Donnerstag, 28. März 2024

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Vor 125 Jahren geboren
Senkrechtstarter als Verleger: Paul Zsolnay

Obwohl Österreicher hat Paul Zsolnay das literarische Leben als Verleger in Deutschland geprägt. Er vermochte Autoren wie Heinrich Mann an sich zu binden, ihre Namen mit der Marke Zsolnay zu verschmelzen. Dass er so erfolgreich war, verdankte er auch seinem beträchtlichen Vermögen. Er konnte Unsummen für Werbung ausgeben.

Von Beatrix Novy | 12.06.2020
    Nahaufnahme eines Stapels Bücher.
    Mehrere Literaturnobelpreisträger schmückten das Portefeuille von Paul Zsolnay (Eyeem / Apichet Chakreeyarut)
    Zitat aus "Verdi - Roman der Oper" von Franz Werfel: "Beim nächsten Landungsponton bestieg Verdi den kleinen Dampfer, der zum Bahnhof fuhr. Es war der letzte des Tages. Dicht drängten sich Gestalten mit Bündeln und Körben.Der Maestro stand ganz vorn und gab sein müdes Gesicht dem Winde hin."
    Zsolnay verwaltete als junger Mann das Familien-Gut
    Giuseppe Verdi ist weltberühmt. Franz Werfel - immer noch ein großer Name der deutschen Literatur. Aber wer liest noch Werfels Buch "Verdi - Roman der Oper", in dem der gealterte Superstar des Musiktheaters auf seinen künstlerischen Kontrahenten Richard Wagner trifft? Es belebte seinerzeit, 1924, eine bis heute anhaltende Verdi-Renaissance. Und es begründete mit allein im ersten Jahr 60.000 verkauften Exemplaren den Erfolg eines jungen Verlegers, der von Beruf ein ökonomisch denkender Blumenzüchter war: Paul Zsolnay, geboren in Budapest am 12. Juni 1895, verwaltete als junger Mann das große Gut seiner Familie bei Bratislava sehr erfolgreich. Nur privat frönte er den künstlerischen Neigungen, in die er hineingewachsen war:

    "Auf unserem Familiengut hatte ich durch meine Mutter, die es infolge ihrer Begeisterung für alles Große, das wir der Kunst verdanken, verstand, einen Kreis von Künstlern heranzuziehen, die Gelegenheit, viele Autoren kennenzulernen. Zu unseren Freunden zählten Gerhart Hauptmann, Richard Strauss, Hugo von Hofmannsthal, Franz Werfel, Arthur Schnitzler, Felix von Weingartner, Felix Salten, Graf Coudenhove-Kalergi."

    Amanda von Zsolnays Gastfreundschaft mag manche Autoren getröstet haben, deren Einkünfte durch die Situation nach dem Ersten Weltkrieg gelitten hatten. Ausgiebig wurde über die durchweg deutschen Verleger geschimpft, die ihrerseits wegen der hyperbeschleunigten Inflation beim Bezahlen nicht Schritt halten konnten. Eine Idee kam auf: Warum nicht einen eigenen, österreichischen Verlag gründen? Am besten in Wien mit Paul von Zsolnay? Es sprach sich schnell herum, dass der junge Zsolnay interessiert war, und Arthur Schnitzler erzählte seinem Tagebuch von einem Besuch des Bambi-Autors Felix Salten:

    "Salten kommt mit dem jungen Zsolnay, der einen Verlag gründet. Eventualitäten meine Werke betreffend; auch Übernahme der Ges. Werke erwogen."
    Zsolnay hatte eine "kulturelle Mission"
    Tatsächlich erschien später eine Schnitzler-Werkausgabe im Zsolnay-Verlag, denn das hatte der frischgebackene Verleger im Sinn gehabt: Autoren ganz an sich zu binden, ihre Namen mit der Marke Zsolnay zu verschmelzen. Dass er der letzten Epoche großer Verlegerfiguren seinen Namen zufügen konnte, verdankte er auch seinem beträchtlichen Vermögen; außer guten Honoraren konnte er Unsummen für Werbung einsetzen. Und das zog die Autoren an: Früh waren auch Heinrich Mann, Max Brod und andere dabei, und weil Zsolnay unter seiner "kulturellen Mission" auch ein internationales Programm verstand, kam gleich H.G. Wells dazu. Ein Zugpferd wurde John Galsworthy mit seiner populären Forsyte-Saga.
    Das Genre des Zeitromans eroberte in diesen Jahren das Publikum. Mit populären Autoren wie Pearl S. Buck und A.J. Cronin war man auf der sicheren Seite, aber Paul Zsolnay traute sich auch, einen literarischen Berserker wie Jakob Haringer zu drucken.

    Zsolnay war, was man einen Senkrechtstarter nennt. Nur seine Ehe mit Alma Mahler-Werfels Tochter aus erster Ehe, Anna Mahler, währte kürzer als wahrscheinlich die meisten seiner Autorenverträge. Die junge Bildhauerin, lebenslang beschäftigt mit der Abnabelung von der berühmt-exzentrischen Mutter, hielt es in keiner Verbindung lange. Ihrem Mann blieb eine Tochter, Alma Zsolnay.
    Zsolnay und die Nationalsozialisten
    1933 begann für den Verlag eine Zeit des taktischen Lavierens, das den Ruf des Verlegers für viele in Frage stellte.

    "Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Heinrich Mann."

    Weil die den Nazis unliebsamen Autoren im Deutschen Reich nicht verkauft werden durften, ließ sich Zsolnay darauf ein, österreichische, NS-treue Autoren anzunehmen. Gleichzeitig schmähten Nazis seinen "Juden-Verlag". Ein Jahr nach dem Einmarsch der Deutschen 1938 emigrierte er nach London. Sein Cheflektor Felix Kostia-Costa, für die Nazis ein sogenannter Halbjude, blieb und wurde ermordet.

    Zsolnay kehrte 1945 nach Wien zurück und führte seine Tradition weiter: mit Graham Greene, Bertrand Russell, Truman Capote. Mehrere Literaturnobelpreisträger schmückten sein Portefeuille. Er starb 1961 in Wien.