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Von den Spielen lernen?

Noch ein Monat ist es bis zur Vergabe der Olympischen Winterspiele 2018. Der Bewerber München benötigt mehr Rückenwind auch im eigenen Land. Die Münchner hatten ein Themenheft für die Schule drucken lassen. 3000 deutsche Gymnasien und 1000 Gesamtschulen sollten für ihre Schüler je zwei Broschüren bekommen.

Von Daniel Drepper | 05.06.2011
    Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle hatte das Heft Anfang Februar vorgestellt. Spaenle ist auch Vorsitzender der Kultusministerkonferenz. Doch was als politische Unterstützung für die Bewerbung Münchens gedacht war, bekam heftige Kritik. Von Instrumentalisierung der Schüler war die Rede und von einer Ansammlung von Werbeslogans. Auf eine kleine Anfrage der Grünen antwortete Minister Spaenle, Bayerns Regierung sehe kein Verstoß gegen das Werbeverbot an Schulen.

    Die Bewerbungsgesellschaft schreibt, sie wolle die Lehrer für die Olympische Idee begeistern. Das Themenheft solle "Appetit machen auf die Spiele", sagt Andreas Höfer. Höfer ist Chef der Deutschen Olympischen Akademie, die seit mehr als 20 Jahren Olympia-Material für Schulen erstellt. Bislang vergleichsweise harmlos und neutral. Wer jedoch die mehr als 100 Sonderseiten zu München 2018 durchblättert, findet kein einziges kritisches Wort zu Olympia. Im Gegenteil. Doping wird oberflächlich behandelt. Politische Abhängigkeiten, Korruption und Kommerzialisierung bleiben außen vor oder werden verzerrt dargestellt.

    Dennoch begrüßt Bayerns Kultusministerium den Einsatz des Heftes. Auf Nachfrage schiebt es die Verantwortung ab: Es sei einzelnen Lehrern ja selbst überlassen, ob und wie sie das Material einsetzen. Klaus Wenzel vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband sieht das anders. Das Ministerium stehe in der Verantwortung, wenn es das Material offiziell unterstützt. Solche interessengeleiteten Informationen würde Wenzel im Unterricht nicht einsetzen.

    In erster Linie als Werbeheft nimmt auch Max Schmidt die Broschüre wahr. Schmidt ist Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbandes, der zweiten großen Lehrervereinigung Bayerns. Schmidt kritisiert, dass ein Unternehmen wie BMW über solche Unterrichtsmaterialien in die Schule hineinzuwirken versuche. Sein Verband möchte verhindern, dass die Schüler instrumentalisiert werden. Sehr kritisch sieht Schmidt deshalb die Unterstützung des Kultusministeriums.

    Inhaltlich bekommt das Heft besonders für die Informationen zum Thema Umwelt Kritik. Es würden Dinge als Fakt hingestellt, die längst wiederlegt seien, sagt Christian Hierneis vom BUND für Umwelt und Naturschutz im Kreis München. Die harte Kritik am Umweltkonzept wird nicht erwähnt. Ebenso verschwiegen wird der Streit mit den Garmischer Grundstücksbesitzern und der enorme zusätzliche Flächenverbrauch, der ja angeblich nur temporär ist. Mit Bildung und Unterricht habe die Broschüre nichts zu tun, sagt Christian Hierneis. Das Heft sei eine Ansammlung von Werbeslogans verpackt in Pseudo-Unterrichtsmaterial.

    Lehrer und Naturschützer kritisieren auch die Rolle von Sponsor BMW. Die Firma beteuert zwar, sie wolle den Kindern nur die Werte des Sports vermitteln. Doch Personen, die an der Erstellung des Materials beteiligt waren, berichten, dass sie Kompromisse zu Gunsten von BMW eingehen mussten. BMW habe das Material komplett finanziert, ohne den Sponsor wäre das Themenheft nicht möglich gewesen. Da habe man auch auf die Wünsche von BMW eingehen müssen.

    Bayerns Regierung hält die Darstellung von Sponsor BMW mit dem Werbeverbot an Schulen für vereinbar. Die Hinweise auf den Sponsor seien im Vergleich zum Umfang des gesamten Heftes zulässig. Reine Produktwerbung sei nicht enthalten. Auch ziele das Heft nicht primär auf die politische Meinungsbildung der Schüler ab. Sportpolitik scheint nicht zur politischen Meinungsbildung zu zählen.

    Wie viel die Broschüre gekostet hat, will Keiner sagen. Das Geld sei laut BMW jedoch zusätzlich zur Unterstützung der Münchner Bewerbung geflossen. Lehrerverbände und Umweltschützer hoffen nun, dass das teuer erstellte Material nicht im Unterricht eingesetzt wird.