Nasa arbeitet Wayne Esaias mit einem Instrument, das den Zustand der Vegetation beobachtet. Allerdings sind die Informationen sehr allgemein: Man sieht, wie die Natur grüner wird oder abstirbt. Aber einen wichtigen Parameter für den Klimawandel – nämlich wann wie viele Pflanzen blühen – bleibt für Satellitenaugen unsichtbar. Die Bienen verraten es aber genau:

    "Wenn man anhand der Satellitendaten herausfinden will, wann die Pflanzen blühen, braucht man dazu einen Anzeiger, und das sind die Bienen. Aufgrund der Wiege-Ergebnisse können wir auf den Tag genau sagen, wann die Blütezeit beginnt, wann ihr Höhepunkt ist und wann sie endet. Das Signal der Bienen liefert einen Durchschnitt über ihr gesamtes Sammelgebiet, so dass wir hier sehr gute Informationen bekommen, mit denen wir arbeiten können."

    Die Nasa und das US-Agrarministerium sehen das auch so und finanzieren das Programm, mit dem in ganz Nordamerika festgestellt werden soll, wie sich der Klimawandel auf die Bestäubung auswirkt. In Maryland nehmen bereits 15 Imker daran teil – und Wayne Esaias hofft auf ein globales Imker-Netzwerk:

    "Bienen werden rund um die Welt in sehr ähnlichen Stöcken gehalten. Wenn wir überall ein paar Imker gewinnen können, ihre Stöcke täglich zu wiegen und die Daten zu notieren, entstünde ein wertvoller Datensatz, mit dem wir die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ökosysteme sehr viel besser abschätzen können. Die Nasa baut die Infrastruktur für dieses Netzwerk auf."

    Aber leider sind die nötigen Balken-Waagen recht teuer, so dass Wayne Esaias nur hoffen kann, dass seine Imkerkollegen sich anstecken lassen und investieren. Das Netzwerk soll auch die Antwort auf die Frage liefern, wie viel Terrain die Killerbiene durch den Klimawandel erobern kann. Diese Biene mit dem martialischen Spitznamen entstand, weil Imker in tropischen und subtropischen Klimaten zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit europäische Bienen mit afrikanischen kreuzten. Leider sind die Hybride sehr aggressiv – und breiten sich aus. Bislang schätzt man mit Hilfe der Temperatur ab, wie weit sie kommen könnten:

    "Unsere Hypothese ist jedoch, dass sich ihre Verbreitung weniger nach der Temperatur, sondern mehr nach den verfügbaren Blüten richtet. Während die europäische Biene auf den Wechsel von warmer und kalter Jahreszeit reagiert, kommt es in der Heimat der afrikanischen Biene auf den Wechsel von Trocken- und Regenzeit an. Wenn es irgendwo regnet und die Pflanzen blühen, schicken die Völker Tochterschwärme zum Nektarsammeln aus. Wir wollen nun die Satelliteninformationen, wann die Welt grün wird, mit den Blühinformationen der Bienen kombinieren, um ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wo die afrikanisierte Biene leben kann. Denn Modellrechnungen sagen voraus, dass sich durch den Klimawandel die Zonen mit ausgeprägten Trocken- und Regenzeiten ausdehnen werden – und damit der Lebensraum für die afrikanisierten Bienen."