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Von der Handarbeit zur Serie: Batterien für Elektroautos

Der Preis sinkt um 20 Prozent, wenn sich die Stückzahl eines Produkts verdoppelt, so heißt eine Faustregel in der Wirtschaft. Dieses Prinzip wollen Ingenieure jetzt auch auf die Batterien für Elektroautos anwenden. Wie weit sie damit sind, zeigt in dieser Woche eine Sonderschau auf der Messe "productronica" in München.

Von Hellmuth Nordwig | 16.11.2011
    Bisher sind erst wenige Tausend Elektroautos in Deutschland unterwegs - schon zum Ende des Jahrzehnts sollen es nach dem Willen der Bundesregierung eine Million sein. Um dem ehrgeizigen Ziel näher zu kommen, muss sich vor allem an der Batterieproduktion etwas ändern. Die geschieht bisher in Kleinserien, sagt Heiner Heimes von der RWTH Aachen.

    "Die Herausforderung besteht darin, die ganze Automatisierungstechnik zu liefern, um eine derartige Größenordnung zu produzieren. Bisher sind bei den kleinen Stückzahlen viele manuelle Tätigkeiten zwischengelagert. Jetzt sind wir dabei, das Ganze auf die hohe Stückzahl zu skalieren."

    Keine einfache Aufgabe. Denn der Weg vom honigartigen Elektrodenmaterial zur fertigen Lithium-Ionen-Zelle und weiter zum kompletten Batteriepack besteht aus rund 60 einzelnen Schritten. Jeder davon muss in einen automatischen Prozess überführt werden. Beispiel 1: die sogenannte Formation der Batteriezelle.

    "Das müssen Sie sich so vorstellen: Wenn man die Batteriezelle produziert hat, muss man der Zelle erst "beibringen", wie sie zu arbeiten hat. Dazu benutzt man ganz bestimmte Spannungszyklen und Zyklen unterschiedlicher Stromstärken, mit denen man die Zelle belastet, und fährt verschiedene Spannungsverläufe ab."

    Das passiert in Gestellen, die an die Bleche im Ofen einer Backstube erinnern, den sogenannten Formations-Racks. Bis vor Kurzem war auch dieser erste Ladezyklus einer Batteriezelle Handarbeit. In Zukunft soll das anders gehen - in einer Simulation kann man bereits dabei sein.

    "Wir sehen, wie die Zellen aus der Zellfertigung, in der besondere Reinheitsklassen eingehalten werden - deshalb sehen Sie das eingehaust - angeliefert werden. Die werden durch eine Schleuse bewegt und von einem Roboter genommen, auf diesen Formations-Warenträger gelegt und dann automatisiert in dieses Formations-Rack gefahren."

    Diese dreidimensionale Computersimulation nennen die Aachener Forscher eine "virtuelle Fabrik". Ein Werkzeug für diejenigen, die ein echtes Werk planen: Sie können dieses schon im Vorfeld optimal auslegen und durchspielen, welche Vor- und Nachteile verschiedene Varianten haben. Die erwähnten Roboter spielen bei den Kleinserien von heute noch keine Rolle. Auch das wird sich ändern Beispiel 2:

    "Man kann sehen: Die Entnahme der Zellen, wie sie angeliefert werden als einzelne Zelle, wie der Roboter diese Zellen nimmt und in dem Modul absetzt."

    Matthias Völkl von der unterfränkischen Firma Reis Robotics hat sich einen der entscheidenden Schritte in der Batterieproduktion vorgenommen: von der einzelnen runden Zelle, die so aussieht wie eine zu groß geratene Batterie für eine Fernbedienung, bis hin zu einem kompletten Modul, so groß wie eine Schreibtischschublade. Mehr als hundert Einzelzellen müssen in dem Modul in Minutenschnelle exakt platziert und miteinander verbunden werden. Völkl:

    "Hier sieht man auch das ganze Modul mit dem Gehäuse, mit den einzelnen Batterien. Die Blechplatten, die die Batterien verbinden, diese Querverschaltungen werden hier verschraubt. Man sieht die Kühlersysteme unten und das Batteriemanagement."

    Mehrere Module werden schließlich zum Batteriepack verbunden, das die Energie für das Fahrzeug liefert. Kaum einer dieser Prozessschritte läuft in der Praxis bisher automatisch ab. Ein paar Dutzend Kleinunternehmen sind in Deutschland auf Einzelschritte spezialisiert und fertigen oft nur für einen Abnehmer. Die Folge, sagt Matthias Völkl:

    "Es haben sich auch noch keine Standards durchgesetzt, weder auf der Zellseite noch auf der Modulseite. Die haben unterschiedliche Größen, unterschiedlichen Leistungen. Dementsprechend auch die Module: zehn Zellen pro Modul, fünfzehn Zellen pro Modul. Genauso das Pack: Mal mehr, mal weniger Module pro Pack, je nachdem, wie man das Auto nachher auslegt."

    Die fehlende Standardisierung können Robotik und virtuelle Fabrikplanung nicht ersetzen. Aber diese Entwicklungen werden dazu beitragen, dass die Batteriefertigung in großem Maßstab möglich wird. Das soll Elektroautos billiger machen und ihnen so zum Durchbruch verhelfen.