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Von Genen und ihren Wirkungen

Nobelpreis. – Für den Nobelpreis in Physiologie und Medizin sind die Väter der Knock-out-Maus nominiert worden. Den drei Forschern Martin Evans, Mario Capecchi und Oliver Smithies ist es zu verdanken, dass man einzelne Gene bei Versuchsmäusen gezielt abschalten kann, und diese Genabschaltung auch vererbt wird. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide ordnet die ausgezeichneten Arbeiten im Gespräch mit Grit Kienzlen ein.

08.10.2007
    "”I just am delighted that the work has been recognised in this way.”"

    Ich bin einfach hocherfreut, dass unsere Arbeit auf diese Art und Weise Anerkennung gefunden hat, sagte Oliver Smithies heute früh am Telefon

    "”What am I doing today? I am gathering my thoughts and then I am trying to go to work.”"

    Ja, was mache ich heute? Ich versuche mich zu sammeln, und dann gehe ich wohl zur Arbeit ins Institut, sagte Mario Capecchi.

    "”Absolutely delighted. This is the peak achievement of my career. At the moment I am not at the university. I have got a day of leave, and I am helping clear up my daughter’s house.”"

    Ich bin hocherfreut. Dies ist die größte Errungenschaft meiner Karriere. Im Moment bin ich nicht in der Universität, wenn ich habe Urlaub genommen und Hälfte meiner Tochter, ihr Haus aufzuräumen, so Sir Martin Evans.

    Kienzlen: Was haben die Forscher gemacht?

    Winkelheide: Ja, 1989 gab es die erste Knock-out-Maus. Aber bis dahin mussten viele Einzelprobleme gelöst werden. Und die drei Forscher haben unabhängig davon eben Schlüsselprobleme gelöst, damit man überhaupt so ein Säugetier schaffen kann, was gezielt genetisch veränderte ist.

    Kienzlen: Wie ist denn genau dieser Schritt zum Säugetier gelungen? Denn genetische Veränderungen gab es ja davor schon, zum Beispiel an einzelnen Zellen, oder auch an Bakterien.


    Winkelheide: Ja, es gab sie vor allen Dingen an Bakterien und an Pflanzen. Die Grundlagen gelegt hat eigentlich Sir Martin Evans von der Cardiff University. Und er dachte sich, wie schaffe ich, dass ich tatsächlich eine Maus hinbekomme, die in allen Fällen die neue genetische Erbinformation trägt. Und er hat zunächst mit Krebszellen gearbeitet, die sehr variabel sind, aus denen viele verschiedene Zelltypen werden können. Aber er hat gemerkt, da kommt er nicht weiter, und da fand er plötzlich Zellen, die so ähnlich aussehen wie diese embryonalen Krebszellen, nämlich die embryonalen Stammzellen bei der Maus, also aus einem sehr frühen Embryo. Und er hat Möglichkeiten gefunden, diese Zellen zu beschreiben, sie in Kultur zu halten, und er hat auch schon die ersten Versuche gemacht, diese Zellen genetisch zu verändern, mithilfe von Viren. Und er hat dann ganze Organismen bekommen, also ganze Mäuse, die auch tatsächlich genetisch verändert waren. Aber er merkte natürlich sehr schnell, wenn man ein Virus nimmt, um zusätzliche Erbinformation irgendwo hinein zu tun, dann baut das Virus das ziemlich zufällig irgendwo ein. Und man überlässt einfach viel zu viel dem Zufall. Und das war natürlich ein großes Problem.

    Kienzlen: Noch einmal zurück, bevor wir mit einem Virus anfangen. Also der hatte erst einmal Stammzellen, und die hat er verändert. Und wie wurde daraus eine Maus?

    Winkelheide: Evans hat diese Stammzellen verändert und hat sie dann wieder in einen Embryo gegeben, in einen Mäuseembryo, der bislang aus wenigen Zellen bestand. Das Ganze hat er einer Leihmutter-Maus sozusagen eingepflanzt, die hat Junge geworfen, und die Mäuse trugen dann zum Teil Zellen zum Teil mit den neuen genetischen Informationen und zum Teil eben in anderen Geweben die normale Information. Und dann hat er diese Mäuse, der Nachkommen genommen und gekreuzt und hat geguckt, welche Maus hat das tatsächlich so eingebaut in die Keimbahn, dass sie diese Erbinformation von Generation zu Generation weitergeben kann. Also, wie lässt sich eine stabile Linie von Mäusen mit der neuen genetischen Informationen herstellen. Und dieser Nachweis ist ihm gelungen, und vor allen Dingen der Nachweis, dass man dazu embryonalen Stammzellen braucht.

    Kienzlen: Und die Voraussetzung dafür war aber, da muss man eben diese Zellen, diese embryonalen Stammzellen gezielt verändern. Auch das war ein Fortschritt?

    Winkelheide: Auch das war ein Fortschritt, aber das war ein Problem, mit denen sich vor allen Dingen Mario Capecchi beschäftigt hat. Und er wusste, wenn man Zellen verändert und man benutzt Viren dazu, dann wird die Information sehr zufällig eingebaut. Und er hat unabhängig von Oliver Smithies eben auch sich überlegt, gibt es nicht einen Mechanismus, den man nutzen kann, um eine gezielte Veränderung herzustellen. Und er fand eben diesen Mechanismus der homologen Rekombination, den Menschen normalerweise brauchen, wenn sie Spermien und Eizellen herstellen, dann wird die Erbinformation zwischen dem väterlichen und die mütterlichen Erbgut ausgetauscht und sie wird neu eingebaut. Und er hat dann eben künstliche Erbinformation in diese Zellen hinein gegeben, und die konnten dann nachweisen, dass sie tatsächlich dann auch ausgetauscht waren. Die neue Information gegen die alte Information, und damit hatte man einen Weg gefunden, wie man das sehr gezielt machen kann. Und zusammen mit den Erkenntnissen eben von Martin Evans konnte man daraus und dann tatsächlich ganze Organismen herstellen und züchten, die neue genetische Informationen tragen, und das war dann der Durchbruch.

    Kienzlen: Kurz zum Abschluss: Herr Smithies, was hat der gemacht?

    Winkelheide: Er hat eben auch die homologe Rekombination genutzt und wollte das eigentlich benutzen, um defekte Erbinformation zu korrigieren. Nachher hat er gesehen, dass es sich vielfältig nutzen lässt und hat damit Modelltiere geschaffen, um damit Modelle zu finden für menschliche Krankheiten, um einen Zusammenhang zwischen einem gehen, oder einem defekten gehen und einer Krankheit, dann tatsächlich auch experimentell zu belegen.
    Medizin-Nobelpreisträger Martin J. Evans von der Cardiff University
    Medizin-Nobelpreisträger Martin J. Evans von der Cardiff University (AP)
    Medizin-Nobelpreisträger Oliver Smithies
    Medizin-Nobelpreisträger Oliver Smithies (AP)