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Vor 100 Jahren
Die Gründung der USPD

Am 6. April 1917 wurde in Gotha die "Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands" ins Leben gerufen. Damit fand ein heftiger parteiinterner Konflikt innerhalb der SPD einen Abschluss. Doch der kometenhafte Aufstieg der USPD endete bereits im Herbst 1920, als die Partei wiederum an inneren Gegensätzen zerbrach.

Von Volker Ullrich | 06.04.2017
    Der Jurist und Politiker Karl Liebknecht nach einer Kohlezeichnung von Gerhard Augst geboren 1871.
    Karl Liebknecht - neben Hugo Haase war auch er einer der konsequenten Kriegsgegner in der SPD. (picture-alliance / dpa)
    "Wohlan, wer Recht und Wahrheit achtet/ zu unserer Fahne stehe allzuhauf (...)"
    Im Mai 1875 kamen im "Volkshaus" im thüringischen Gotha Vertreter der beiden sozialdemokratischen Richtungen, der "Lassalleaner" und der "Eisenacher", zu ihrem Vereinigungsparteitag zusammen. 42 Jahre später, am 6. April 1917, fanden sich am selben Ort wieder Sozialdemokraten ein, diesmal jedoch nicht, um die Einheit der Partei zu bekräftigen, sondern um eine neue Organisation zu gründen: die "Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland" – die USPD. Die Spaltung der Sozialdemokratie hatte sich lange angekündigt. Am 4. August 1914 hatte die SPD im Reichstag der Bewilligung der Kriegskredite zugestimmt. Im Namen seiner Fraktion erklärte der Parteivorsitzende Hugo Haase:
    "Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das Vaterland nicht im Stich."
    Damit war besiegelt, was man damals "Burgfrieden" nannte: die Stilllegung der innenpolitischen Konflikte im Zeichen einer neuen nationalen Einmütigkeit. Doch je länger der Krieg dauerte und je beschwerlicher der Alltag auch an der "Heimatfront" wurde, desto stärker regten sich wieder Unzufriedenheit und Protest. Das war Wasser auf die Mühlen der Opposition in der SPD, die sich schon bald nach Kriegsbeginn zu formieren begonnen hatte.
    "Die deutsche Regierung ist die Hauptschuldige am Kriege"
    Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Erkenntnis, dass die Reichsleitung die Öffentlichkeit über die wahren Ursachen des Krieges getäuscht hatte, das Deutsche Reich sich also keineswegs einer feindlichen Aggression erwehren musste.
    "Die deutsche Regierung ist die Hauptschuldige am Kriege. Wir sind eingeseift worden; die Bewilligung der Kredite war ein Fehler", bemerkte Anfang September 1914 Eduard Bernstein, vor dem Krieg einer der Wortführer des Revisionismus in der SPD, der nun aber wie viele andere ins Lager der Kriegsgegner überwechselte. Am 21. Dezember 1915 stimmten 20 SPD-Abgeordnete im Reichstag gegen die Kriegskredite, was die Fraktionsmehrheit als schweren "Disziplinbruch" verurteilte. Drei Monate später kam es zum offenen Bruch in der Fraktion, als Hugo Haase im Namen der Minderheit den Etat ablehnte. Sein Auftritt war begleitet von Szenen, wie sie das Reichstagsplenum noch nicht erlebt hatte. Darüber berichtete der "Vorwärts", das SPD-Zentralorgan:
    "Alle Tiefen des unheilvollen Parteikonflikts schienen aufgewühlt, alle Gegensätze fanden in einem unerhörten Tumult ihre schrankenlose Entfesselung. Minutenlang war im Saale, weil alles durcheinander tobte, kein Wort zu verstehen, minutenlang bemühte sich der Reichstagspräsident mit drohender Glocke vergeblich um Ordnung und Ruhe."
    Noch am selben Tag wurden 18 Dissidenten aus der Fraktion ausgeschlossen. Das war der Auftakt zur Parteispaltung. Vollzogen wurde sie erst im Januar 1917, als die Führung der Mehrheits-SPD eine Sonderkonferenz in Berlin zum Anlass nahm, um sich endgültig der Opposition zu entledigen. Diese entschloss sich daraufhin, in Gotha eine eigene Partei, die USPD, aus der Taufe zu heben.
    Hoffnungsanker für die hungernden, kriegsmüden Massen
    In der USPD sammelten sich jene Kräfte, die die Burgfriedenspolitik strikt ablehnten und das Völkermorden so rasch wie möglich beenden wollten. Für die hungernden, kriegsmüden Massen wurde die neue Partei zum Hoffnungsanker. Allerdings blieb ihr, auch aufgrund der massiven staatlichen Repression, der große Durchbruch bis zum Kriegsende im Herbst 1918 noch versagt. Das änderte sich jedoch im Laufe des Jahres 1919. Immer mehr von den Ergebnissen der Novemberrevolution enttäuschte Arbeiter wandten sich von der Mehrheitspartei ab und der linken Konkurrenzpartei zu. Doch bereits im Oktober 1920 zerbrach die Partei an der Frage des Anschlusses an die Kommunistische Internationale. Das Gros der Mitglieder wechselte zur Kommunistischen Partei Deutschlands, die dadurch erst zur Massenpartei wurde. Der Versuch, zwischen der Sozialdemokratie und der radikalen Linken eine sozialistische Alternative zu etablieren, blieb eine Episode.