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Vor 150 Jahren
Die Erfindung der Schreibmaschine

Am 18. Dezember 1866 präsentierte der Österreicher Peter Mitterhofer am Wiener Kaiserhof die erste funktionstüchtige Schreibmaschine. Doch seine innovative Erfindung landete im Depot einer technischen Lehranstalt. Eine Anwendung sei nicht zu erwarten, heißt es in einem Gutachten.

Von Irene Meichsner | 18.12.2016
    Das Tastaturfeld einer mechanischen Schreibmaschine
    Ein Zimmermann aus dem Südtiroler Bergdorf Partschins erfindet - ohne jede fremde Hilfe - die erste funktionstüchtige Schreibmaschine. (picture alliance / dpa / Peter Steffen)
    Im Spätherbst 1866 macht sich der Zimmermann Peter Mitterhofer auf den Weg von Südtirol nach Wien - eine Strecke von rund 650 Kilometern liegt vor ihm. In einer Schubkarre, die er in eine "Buckelkraxe" verwan¬deln und auf dem Rücken tragen kann, hat er seine neuste Erfindung verstaut: einen "Schreibapparat" mit Volltastatur, Papierwalze, Typenhebelkorb, Zwischenraumtaste.
    "Peter Mitterhofer war sehr musikalisch, er hat gut singen können. Und hat Phantasie-Instrumente gebaut, und da war eines dabei, das war eine Art Xylophon, das hat so Hämmerchen gehabt, Tasten und Verbindungshebel, und die haben auf Holzplättchen geschlagen, und hier vermutet man, ist er auf die Idee gekommen, eine Schreibmaschine zu bauen", sagt Ewald Lassnig, langjähriger Vizebürgermeister von Mitterhofers Geburtsort Partschins bei Meran.
    Dieses Instrument war vermutlich ein so genanntes Hölzernes G‘lachter, das mit Tasten statt der üblichen Klöppel angeschlagen wurde und "lachende Töne" erzeugte – wie Mitterhofer überhaupt ein fröhlicher junger Mann gewesen sein muss. Nach dem Besuch der Dorfschule in Partschins und mehrjähriger Mitarbeit im väterlichen Betrieb ging er 1849, im Alter von 26 Jahren, erst einmal "auf die Walz". Er wanderte bis nach Italien, Frankreich, Deutschland und in den Balkan, wobei er sich seinen Lebensunterhalt auch als Kunstpfeifer und Bauchredner verdiente. Um 1862 begann er dann mit der Arbeit an seinem Schreibgerät.
    "Die ersten zwei Modelle waren fast nur in Holz, denn Peter Mitterhofer war von Beruf Tischler und Zimmermann. Das dritte Modell, das war schon fast ganz in Metall, da hat er dürfen bei seinem Freund, dem Dorfschmied, die Teile da zusammenbasteln und zusammenschmieden."
    Subvention des Kaisers
    Mitterhofer war nicht der erste, der sich an einer mechanischen Schreibhilfe versuchte. Aber kein anderes Gerät kam einer modernen Schreibmaschine so nahe. Viel Zeit und Arbeit hatte er hineingesteckt - nun brauchte Mitterhofer Geld. Und so marschierte er über die Alpen bis nach Wien, um Kaiser Franz Joseph I. um Unterstützung zu bitten. Am 18. Dezember 1866 wurde sein 15 Kilogramm schweres Modell dem Polytechnischen Institut zur Prüfung übergeben.
    "Zur praktischen Verwendbarkeit dieser Erfindung müssen die Unterzeichneten bemerken, dass eine eigentliche Anwendung dieses Apparates wohl nicht zu erwarten stehe", heißt es in einem ansonsten durchaus positiven Gutachten, aufgrund dessen ihm der Kaiser mit eigenhändiger Bleistiftnotiz eine "Subvention" von 200 Gulden bewilligte. Mitterhofer kehrte nach Partschins zurück – um 1870 mit einem verbesserten Modell erneut in Wien vorstellig zu werden. Dort war man vom praktischen Nutzen seiner Erfindung zwar immer noch nicht überzeugt.
    "Jedenfalls ist aber das Resultat, anerkennenswert, und das vorliegende in allen seinen Details musterhaft ausgeführte Modell würde für die Sammlung einer technischen Lehranstalt eine willkommene Bereicherung sein, und strebsamen Schülern zum anregenden Beispiele dienen können, wie weit es der denkende und fleißige Mensch bringen kann."
    Ewald Lassing: "Peter Mitterhofer hat den Fehler gemacht, dass er zu den Bürokraten gegangen ist und nicht zu den Feinmechanikern. Er hätt' sollen seine Erfindung zum Patent anmelden und schützen lassen. Leider hat er den Bürokraten vertraut, dem Kaiser vertraut. Und so ist eigentlich seine Erfindung nicht ausgewertet worden."
    Waschmaschine statt Schreibmaschine
    Mitterhofer ließ seinen Apparat, gegen Zahlung von 150 Gulden, in Wien zurück.
    "Er hat resigniert. Er hat dann eigentlich keine Schreibmaschinen mehr gebaut."
    Derweil hatte der amerikanische Journalist Christopher Latham Sholes mit zwei Freunden seinen ersten "Typewriter" entwickelt. 1873 verkaufte er sein Patent an die Waffen- und Nähmaschinenfabrik Remington. Mitte der 1880er-Jahre begann der Siegeszug der Schreibmaschine, allein Remington verkaufte jährlich an die 50.000 Stück. Peter Mitterhofer, der 1893 starb, schlug sich währenddessen als Kleinstbauer mit ein paar Ziegen durch und wurde als "Narr von Partschins" verspottet. Als seine Frau bettlägerig wurde und er sich um den Haushalt alleine kümmern musste, erfand er auf seine alten Tage noch - eine Waschmaschine.