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Vor 100 Jahren wurde der Modeschöpfer Christian Dior geboren

Reporterin, 1955: Christian Dior, der Mann, der 1947 den New Look kreierte und dessen revolutionäre Ideen, die Modewelt ständig in Aufregung halten, wirkt so gar nicht extravagant, eher schüchtern und zurückhaltend, unauffällig gekleidet.

Von Carmela Thiele | 21.01.2005
    Der Modeschöpfer besuchte 1955 zum ersten Mal Berlin. Dior hatte einen umwerfend weiblichen, luxuriösen Stil erfunden, den Filmstars wie zum Beispiel Grace Kelly in "High Society" trugen: lange, weite Röcke mit extrem schmaler Taille und unbetonten - weichen - Schultern. Bis zu 20 Meter Stoff benötigten die Schneiderinnen für solch ein Kleid. Diese Verschwendung des um 1947 noch rationierten Stoffes erregte die Gemüter. In Frankreich rissen Frauen einer Schaufensterpuppe ein Kleid à la Dior herunter, das 40.000 Francs kosten sollte, während sie für ihre Kinder keine Milch hatten. Coco Chanel spottete, Dior würde die Frauen tapezieren und nicht kleiden. In Deutschland kam der von der amerikanischen Presse so genannte "New Look" ein Jahr verspätet an. "Berlins Modeblatt" bemerkte 1948 kritisch:

    In einem Zeitalter, das überall sich bemüht, der Frau Gleichberechtigung zu erkämpfen, macht er aus Frauen hilflose Geschöpfe, deren Wespentaille wie einst aus einer Stoffhülle ragt.

    Für Dior war die Mode in einer Traumwelt angesiedelt, die es ihm ermöglichte, der rauen Wirklichkeit zu entfliehen. Der am 21. Januar 1905 in Granville in der Normandie geborene Christian wuchs in einer wohlhabenden Unternehmerfamilie auf, studierte, komponierte etwas, wurde Galerist und schließlich Redakteur der Modebeilage des "Figaro". Sein Zeichentalent überzeugte den Modeschöpfer Robert Piquet. Und 1942 engagierte ihn Lucien Lelong, der damalige Präsident des französischen Haute-Couture-Verbandes. Lelong hatte verhindert, dass die deutschen Besatzungstruppen die komplette Pariser Haute Couture nach Berlin und Wien verpflanzten. Dafür war er gezwungen, Modenschauen für die deutsche Partei-Elite zu veranstalten. Seine große Chance erhielt Dior, als der Baumwollmagnat Marcel Boussac nach dem Zweiten Weltkrieg ein Modehaus eröffnen wollte und einen kreativen Kopf suchte. Die erste Kollektion Diors hatte weltweit durchschlagenden Erfolg. Sieben Jahre nach dem Debüt des 42-Jährigen konnte Dior in Berlin gelassen die Adaptionen seiner deutschen Kollegen begutachten:

    Dior: Je n’ai pas vu beaucoup des magasins. Mais je suis très interessé de voir le style, tout le adaptions, qui sont faites des modèles, j’ai crée et qui sont achetée des confections de Berlin.
    Ich hatte noch keine Gelegenheit, viele Geschäfte zu besuchen. Aber es interessiert mich sehr, die Adaptionen der Modelle zu sehen, die wir an die Konfektion in Berlin verkauft haben.

    Die Begeisterung für die wippenden Röcke hatte sich auch in der jungen Bundesrepublik durchgesetzt. Die Eleganz seiner A-, H-, und Y-Linie bot das richtige Kontrastprogramm zu der modischen Enthaltsamkeit der Aufbaujahre. Deutsche Frauenzeitschriften hatten sich lange genug nach dem Motto "Aus Alt mach Neu" richten müssen.1949 veranstaltete die Modezeitschrift "Constanze" die erste Dior-Modenschau in Hamburg, bei der ein Entwurf für Marlene Dietrich im Hotel Esplanade sogar polizeilich bewacht werden musste. Das Dior-Imperium wuchs Jahr für Jahr. Bis 1955 entstanden 18 Gesellschaften in fünf Erdteilen. Die deutschen Frauen warteten in jenem Jahr auf die Lizenzproduktion von Diors Y- Linie - also unten eng und oben weiter Ausschnitt. Für sie hatte der Modeschöpfer einen besonderen Rat:

    Dior: Parceque c’est la meilleure facon de se tranformer tout le jour, avec juste quelque robe. Quelques chapeaux suffit de variée notre silhouette. Et a donner à votre charme des aspects tout le jour change.
    Sie sollen nicht vergessen, einen Hut zu tragen. Das ist die beste Art, sich im Laufe des Tages zu verändern. Ein Hut reicht aus, um die Silhouette zu variieren und den eigenen Typ hervorzuheben.

    Christian Dior starb 1957 im Alter von 52 Jahren an einem Herzinfarkt. Noch fünfzig Jahre später steht sein Name für zeitlose Eleganz. Mode ist Ausdruck tief sitzender Gefühle. Wenn sich Frauen im zweiten Jahrtausend wieder an Diors weiblicher Linie orientieren, hat das seine Gründe. Sie haben die Bauch-frei-Mode satt und auch den praktischen Stil, den die Doppelbelastung vieler Frauen erfordert. Mag die Sehnsucht nach gepflegter Schönheit auch noch so groß sein: Die besten Zeiten der Haute Couture sind seit den sechziger Jahren vorbei und ein Phänomen wie Christian Dior wird sich so schnell nicht wiederholen.