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Vor 150 Jahren
Beginn des ersten Unabhängigkeitskrieges auf Kuba

Kuba war einer der letzten Staaten Lateinamerikas, die das spanische Kolonialjoch abschüttelten. Dafür waren drei blutige und verlustreiche Unabhängigkeitskriege nötig. Der erste dauerte zehn Jahre und kostete hunderttausende Menschen das Leben. Er begann mit dem Aufstand einer kleinen Gruppe.

Von Victoria Eglau | 10.10.2018
    Eine Wandmalerei zeigt den kubanischen Nationalhelden Carlos Manuel de Céspedes del Castillo, Bayamo, Kuba
    Wird auch im sozialistischen Kuba verehrt: Freiheitskämpfer Carlos Manuel de Céspedes (imago stock&people)
    10. Oktober 1868: Im östlichen Teil Kubas verkündet eine kleine Gruppe Aufständischer die Unabhängigkeit von Spanien und greift zu den Waffen. Ihr Anführer ist der Rechtsanwalt und Freimaurer Carlos Manuel de Céspedes, Besitzer einer Zuckerplantage. In einem revolutionären Manifest erklärt er: "Keiner kann ignorieren, dass Spanien die Insel Kuba mit einem blutigen Arm aus Eisen regiert, und sich nicht nur anmaßt, ihr nach eigenem Gutdünken Steuern aufzulegen, sondern sie auch jeglicher politischer, bürgerlicher und religiöser Freiheit beraubt."
    Im Jahr 1868 war auf Kuba die spanische Kolonialherrschaft noch intakt, während andere Länder Lateinamerikas schon Jahrzehnte vorher ihre Unabhängigkeit erkämpft hatten. "Als die anderen Kolonien den kolonialen Status überwanden und sich vom Mutterland lösten, war (auf Kuba) die dominante Gruppe der Zuckerproduzenten dem Mutterland treu geblieben, weil sie sich des kolonialen Systems zu ihrem eigenen Vorteil zu bedienen wusste", schreibt der Lateinamerikaexperte Hans-Joachim König.
    Zuckerrohr-Produzenten profitieren vom Kolonialregime
    Kubas Wirtschaft war ganz auf Zucker ausgerichtet. Ein Großteil der fast 400.000 afrikanisch-stämmigen Sklaven wurde auf den Zuckerrohr-Plantagen ausgebeutet. Das Kolonialregime sicherte den Produzenten den Nachschub an Sklaven und deren Disziplinierung durch die spanische Militärmacht. Dennoch begann ein Teil der Kreolen, der von Spaniern abstammenden, im Land geborenen Kubaner, sich gegen die Gängelung durch das Mutterland aufzulehnen.
    "Der erste Unabhängigkeitskrieg begann in einer Zeit politischer Schwierigkeiten in Spanien, als um die Mitte der 1860er-Jahre gemachte Zusagen über Reformen in Kuba widerrufen wurden, und sogar noch neue Beschränkungen wie höhere Steuern, noch mehr Handelsprotektionismus und politische Repression hinzukamen."
    "Es lebe das freie Kuba"
    Am Tag nach der Verkündung ihres revolutionären Manifests stießen die Rebellen in der Ortschaft Yara den Ruf "Viva Cuba Libre" aus - "Es lebe das freie Kuba": Der Krieg gegen die Spanier war offiziell eröffnet. Carlos Manuel de Céspedes wurde Präsident einer provisorischen Republik, einer "Republik in Waffen", zu deren Zielen die Unabhängigkeit und das Ende der Sklaverei gehörten.
    Kubas Nationalhymne "La Bayamesa" wurde zum ersten Mal 1868 in der Stadt Bayamo gesungen, in der das kleine Freiheitsheer die Spanier zunächst besiegte und ihnen dann doch unterlag. Denn das Kolonialregime gab sich so schnell nicht geschlagen. Es stockte seine Truppen nach und nach auf und stützte sich zudem auf Freiwilligenmilizen. Unterdessen wuchsen im Separatisten-Lager die Differenzen: Céspedes forderte eine einheitliche politisch-militärische Führung, aber die Befürworter einer Gewaltenteilung setzten sich durch.
    Uneinigkeit unter den Separatisten
    Auch das Tempo und die Art und Weise, in der die Sklaverei abgeschafft werden sollte, entzweiten die Führungsriege. Im Oktober 1873 musste Céspedes als Präsident abtreten - vier Monate später töteten ihn die Spanier. Der Krieg sollte insgesamt zehn Jahre dauern, in denen es den Aufständischen nicht gelang, die spanische Herrschaft zu brechen.
    "Zum einen war ihre Bewegung zahlenmäßig zu gering und hatte noch wenig Resonanz bei der Bevölkerung, obwohl sie besonders von freien Farbigen und befreiten Sklaven unterstützt wurde. Zum anderen verweigerten die Plantagenbesitzer im Westen, der als wirtschaftlich wichtigste Region noch dem Sklaverei-System Vorrang gab, ihre Unterstützung aus Furcht vor einer sozialen Revolution infolge des Krieges."
    Friedensvertrag von Zanjón
    Im Februar 1878 unterzeichneten beide Seiten den Friedensvertrag von Zanjón – ein "Erschöpfungsfrieden", so der Historiker Michael Zeuske: "Zur Niederlage geführt hatten die internen Konflikte, die Erschöpfung, der Hunger und überdies das chronische Fehlen von Ressourcen und Waffen sowie Menschen."
    Der "Zehnjährige Krieg" forderte 250.000 Menschenleben. In der Guerra Chiquita, dem kleinen Krieg, kämpften die radikalsten Separatisten bis 1880 weiter. Aber erst in einem dritten Krieg von 1895 bis 1898 erlangte Kuba schließlich die Unabhängigkeit von Spanien.