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Von Dänen lernen

Skandinavische Länder haben in Bildungsfragen einen sehr guten Ruf. Kann man sich für das hiesige Studiensystem vielleicht etwas abschauen? Dieser Frage sind norddeutsche Wissenschaftspolitiker und Professoren auf einer mehrtägigen Reise nachgegangen, die sie auch nach Dänemark führte.

Von Verena Herb | 25.10.2012
    Im Paludans Café, das vis-à-vis des Hauptgebäudes der Kopenhagener Uni liegt, bekommt man schon morgens nur schwer einen Platz. An den hellen Holztischen sitzen Studierende. Viele blicken still und konzentriert auf ihren Laptop, andere - wie die 23-jährigen Studentinnen Anika und Trine, haben sich hier zum Frühstück verabredet.

    Die beiden Freundinnen kommen vom nördlichen Zipfel Dänemarks - leben aber nun beide in Kopenhagen. Anika studiert Anthropologie, wird, so wie Trine auch, im Sommer ihren Bachelor machen. Danach geht's weiter mit dem Master - erklärt sie:

    "Das machen die meisten hier in Dänemark. Es ist ziemlich schwer, ohne einen Masterabschluss einen Job zu bekommen. Das ist hier Dänemark aber auch ein bisschen einfacher, weil wir hier keine Studiengebühren bezahlen müssen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum die meisten das machen können."

    Das Studium in Dänemark kostet nichts. Stattdessen hat jeder Jugendliche ab 18 Anspruch auf eine Beihilfe, bekommt, je nachdem, ob er noch zu Hause oder bei den Eltern wohnt, finanzielle Unterstützung, die man nicht zurückzahlen muss, erzählt Anika:

    " Wir bekommen 5000 Dänische Kronen jeden Monat, etwa 700 Euro. Das ist in der Theorie genug zum Leben. Doch eine Menge Leute haben noch Jobs nebenbei."
    Dass dieses System auch in Deutschland möglich wäre, schließt Hamburgs Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeld konsequent aus:

    "Das sehe ich im Moment auch aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen gerade überhaupt nicht."
    Sie verweist auf die diesjährige Abschaffung der Studiengebühren in Hamburg und auf das BAföG für deutsche Studierende. Das bieten die Dänen übrigens zusätzlich zur Grundsicherung für junge Leute in Ausbildung an: ein Darlehen in Höhe von bis zu 350 Euro im Monat, was dann nach dem Studium in Tranchen zurückgezahlt werden muss. Das entspricht der Idee des dänischen Wohlfahrtsstaates, erklärt Uffe Toudal Pedersen, Staatssekretär im dänischen Forschungs- und Weiterbildungsministerium:

    "Das ist auch der Grund, warum wir in Dänemark niemals eine Diskussion über Studiengebühren hatten. Das ist eben eines der maßgeblichen Werte des dänischen Ausbildungssystems."

    Obwohl das Studium in Dänemark nichts kostet, Studierende sogar noch finanzielle Unterstützung bekommen, führt das nicht dazu, dass auch mehr junge Frauen und Männer aus bildungsferneren Familien den Weg an die Hochschule finden, gibt Uffe Pedersen zu:

    "Es gibt eine Tendenz, dass Studierende an der Universität aus Familien stammen, die wissen, wie es an einer Hochschule abläuft. Es ist nicht so, dass wir einen klaren Schnitt zwischen den Bildungsschichten hätten, aber es gibt die Tendenz: Kinder von Akademikern sind an Dänemarks Hochschulen überrepräsentiert."

    Im Paludans Café trinken Trine und Anika an ihrem Latte macchiato. In ihren Studienfächern Nordic Studies und Anthropology herrschen ähnliche Bedingungen wie auch an Deutschlands staatlichen Hochschulen: Viele Studierende, wenige Professoren - sagt Trine:

    "Ich habe Vorlesungen mit 200 Leuten in einem kleinen Saal. In manchen meiner Fächer kenne ich den Professor gar nicht persönlich, und er mich eben auch nicht."
    Und Anika ergänzt:

    "Eines unserer größten Probleme ist: Wir haben nicht genügend Seminare. Eine Menge bringen sich die Studierenden selbst zu Hause bei. Das ist natürlich auch wichtig. Doch es ist hilfreich, sich über das angelernte Wissen auch mit seinem Professor auszutauschen am Ende des Semesters."

    Das unterscheide sich jedoch von Fakultät zu Fakultät. Denn Fakt ist: Auch und besonders in den skandinavischen Ländern fokussieren sich die Hochschulen in erster Linie auf die naturwissenschaftlichen Fächer, klagt Anika:

    "Die Geisteswissenschaften und auch die Sozialwissenschaften können weniger Lehrveranstaltungen anbieten als die Naturwissenschaften. Denn die Regierung, oder auch die Universitäten stellen diese 'innovativen Fächer' in den Fokus und stellen diesen ein höheres Budget zur Verfügung."

    Was jedoch an den dänischen Hochschulen spürbar ist: Man lernt und lehrt hier gerne. Die Identifikation mit der jeweiligen Universität ist stärker - meint Garabed Antranikian, Präsident der Technischen Universität Hamburg Harburg:

    "Was ich sehr gut fand, ist die Atmosphäre, das Wir-Gefühl der Hochschule ist anders. Sie sind gerne da. Und was ich gemerkt habe, ist, dass man überall eine Art Kommunikationsinseln hat. Wo die Studierenden sitzen können und auch tolle Möbel haben und sich auch wohlfühlen."