Vor 100 Jahren

Das Ende von Deutsch-Samoa

Blick auf Apia - Samoa, 2014
Blick auf die Hauptstadt Apia - Samoa ist seit 1962 ein selbstständiger Inselstaat im Südpazifik. © picture alliance / Karl-Heinz Eiferle
Von Ulli Weissbach · 29.08.2014
1899 einigten sich die drei konkurrierenden Kolonialmächte Deutschland, Amerika und Großbritannien über eine Aufteilung Samoas, bei der West-Samoa an Deutschland fiel und am 1. März 1900 offiziell deutsche Kolonie wurde. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges war es dann schon wieder vorbei mit Deutsch-Samoa.
Weiße Tropenhelme, blaue Uniform mit Wickelrock statt Hose, Sandalen und stramme Waden im Gleichschritt: So marschierte die "Samoa Police Band" schon vor über hundert Jahren durch Samoas Hauptstadt Apia. Damals, als Samoa noch eine Musterkolonie war, die Perle in der Krone des deutschen Kolonialreiches.
Heute ist Samoa ein selbstständiger Inselstaat im Südpazifik mit rund 190.000 Einwohnern, die dem polynesischen Kulturkreis angehören. Aber die Police Band marschiert noch immer jeden Morgen um neun, in der Uniform der "Kaiserlichen deutschen Polizeitruppen in Übersee", die Beach Road entlang.
Lange bevor Samoa deutsche Kolonie wurde, dominierte die "Deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft" den Anbau von Kokospalmen und den Handel mit dem Kokosnussprodukt Kopra im Pazifik. Das Imperium der DHPG, respektvoll nur "die Firma" genannt, erstreckte sich über die ganze Südsee. 1899 einigten sich die drei konkurrierenden Kolonialmächte Deutschland, Amerika und Großbritannien über eine Aufteilung Samoas, bei der West-Samoa an Deutschland fiel und am 1. März 1900 offiziell deutsche Kolonie wurde. An ihrer Spitze stand Dr. Wilhelm Solf, ein hochrangiger Politiker aus Berlin. Die Cyclopedia of Samoa, die 1907 erschien, schreibt:
"Dr. Solf tut eine ganze Menge, um das alte Vorurteil zu zerstören, die Deutschen seien keine guten Kolonisatoren. In vieler Hinsicht ist dies eine Modell-Kolonie."
Nach Ansicht der meisten Historiker - und auch der Samoaner - zählte diese Zeit tatsächlich zu den ersprießlichsten und glücklichsten Epochen der samoanischen Geschichte. Ersprießlich, weil die Samoaner ihre Ländereien behalten durften und am Verkauf der Produkte ihrer Plantagen verdienten. Glücklich, weil sie nicht zur Arbeit gezwungen wurden und weil sie ihren geruhsamen Lebensstil, das sogenannte Fa'a Samoa, weiterführen durften. Für die harte Plantagenarbeit holten die Deutschen Kulis aus ihrer damaligen chinesischen Kolonie Qingdao ins Land, die auch als Bauarbeiter dienten. In nur 14 Jahren Kolonialzeit entstand so die gesamte Infrastruktur des heutigen Samoa: hunderte Kilometer an Straßen, über 300 Schulen, mehrere Krankenhäuser, Hafen und Wetterstation und das erste Telefonnetz.
Keine Anzeichen der Ausbeutung
Misa Telefoni Retzlaff ist ein samoanischer Enkel des Kolonialbeamten Erich Retzlaff, der in Apia die ersten Telefonleitungen verlegte. Seitdem tragen er und seine Familie stolz den Beinamen Telefoni. Er war bis 2011 stellvertretender Premierminister und hat sich intensiv mit der deutschen Kolonialpolitik beschäftigt:
"Es gab nie ein Anzeichen für Ausbeutung. Kein Anzeichen, dass Deutschland was aus Samoa rausholen wollte. Es wurden nur die allerbesten Leute hergeschickt. Die beiden Gouverneure Solf und Schultz waren beide Jura-Doktoren, beide gehörten also zur Elite. Die Tatsache, dass Schultz nach seiner Rückkehr nach Berlin beinahe Außenminister geworden wäre, ist doch ein Zeichen für das Kaliber der Leute, die man uns geschickt hat."
Deutsche Kolonialverwaltung ergab sich kampflos
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges war es dann schon wieder vorbei mit Deutsch-Samoa. Am 29. August 1914 besetzten neuseeländische Truppen, stellvertretend für Großbritannien, die Inselgruppe. Die Beamten der deutschen Kolonialverwaltung ergaben sich kampflos, um Blutvergießen unter ihren "Schutzbefohlenen", den Samoanern, zu vermeiden. Erst 1962 sollte der Inselstaat unabhängig werden.
Tamasese Efi ist heute das Staatsoberhaupt von Samoa. Er hat in Deutschland studiert und ist ein Liebhaber deutscher Literatur und Musik.
"Die Deutschen kamen erst spät ins koloniale Spiel und wollten sich als globale Macht etablieren. Sie waren entschlossen, ein Paradestück abzuliefern, ihre Visitenkarte als gute Kolonialherren. Und wir waren die Nutznießer von etwas ganz Außergewöhnlichem."
Wiederbelebung der deutsch-samoanischen Beziehungen
Im vergangenen Jahr war Tamasese Efi auf Staatsbesuch in Deutschland und schlug eine Wiederbelebung der ehemals so engen deutsch-samoanischen Beziehungen vor. Aber er ist sich nicht sicher, ob die Deutschen sich gern an ihre Kolonien erinnern.
"Ich denke es ist ein Fehler, dauernd von diesem Schuldbewusstsein besessen zu sein. Ob Ihr wollt oder nicht, wir teilen diese Geschichte, und eine Menge davon ist wunderschön."
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