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Vor 125 Jahren geboren
Augusto César Sandino: Bis heute verehrter Guerillaführer

Der Ecuadorianer Augusto César Sandino war der erste und bis zur kubanischen Revolution erfolgreichste Guerillakämpfer Lateinamerikas. Auf ihn berief sich später die „Sandinistische Befreiungsfront“, die Nicaragua 1979 von der Somoza-Diktatur befreite. Kurz vor einem Friedensvertrag wurde Sandino ermordet.

Von Peter B. Schumann | 18.05.2020
    Der ecuadorianische General Augusto César Sandino (Mitte) lehnt an einem Auto im Jahr 1929
    Januar 1929: General Augusto César Sandino (Mitte) auf dem Weg nach Mexiko (imago / Washington, D.C. National Archives )
    "Wer hat mein Vaterland an den Schandpfahl gefesselt? Díaz und Chamorro und ihre Anhänger, die noch immer auf dem Recht bestehen, dieses unglückliche Vaterland zu regieren. Nein! Tausendmal Nein! Die Revolution geht weiter!"
    Das schrieb Augusto César Sandino 1927 in einem seiner politischen Manifeste. Nicaragua war damals - wie die meisten Länder Mittelamerikas - eine dieser sogenannten Bananenrepubliken, in denen US-amerikanische Besatzungstruppen die Interessen US-amerikanischer Konzerne durchsetzten. Gegen diese Willkürherrschaft und ihre lokalen Vasallen begannen sich in den 1920er Jahren immer mehr national-bewusste Kreise zu wehren. Ihnen schloss sich Augusto César Sandino an.
    Arbeit auf Bananenplantage als Schlüsselerlebnis
    Er war am 18. Mai 1895 in dem Dorf Niquinohomo geboren und zwar als unehelicher Sohn eines wohlhabenden Kaffeebauern. Schon früh lernte er Armut und Not kennen, so reifte in seiner Jugend bereits das Bewusstsein für Gerechtigkeit heran. Nach langen Jahren als Arbeitsemigrant auf den Bananenplantagen der United Fruit in den Nachbarländern kehrte Sandino 1926 nach Nicaragua zurück. Die Erfahrungen des US-amerikanischen Ausbeutungssystems hatten ihn zu einem entschiedenen Kämpfer gemacht. Es gelang ihm mit der Zeit, eine eigene Streitmacht aus ein paar Tausend Bauern zu bilden. Seinen Plan erklärt Hannes Bahrmann, Autor des Buches Nicaragua: Die privatisierte Revolution.
    "Lassen wir Sandino selbst sprechen, der 1932 sagte: ‚Unser Heer bereitet sich darauf vor, die Zügel der nationalen Macht in die Hände zu nehmen, um dann mit dem Aufbau großer Kooperativen der nicaraguanischen Arbeiter und Bauern zu beginnen, die unsere eigenen Naturreichtümer zum allgemeinen Nutzen ausbeuten werden.‘ Sein eigentliches Ziel war es, die US-Marines, die Nicaragua seit Jahrzehnten immer wieder besetzt hatten, endgültig aus dem Land zu vertreiben. Er war der erste und wahrscheinlich auch erfolgreichste Guerrillakämpfer bis zum Sieg der Kubanischen Revolution von 1959."
    Ermordung statt Friedensvertrag
    Ein Mann läuft an einem Wandgemälde von Augusto César Sandino vorbei.
    Augusto César Sandino wird auch mehr als 85 Jahre nach seinem Tod in Nicaragua weiter verehrt (Picture Alliance / EFE / Mario Lopez)
    1933 verließ schließlich der letzte Marineinfanterist der USA nicaraguanischen Boden. Die Sandinisten legten die Waffen nieder und bekamen das von Sandino geforderte Land, um sich in Genossenschaften zu betätigen. Ein Jahr später, am 21. Februar 1934, wurde Augusto César Sandino von Anastasio Somoza ermordet. Hannes Bahrmann:
    "Mit dem Abzug der US-Marines hatte Sandino natürlich seine Mission erfüllt. Deshalb kam er nach Managua, um einen Friedensvertrag abzuschließen und wurde dort vom frisch ernannten Chef der Nationalgarde Anastasio Somoza empfangen. Zwei Wochen später ließ ihn derselbe Somoza durch einen Hinterhalt gefangen nehmen und erschießen. Präsident Sacaza hatte sich für die Sicherheit Sandinos mit seiner Ehre verbürgt. Zwei Jahre später zwang Somoza den Präsidenten zum Rücktritt und übernahm selbst die Macht."
    In den 1960er Jahren verschärfte sich der Widerstand gegen die Familiendiktatur der Somozas. Seine Anhänger formierten sich in der Frente Sandinista de Liberación Nacional, der Sandinistischen Befreiungsfront, kurz FSLN und bekannten sich damit bewusst zum Kampf des inzwischen legendären Freiheitshelden. Doch es sollte fast zwei Jahrzehnte dauern, bis 1979 Somoza endlich gestürzt war durch die nach der kubanischen zweite siegreiche Revolution in Lateinamerika.
    Verrat aller Ideale
    Sie hat nur ein Jahrzehnt überlebt und scheiterte letztlich an inneren Widersprüchen und dem Autoritarismus einiger der führenden Revolutionäre wie Daniel Ortega. Um 2006 wieder an die Macht zu gelangen, verriet er alle Ideale der Revolution - wie Sergio Ramírez resümiert, Nicaraguas berühmtester Romancier und Mitglied der ersten sandinistischen Regierung.
    "Das ist ein autoritäres Regime. Ortega hat die Gewaltenteilung abgeschafft. Er kontrolliert den Justizapparat und die Wahlbehörde und selbst das Parlament. Die meisten Fernsehkanäle wurden von seiner Familie oder Vertrauten aufgekauft. Das Radio wurde praktisch liquidiert. Meinungsfreiheit existiert nicht mehr."
    Auf den Trümmern der Revolution ist wieder eine Diktatur entstanden. Doch Augusto César Sandinos Traum von einem anderen Nicaragua lebt fort.