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Vor 125 Jahren erschienen
Maximilian Hardens Zeitschrift "Die Zukunft"

Am 1. Oktober 1892 erschien die erste Nummer der Wochenschrift "Die Zukunft". Das Blatt entwickelte sich zum Sprachrohr seines Gründers und Herausgebers Maximilian Harden. Als wichtiger Journalist und bedeutender Kommentator nahm Harden so Einfluss auf den Verlauf der deutschen Geschichte.

Von Bernd Ulrich | 01.10.2017
    Kaiser Wilhelm II. mit seinen Söhnen. L-r) Kaiser Wilhelm II., Kronprinz Wilhelm, Prinz Eitel Friedrich, Prinz Adalbert, Prinz August Wilhelm, Prinz Oskar und Prinz Joachim in Uniform. (Undatierte Aufnahme). Der letzte deutsche Kaiser wurde am 27. Januar 1859 in Berlin geboren und ist am 4. Juni 1941 in Haus Doorn gestorben.
    Maximilian Harden kommentierte in seiner Zeitschrift "Die Zukunft" oft das Deutsche Kaiserreich. (picture alliance / dpa / Ullstein)
    "Der 'Zukunft' sollte ich ein Geleitwort schreiben, was man so einen Programmartikel nennt, einen tüchtigen, mit voll und ganz und unentwegt, mit 'Was wir wollen' und 'Für Kaiser und Reich'. Ich hab's nicht vermocht; durch eigenen Wert, nicht durch tönender Prologe gestelztes Pathos, sollen diese Blätter sprechen."
    Und das taten sie, wenngleich in einem gewöhnungsbedürftigem Stil. Den pflegte vor allem Maximilian Harden, Verfasser des Geleitworts zur ersten Nummer der Zeitschrift "Die Zukunft". Harden war Gründer und Herausgeber, penibler Redakteur und nicht zuletzt wichtigster Autor des Wochenblattes. Mitunter deutschtümelnd, zumeist präzise, oft von bösartiger Treffsicherheit – das zeichnete seine Diktion und die der neuen Zeitschrift aus: "Die Zukunft", ihres Zeichens "Wochenschrift für Politik, öffentliches Leben, Kunst und Literatur, unabhängige Rednertribüne für jedermann".
    Harden wurde zu einer politischen Macht
    Am 1. Oktober 1892 erschien das erste Heft. Schnell erreichte sie heute undenkbar hohe Auflagen, nahezu 24.000 verkaufte Exemplare pro Woche. Erst die Zensur des Weltkriegs und die Inflation der Nachkriegsjahre fragmentierten den großen Kreis der Käufer. Am 30. September 1922 – exakt nach 30 Jahren – kam die letzte Nummer an die Kioske.
    Ein bedeutender Journalist war Harden schon vor dem Erfolg seiner "Zukunft". Mit ihrer Gründung mutierte er zu einer politischen Macht. Etwas davon scheint noch auf in einer der raren Tonaufnahmen Hardens. Darin las er aus einem Artikel zum 25-jährigen Jubiläum des Deutschen Kaiserreichs vor, den er im Januar 1896 in seiner Zeitschrift publizierte:
    "Wer nicht lügen will, kann nicht leugnen, dass der 25. Geburtstag des Deutschen Reiches nicht in der Stimmung begangen wird, wie man hoffen und wünschen durfte. Ein neudeutscher Kaiser darf kein Herr sein, der seine Hand über die ganze Erde streckt, und sich im trügenden Schein einer Allmacht und Allgegenwart sonnt."
    Deutlich klingt hier schon das große, journalistische Grundthema Hardens und der "Zukunft" an: der Kampf gegen den "neudeutschen" Kaiser und Popanz Wilhelm II. Der Harden-Kenner Manfred Neumann:
    "Von Bismarck, den er etwa 15 Mal besuchte, erhielt er stets genaue Informationen über den kaiserlichen Hof. Und die ständigen Entgleisungen des Kaisers, die führten bei Harden sehr schnell dann von der Ablehnung zu Verachtung und sogar zu Hass."
    Nach 1918 sank sein Stern stetig
    Bis zum Ende der Monarchie sollte diese Stoßrichtung in seiner Publizistik anhalten und die sprudelnde Quelle seiner Inspiration bleiben. Was indessen nicht hieß, dass er den imperialistischen Machtgelüsten des Kaiserreichs ablehnend gegenüberstand – aber eben deshalb die häufige Unentschlossenheit des Kaisers umso mehr verachtete.
    Nach der Niederlage von 1918 sank Hardens Stern stetig – obwohl doch gerade er mit seiner beständigen Monarchismus-Kritik, und – völlig gegen den Zeitgeist – der Anerkennung der deutschen Weltkriegs-Niederlage der Republik mit den Weg geebnet hatte. Allerdings war genau dadurch auch die Zahl seiner rechtsradikalen Feinde gewachsen - und deren mörderischer Hass. Am 3. Juli 1922 versuchten zwei Männer, gedungen von einem rechtsterroristischen Geheimbund, ihn zu erschlagen. Harden überlebte, schwer verletzt und erst langsam genesend. Am 12. Juli besuchte ihn Harry Graf Kessler:
    "Besuch bei Harden in der Klinik. Vermummelt. Erzählt von der unglaublichen Rohheit des Mörders, der ihn am Boden liegend immer wieder mit der Eisenstange schlug. 'Ich kann doch in diesem Lande nicht mehr leben!?'"
    Am 30. Oktober 1927, zehn Tage nach seinem 66. Geburtstag, starb Maximilian Harden an den Spätfolgen des Attentats. Da war er, der einst mächtige Kommentator der Zeitläufte, schon fast vergessen, von den Literaturwissenschaftlern gemieden, von den Historikern ignoriert. Kurt Tucholsky fand in seinem Nekrolog die richtigen Worte:
    "Eine 'Zukunft' ist Vergangenheit geworden. Ihrem Schöpfer gebührt, als einem Gulliver unter Pygmäen, die Ehre, die die mittleren Beamten der Journalistik und der Politik ihm nur formal und aufatmend gewähren werden. Sie waren sein – aber 'er war nicht unser'. Wir grüßen das Andenken Maximilian Hardens."
    Harden ist zu Unrecht so völlig aus der Erinnerung gefallen. Sein Werk, nicht zuletzt die Beiträge in seiner Zeitschrift "Zukunft", lohnen die Wiederentdeckung.