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Von Syrien in die Bundesliga
Hazem Naw und der Traum vom Tennisprofi

Bei Rot-Weiß Köln rufen sie ihn nur Hans: Hazem Naw kam als 17-jähriger Flüchtling aus Syrien nach Deutschland. In seiner Heimat zählte er zu den besten Tennisspielern seines Jahrgangs. Anderthalb Jahre später schlägt er in Tennis-Bundesliga für den Traditionsverein auf und hat Großes vor.

Von Michael Borgers | 11.08.2019
Tennisspieler Hazem Naw vom Bundesligisten Rot-Weiß Köln
Hazem Naw träumt von einer Karriere als ATP-Profi (Deutschlandradio / Michael Borgers)
"Die Matches starten direkt jetzt im Anschluss."
Es ist der sechste Spieltag der Ersten Bundesliga der Tennis-Herren. Kölns Traditionsverein Rot-Weiß empfängt Vorjahresmeister Mannheim.
"Auf Center Court zwei, das Match zwischen Hazem Naw und Andi Beck."
Aufgewachsen in Aleppo
Hazem Naw ist der einzige Spieler, der an diesem Tag aufschlagen wird, ohne Platzierung in der Weltrangliste. Sein Gegner, Andreas Beck, stand dort einmal auf Rang 33 und hat seine Karriere eigentlich schon beendet, kämpft nur noch um Bundesliga-Punkte. Naw dagegen steht am Anfang. Aufgewachsen ist er in Aleppo, wo sein Vater Tennistrainer ist.
Er selbst steht schon früh auf dem Tennisplatz, feiert als Kind und Jugendlicher erste Erfolge. Doch irgendwann sei das angesichts des Bürgerkriegs nicht mehr möglich gewesen.
"Wir haben in Syrien seit Ende 2014 keinen Platz mehr."
Um sich seinen Traum vom Tennisprofi zu erfüllen, müsse er Syrien verlassen, habe ihm sein Vater geraten. Und auch: um überhaupt zu überleben. Hazem Naw folgt dem Ratschlag. Weil er zu den besten Spielern seines Jahrgangs in Asien gehört, darf er an den French Open der Junioren teilnehmen. Bei dem Turnier hat er keinen Erfolg, entscheidet sich aber im Anschluss, in Deutschland Asyl zu beantragen.
"Unglaublich gut" integriert
Vor anderthalb Jahren erst, damals ist er 17, kommt er nach Deutschland. Ein bereits anerkannter Flüchtling bei Rot-Weiß Köln bekommt das mit und wendet sich an Anish Pulickal, einen ehemaligen Sozialarbeiter. Der hilft Naw bei der Eingewöhnung in Köln.
"Ich hab mit vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gearbeitet, und bei ihm war’s, durch den Sport allein schon, dass er 'ne Routine hat, dass er Ehrgeiz hat, Kämpferwillen, und, ja, auch in anderer Hinsicht, bildungsmäßig; dass er die Schule zu Ende macht, Abitur macht."
Naw lernt schnell Deutsch und besucht die Schule, etwas, das am Ende seiner Zeit in Aleppo nicht mehr möglich ist.
"Und da arbeitet er in jeglicher Hinsicht dran, und fokussiert sich mehr und mehr auf Tennis."
Der Verein unterstützt ihn dabei, auch mit den Mitteln einer eigenen Initiative für Kinder und Jugendliche; eine Mitgliedsfamilie nimmt ihn zwischenzeitlich sogar bei sich auf.
"Ja, das ist schon bemerkenswert, welche Leistungsentwicklung er hier genommen hat und wie er sich integriert hat, das ist schon ungewöhnlich. Ungewöhnlich gut", sagt Vereinssprecher Stephan Frings, während er mit einer Kamera mit riesigem Teleobjektiv Bilder des Heimdebütanten macht.
Mitspieler nenne ihn "Hans"
Aktuell belegt Hazem Naw, den sie bei Rot Weiß Köln "Hans" nennen, Platz 59 in der deutschen Herrenrangliste. Überhaupt scheint sein Fall ein besonderer zu sein. Zu vergleichbaren Geschichten von Flüchtlingen kann der Deutsche Tennis Bund keine Auskunft geben. Und Hazem Naw ist nicht nur sportlich erfolgreich und gut integriert, er kann seinem Verein nun auch mit Punkten danken.
Den ersten Satz beim Heimspiel gewinnt der Neuling überraschend deutlich, verliert den zweiten aber noch schneller gegen seinen routinierten Gegner. Die Entscheidung muss im sogenannten "Champions-Tiebreak" fallen – und wird zur Nervenschlacht vor nun auch vollen Zuschauerrängen – die Partie auf dem Nebenplatz ist vorbei. Auch Anish Pulickal, den Naw seinen "Bruder" nennt, fiebert mit:
"Auf jetzt! Hazem! Aller guten Dinge sind drei, dritter Matchball." Doch auch den vergibt Naw – um es im vierten Anlauf zu schaffen: Mit 16:14 holt er Satz und Sieg.
"Also, ich fühle mich jetzt unnormal. All die Leute hier, die Unterstützung war unglaublich. Das ist jetzt zu viel für mich. Auch der Sieg, ist etwas Besonderes."
Das nächste Ziel von Hazem Naw: Punkte auf der ATP Tour sammeln bei den Profis. Und dabei vielleicht noch auf Roger Federer treffen, sein großes Idol.