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Von Klaeden: Obamas Ansatz ist eine große Chance

Eckart von Klaeden, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, wertet Barack Obamas Worte in Richtung islamischer Welt als große Chance. Im israelisch-palästinensischen Konflikt sei die Position seiner Partei klar: der israelische Siedlungsbau behindere eine Zwei-Staaten-Lösung.

Eckart von Klaeden im Gespräch mit Stefan Heinlein | 05.06.2009
    Stefan Heinlein: "Salam Aleikum", der Friede sei mit euch – so die ersten Worte der Obama-Rede in Kairo und so auch die Botschaft des US-Präsidenten an die arabische Welt. Eine Rede, die schon jetzt von vielen Seiten als historisch eingestuft wird, als eine Zäsur der US-amerikanischen Außenpolitik. Toleranz, Dialog und Zusammenarbeit, in Abkehr vom ideologisch geprägten Anti-Terror-Kampf seines Amtsvorgängers George Bush. International weitgehend positive Reaktionen, in den USA dagegen auch kritische Töne.
    Am Telefon in Berlin nun der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Eckart von Klaeden. Guten Morgen!

    Eckart von Klaeden: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: In den US-Medien also Kritik und Lob für Barack Obama. Halten sich auch bei Ihnen Hoffnung und Skepsis die Waage?

    von Klaeden: Was die Rede angeht, finde ich, ist die Kritik aus den Vereinigten Staaten nicht nachzuvollziehen. Ich finde, die Rede ist ein beeindruckendes Beispiel für "public diplomacy". Sie ist brillant formuliert. Sie ist ohne Zweifel eine große Rede und ich hoffe sehr, dass wir in einiger Zeit auch sagen werden, dass sie eine historische Rede ist. Das hängt allerdings davon ab, was ihr folgt und insbesondere wie die islamische, wie die muslimische Welt auf die Rede reagiert, ob sie das aufrichtige Angebot des amerikanischen Präsidenten zum Dialog, zur Kooperation, zur Partnerschaft mit dem Westen erkennt und annimmt.

    Heinlein: Markiert diese Rede aus westlicher Sicht aber bereits eine historische Zäsur im Verhältnis zur arabischen Welt?

    von Klaeden: Das, was der amerikanische Präsident gesagt hat – er hat den Koran zitiert, er hat zuvor ja auch schon als erstes Interview in seiner Amtszeit El Arabia ein Interview gegeben, er hat die arabische Hochkultur gewürdigt -, das sind alles Dinge, die sein Vorgänger auch getan hat. Was aber bemerkenswert ist, ist, dass er das mit einer wesentlich größeren Glaubwürdigkeit tun kann, weil er selber über muslimische Vorfahren verfügt und auch eigene Erinnerungen an seine Kindheit im größten muslimischen Land der Welt, in Indonesien hat. Deswegen, glaube ich, liegt für uns alle eine große Chance in diesem Ansatz und auch in der Person des amerikanischen Präsidenten.

    Heinlein: Ist es nur die Glaubwürdigkeit, die Obama von George Bush, seinem Amtsvorgänger unterscheidet, oder sind es nicht auch tatsächlich Inhalte, die diesen Unterschied ausmachen?

    von Klaeden: Nein, es sind auch Inhalte. Jeder amerikanische Präsident, jede neue Administration steht ja geradezu in der Pflicht, die Beziehungen zu solchen Ländern zu verbessern, zu denen sie in den letzten Jahren schlecht gewesen sind. Das gilt für Iran; auch dem Iran hat der amerikanische Präsident in dieser Rede ein Dialogangebot ohne Vorbedingungen gemacht. Er hat insgesamt auf den Wechsel, auf den Kreislauf, auf die wechselseitige Eskalation von Misstrauen hingewiesen. Dieser Neuanfang, dieses Angebot ist nicht nur rhetorisch, sondern es ist auch inhaltlich begründet, aber es hängt wesentlich immer auch davon ab, ob es angenommen wird. Dazu gehört unter anderem, dass die islamische Welt den weit verbreiteten Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem Westen überwindet, dass auch die traditionellen konservativen Kräfte in der islamischen Welt ihren Frieden mit der Moderne machen. Darauf hat er, finde ich, in beeindruckender Weise hingewiesen, als er übers Recht der Frauen sprach, in der islamischen Welt selbst zu bestimmen, welchem Rollenbild sie folgen wollen. Wichtig ist zudem, dass die ganz überwiegende Mehrheit in der islamischen Welt erkennt, dass die eigentliche Gefahr auch für sie vom islamischen Extremismus ausgeht und dass danach auch gehandelt wird. Diese Rede, glaube ich, ist ein guter Anfang für eine solche Politik und gerade die aggressiven Reaktionen der Extremisten der Hamas, der Taliban, von El Kaida zeigen ja, dass sie die Sorge haben, dass die bisherige Instrumentalisierung der amerikanischen Politik für ihre Zwecke in der islamischen Welt ihnen jetzt wohl schwerer fällt, und das wäre schon ein großer Erfolg.

