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Vor 125 Jahren
Der französische Staatsmann Charles de Gaulle wurde geboren

Kein Staatsmann hat Frankreich im 20. Jahrhundert so sehr geprägt wie Charles de Gaulle. Er gilt als Seele des Widerstands gegen Hitler-Deutschland. Als gewiefter Taktiker bewahrte er außerdem Frankreich im Algerienkrieg vor Militärputsch und Bürgerkrieg. Sein Rücktritt im Jahr 1969 führte dennoch nur zu einem verhaltenen Echo.

Von Peter Hölzle | 22.11.2015
    (L-r): Bürgermeister Paul Nevermann, Charles de Gaulle und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß. Der französische Staatspräsident Charles de Gaulle besuchte am 07.09.1962 die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.
    Charles de Gaulle in Hamburg 1962. (picture alliance / dpa )
    "Ist die Niederlage endgültig? Nein! Denn Frankreich steht nicht allein. Es kann wie England die immense Wirtschaftskraft der Vereinigten Staaten uneingeschränkt nutzen. Dieser Krieg ist durch die Schlacht in Frankreich nicht entschieden. Was immer auch passiert, die Flamme des französischen Widerstands wird nicht erlöschen."
    Mit diesem Aufruf betrat ein Unbekannter die Bühne der Weltpolitik. Er verbreitete ihn am 18. Juni 1940 über den britischen Rundfunk, nachdem einen Tag zuvor die französische Regierung Marschall Pétains bei den Deutschen um Waffenstillstand nachgesucht hatte. Der Niemand, der es wagte, die Franzosen zum Widerstand gegen Nazi-Deutschland aufzurufen, war der am 22. November 1890 im nordfranzösischen Lille geborene General Charles de Gaulle. Er sollte zur Seele des französischen Widerstandes werden. Als er am 26. August 1944 ins befreite Paris einzog, hatte das Land einen neuen Nationalhelden, dem die zunächst provisorische Regierungsmacht in den Schoß fiel.
    Nur ein kurzer Rücktritt
    Freilich nur für kurz, denn am 20. Januar 1946 trat de Gaulle zurück. Der Grund: Streit mit den Parteien um die künftige Gestaltung der Verfassungsorgane. Es sollten über zwölf Jahre vergehen, ehe der im Groll Geschiedene erneut die politische Bühne betrat. Auf einer Pressekonferenz, von der der ARD-Korrespondent Georg Stefan Troller live berichtete, erklärte er am 19. Mai 1958:
    "Ich bin ein Mann allein", sagte de Gaulle, "ich gehöre keiner Richtung, keiner Partei an. Nun, wenn das Volk es will – wie im Jahre 1940 – dann stelle ich mich an die Spitze der Regierung der Französischen Republik."
    Nicht nur das Volk, auch die Parteien wollten seine Rückkehr an die Macht. Wieder sollte er Frankreich retten, dieses Mal vor einem Militärputsch in Algier. Der in der Not Gerufene nutzte die Gunst der Stunde, befriedete Frankreich und beendete den Algerienkrieg.
    Noch im selben Jahr brachte er ein anderes Friedensprojekt zum Abschluss: die Aussöhnung mit dem sogenannten Erbfeind.
    Versöhnung mit dem Erzfeind
    "Wenn (ich) Sie alle so um mich herum versammelt sehe, empfinde ich noch stärker als zuvor das Vertrauen, das ich für Ihr großes Volk, jawohl für das große deutsche Volk, hege. Es lebe Bonn, es lebe Deutschland, es lebe die deutsch-französische Freundschaft."
    Mit diesen Worten begrüßte de Gaulle beim Staatsbesuch am 4. September 1962 die Bonner, die ihn begeistert empfingen. Die Charmeoffensive des Generals bereitete den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag vor, den er am 22. Januar 1963 mit Kanzler Adenauer schloss.
    Das Vertragswerk weckte aber unterschiedliche Erwartungen. De Gaulle wollte Westeuropa mit deutscher Hilfe als dritte Kraft zwischen dem sowjetischen und dem amerikanischen Machtblock positionieren. Daher sein Ausbau einer französischen Atomstreitmacht und sein Rückzug aus der militärischen Kommandostruktur der NATO.
    Daher sein Nein zur Aufnahme Großbritanniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Alles Initiativen, die der bundesrepublikanischen Außenpolitik zuwiderliefen. Kein Wunder, dass de Gaulles Rücktritt nach einem gescheiterten Referendum am 18. April 1969 nur ein schwaches deutsches Echo fand. Außenminister Willy Brandt bemerkte:
    "Auch diejenigen, die in Manchem anderer Meinung waren als dieser Staatsmann von historischem Rang, werden ihm ihren Respekt bewahren."
    Das klang wie ein Nachruf, war es aber noch nicht. De Gaulle starb erst am 9. November 1970. Sein Tod habe Frankreich zur Witwe gemacht, meinte sein Nachfolger Georges Pompidou.