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Von Räubern und Recordern

Im Jahr 1991 schlossen die Bundesländer den "Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland" ab, in dem sie die rechtlichen Vorgaben für den Rundfunk und die elektronischen Medien niederlegten. Zwölf Änderungsverträge hat es seit dem gegeben. Die 12. Änderung wurde notwendig, weil die Europäische Kommission verlangt, dass sich die Medienlandschaft in Deutschland stärker an europäischen wettbewerbsrechtlichen Vorgaben orientiert.

Von Frank Olbert | 08.11.2008
    Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird im Mai 2009 in Kraft treten und er soll vor allem die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender regeln. Bereits im Vorfeld hatten Hörbuchverlage eine Einschränkung der Downloadmöglichkeiten von Hörspielen gefordert. Seit zwei Jahren bieten die Sender einzelne Produktionen befristet zum Download an. Anfang diesen Jahres legte der Westedeutsche Rundfunk seiner Programmzeitschrift ein besonderes Gimmick bei: Eine CD-ROM mit einer Radiorecorder-Software. Ich habe WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz dazu befragt.
    Herr Schmitz, der "WDR-Radiorecorder" hat mich an alte Zeiten erinnert, als ich meine Lieblingssendungen mit dem Kassettenrecorder mitschnitt. Was hat es damit auf sich?
    Der Radiorecorder ist genau das, nämlich der Kassettenrecorder für die digitale Welt. Es ist eine Software, die man so programmieren kann, dass sie die Lieblingssendung, die als Livestream des WDR im Internet läuft, mitschneidet. Integriert ist ein Programmüberblick, insofern ist dieser Radiorecorder natürlich komfortabler als der analoge Vorgänger.
    Seitens der Hörbuchverlage ist Kritik laut geworden, was die Verbreitung von Hörspielen im Internet betrifft. Wo liegt denn das Problem?
    Was den "WDR-Radiorecorder" betrifft, kann ich das Problem nicht sehen, denn es gibt ja bei allen Fragen des Urheberrechtes und des Urheberschutzes, die wir sehr respektieren, immer schon das recht auf Privatkopie. Jeder darf sich für den eigenen, privaten Gebrauch eine Aufzeichnung machen. So funktioniert ja auch der Videorecorder in Bezug auf das Fernsehen. Nichts anderes ist der Radiorecorder.
    Warum macht der WDR als öffentlich-rechtlicher Sender das überhaupt?
    Wir machen das deshalb, weil wir die Erfahrung machen, dass die Menschen immer stärker von uns erwarten, Radio zeitunabhängig nutzen zu können.
    Was bedeutet der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nun in diesem Zusammenhang?
    Es wird so sein, dass wir künftig alle unsere Radioangebote im Internet sieben Tage lang zur Nutzung werden anbieten dürfen. Das betrifft die Angebote, für die wir die Rechte haben. Das ist mir wichtig zu sagen. Wir reden jetzt nicht mehr von der Nutzung im Vorhinein, wie das beim Radiorecorder der Fall ist, den man vor Ausstrahlung der Sendung programmieren muss. Es geht hier darum, was nach der Ausstrahlung verfügbar ist, entweder "on demand", also im Computer oder als Download auf mein Audiogerät.
    Mein Handy ist zugleich Walkman und Radio. Welche Chancen haben da Formate wie Hörspiel oder Feature?
    Ich glaube, dass die hochwertigen Formate eine große Chance haben. Wir erleben eine sehr dynamische Entwicklung des Internet-Radios. Es gibt weit über 10.000 Angebote dort. Das stellt uns als öffentlich-rechtliche Anbieter vor das Problem, wie wir noch auffindbar bleiben. Es wird künftig für jedes Spezialinteresse einen eigenen Kanal geben. Was uns unterscheiden wird, ist unsere herausragende Qualität. Da haben wir die Chance in dieser digitalen Welt sozusagen Leuchtturm zu sein.
    Können Sie denn die Kritik der Hörbuchverlage am öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachvollziehen?
    Wir arbeiten ja mit den Hörbuchverlagen sehr lange und sehr vertrauensvoll zusammen. Wir haben das gleiche Ziel, nämlich möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, dass es toll ist, Audioprodukte zu hören. Die Kritik bezieht sich auf die Befürchtung, dass die Möglichkeit verschlossen wird, unsere hochwertigen Produktionen wie Hörspiele und Lesungen, nach der Ausstrahlung im Radio und der Bereitstellung im Internet noch zu vermarkten, dadurch dass wir gewissermaßen unsere Produktionen verschenken. Das haben wir aber gar nicht vor. Erstens werden die Angebote auf sieben Tage beschränkt sein und wir haben natürlich ein großes Interesse daran, dass aufwändig produzierte Geschichten nicht nach diesen sieben Tagen verschwinden, sondern dass sie auf dem Markt über Jahre Menschen zugänglich bleiben. Es ist ohnehin nur ein kleines Segment aus dem großen Produktionsvolumen des WDR, das wir im Internet anbieten wollen und das beschränkt auf sieben Tage. Insofern sehe ich die Kritik der Verlage mit ein bisschen Verwunderung, weil sie eigentlich wissen müssten, dass wir dieses hochwertige Material nicht ausverschenken. Ich würde mit wünschen, dass wir gemeinsam Phantasie entwickeln, wie wir der Piraterie, die es auf diesem Gebiet gibt, ein paar Schranken einziehen können, denn das betrifft uns gemeinsam.