    Heinlein: Ist das aber, was Sie jetzt gerade sagen, Herr von Klaeden, nicht ein Beispiel für die negativen Stereotypen über den Islam, über die arabische Welt, die Barack Obama in seiner Rede gestern ganz klar und deutlich kritisiert hat?

    von Klaeden: Die Haltung von Hamas, von Taliban und von El Kaida sind ja keine Stereotypen, sondern das sind ja Tatsachen, aber man darf sie eben nicht mit der islamischen Welt insgesamt identifizieren. Das ist aber auch schon lange unsere Politik und unsere Ansicht. Wir haben ja immer abgelehnt – und das hat übrigens auch die Vorgängeradministration getan -, die Auseinandersetzung als einen Kampf der Kulturen zwischen der islamischen und der westlichen Welt zu sehen, sondern wir haben uns von Anfang an als Verbündete der moderaten Kräfte der ganz überwiegenden Mehrheit in der muslimischen Welt gesehen, mit denen wir gemeinsam gegen Extremismus und Terrorismus kämpfen.

    Heinlein: Also der Kampf der Kulturen ist endgültig auch für die CDU/CSU beendet?

    von Klaeden: Wir haben ihn nie geführt!

    Heinlein: Aber gibt es nicht gerade in Ihrer Partei Formen einer Art Islam-Phobie, die Religion als eine Art Feindbild im Kontrast zur christlichen Wertegemeinschaft, die gerne von Ihnen und anderen Parteifreunden in vielen Parteitags- und Wahlkampfreden betont wird?

    von Klaeden: Da würde ich gerne mal einen Beleg dafür sehen. Ich halte diese Annahme für völlig abwegig. Wenn Sie sich zum Beispiel mal vor Augen führen, dass der erste Innenminister, der eine Islam-Konferenz einberufen hat, der christdemokratische Innenminister Wolfgang Schäuble ist, oder wenn Sie überlegen, dass die erste Regierungschefin, die Guantanamo kritisiert hat, die Bundeskanzlerin gewesen ist ...

    Heinlein: Wird die Bundeskanzlerin denn künftig auch in ihren Reden Koran-Zitate verwenden, wie es Barack Obama gestern gemacht hat?

    von Klaeden: Nun bin ich nicht ihr Redenschreiber, aber ich kann mir das durchaus vorstellen, genauso wie er es ja auch getan hat. Er hat aus der Bibel zitiert, er hat aus dem Talmud zitiert, er hat aus dem Koran zitiert und die großen Gemeinsamkeiten dieser abrahamitischen Religion wird ja auch von uns immer wieder betont.

    Heinlein: Kann denn eine Partei, die das C im Namen trägt, mit islam-freundlichen Worten Wahlen in Deutschland gewinnen?

    von Klaeden: Selbstverständlich und wir haben ja auch immer wieder deutlich gemacht, dass das C für uns heißt, dass wir auf der Grundlage des jüdisch-christlichen Menschenbildes Politik machen und dazu alle einladen, die sich diesem Menschenbild verpflichtet fühlen. Das gilt auch für die Muslime, die in Deutschland leben.

    Heinlein: Aber "Salam Aleikum", der Friede sei mit euch, das habe ich von Angela Merkel noch nie gehört.

    von Klaeden: Na warten wir's mal ab. Ich finde auch, dass sie in der Art und Weise, wie sie selber spricht, jetzt nicht versuchen sollte, den amerikanischen Präsidenten zu kopieren, aber das Dialogangebot, dass sie zum Beispiel Integrationsbeauftragte vom Innenministerium ins Kanzleramt geholt hat, die Islam-Konferenz, das sind doch alles beeindruckende Beispiele für die Dialogbereitschaft, für die Integrationsbereitschaft, für den Integrationswillen gerade auch der CDU und der von Angela Merkel geführten Bundesregierung.

    Heinlein: Barack Obama scheint ja nun fest entschlossen, Herr von Klaeden, das Verhältnis zu Israel kritisch zu hinterfragen, um langfristig den Nahost-Konflikt damit lösen zu können. Wird die Bundesregierung diesen Weg ebenso entschlossen mitgehen?

    von Klaeden: Die Bundeskanzlerin hat ja immer wieder deutlich gemacht, dass sie für die Lösung des Nahost-Konflikts als einzige Möglichkeit die Zwei-Staaten-Lösung sieht, und hat das gegenüber beiden Seiten auch immer wieder betont. Gerade im Nahost-Konflikt, glaube ich, gibt es eine ganz große Übereinstimmung zwischen der jetzigen Administration und der Bundesregierung.

    Heinlein: Wird die Kanzlerin schon heute so wie Obama klar und deutlich ein sofortiges Ende des israelischen Siedlungsbaus fordern?

    von Klaeden: Ich bin ja jetzt kein Hellseher und was die Bundeskanzlerin sagen wird, das müssten Sie am besten sie selber oder den Regierungssprecher fragen.

    Heinlein: Würden Sie es denn begrüßen, wenn sie es so sagen würde?

    von Klaeden: Wir haben von Anfang an deutlich gemacht – und das ist auch die Position der Bundesregierung und auch die Position meiner Partei und meine persönliche Position -, dass der Siedlungsbau gestoppt werden muss und dass der Siedlungsbau ein großes Hindernis für eine Zwei-Staaten-Lösung ist. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.

    von Klaeden: Bitte sehr! Tschüß, Herr Heinlein.