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Vor 150 Jahren gestorben
Der französische Physiker Léon Foucault

Dass sich die Erde um sich selber dreht, weiß heute jedes Kind. Der strenge wissenschaftliche Beweis dafür erfolgte 1851, als der französische Amateur-Physiker Léon Foucault ein Pendel aufhängte und mehrere Stunden lang hin- und herschwingen ließ. Das "Foucaultsche Pendel" wurde augenblicklich zum Publikumsmagneten.

Von Frank Grotelüschen | 11.02.2018
    Das Foucaultsche Pendel am Kirchhoff-Institut für Physik in Heidelberg
    Das Foucaultsche Pendel am Kirchhoff-Institut für Physik in Heidelberg (Universität Heidelberg)
    24 Stunden. So lange braucht es, bis sich die Erde einmal um sich selbst gedreht hat. Davon waren im 16. und 17. Jahrhundert bereits Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei überzeugt. Nur: Was lange ausblieb, war ein schlagender Beweis. Nicht, dass es an Versuchen gemangelt hätte: Im Laufe der Zeit hatten diverse Naturgelehrte Gewichte von Türmen fallen lassen oder sogar erwogen, Kanonenkugeln senkrecht nach oben abzufeuern – in der Hoffnung, dass sich beim Herunterfallen kleinste Abweichungen von der Vertikalen zeigen, was dann als Beweis für die Erdrotation gegolten hätte. Nur: All diese Versuche schlugen fehl.
    Erst um das Jahr 1850 hatte ein französischer Physiker die zündende Idee – Léon Foucault. Der Sohn eines Buchhändlers, 1819 geboren, zeigte schon früh eine ausgesprochene Tüftlerbegabung, baute Modellboote, Telegraphen und Dampfmaschinen. Als 20-Jähriger begann er ein Medizinstudium, das er aber rasch wieder abbrach – er konnte kein Blut sehen. Also wandte er sich, ohne das Fach zu studieren, der Physik zu – ein Autodidakt mit Selbstbewusstsein.
    Alfred Donné: "Nicht jedermann betrachtete Foucault als echten Physiker"
    "Wir sind Amateure, aber im guten Sinne; wir kultivieren die Punkte der Wissenschaft, zu denen uns unser Instinkt leitet."
    Schon bald gelangen Foucault erstaunliche Erfindungen: In den 1840er-Jahren verbesserte er die frühe Fotografie, entwickelte eine Schreibmaschine für Blinde und zeigte, dass sich das Licht im Wasser langsamer bewegt als in der Luft – wodurch er zwar bekannt wurde, aber nicht unbedingt geachtet.
    "Nicht jedermann betrachtete Foucault als echten Physiker, und da er nicht alle Zweige der Wissenschaft studiert hatte, wäre er vielleicht unfähig gewesen, eine vollständige Physikvorlesung für Anfänger zu halten", notierte Alfred Donné, Lehrer und Mitstreiter von Foucault. "In vielerlei Hinsicht war er ein Amateur."
    Doch dann kam der Pendelversuch, der ihn berühmt machen sollte. Inspirieren ließ sich Foucault durch einen dünnen Stahlstab, der von einer Drehbank in eine schnelle Rotation versetzt wurde. Als er aus reiner Neugier am Stab zupfte, fiel ihm auf, dass der Stab zwar vibrierte, aber die Schwingungsebene nicht mit der Drehbank mitrotierte. Das brachte Foucault auf eine Idee:
    Was ist, wenn man statt der Drehbank die Erde nimmt, und statt des schwingenden Stahlstabs ein großes Pendel? Dann müsste das Pendel unbeirrt hin- und herschwingen, während sich die Erde unter ihm wegdreht. Für einen Beobachter, der sich ja zwangsläufig mit der Erde dreht, würde das dann so aussehen, als würde sich die Schwingungsebene des Pendels allmählich verschieben.
    Im Januar 1851 wagte Foucault einen ersten Test: Im Keller seiner Pariser Wohnung hängte er eine Fünf-Kilogramm-Kugel aus Messing an einem zwei Meter langen Draht auf. Dann ließ er sie hin- und herschwingen – und konnte wie erhofft beobachten, wie sich die Schwingungsebene des Pendels im Laufe der Stunden verschob – der definitive Nachweis der Erdrotation. Nun galt es die Fachwelt zu überzeugen – was Foucault offenbar nicht schwerfiel, schrieb sein Freund Alfred Donné.
    "Er ereiferte sich nie, sondern hielt seine Meinung immer in demselben kalten und ruhigen Ton aufrecht. Diese Ruhe war in bestimmten Situationen eine große Stärke, und ich habe erlebt, wie er – obgleich von schwächlicher und gebrechlicher Erscheinung – die furchtbarsten Gegner zum Rückzug trieb."
    67 Meter langes Pendel im Pariser Panthéon wird zum Publikumsmagneten
    Je länger das Pendel, umso augenfälliger der Effekt. Diese Erkenntnis machte sich Foucault zunutze und installierte zunächst ein elf Meter langes Pendel in der Pariser Sternwarte, dann ein 67 Meter langes Pendel im Pariser Panthéon, mit einer 28 Kilogramm schweren Metallkugel – ein Publikumsmagnet, der den Physiker endgültig prominent werden ließ. Trotzdem blieb er zunächst weiter ohne feste Anstellung – wohl aufgrund eines fehlenden Hochschulabschlusses, vielleicht aber auch wegen seiner eher speziellen Persönlichkeit.
    "Sein Gehabe eines Paschas mit drei Zöpfen gefiel nicht jedermann."
    1855 schließlich wurde Foucault zum Physiker des Pariser Observatoriums ernannt. Und erst 1865 wurde er in die französische Akademie der Wissenschaften gewählt – nach sechs vergeblichen Anläufen und als erster Autodidakt überhaupt. Eine Ehre, die der Physiker nur kurz genießen konnte. Am 11. Februar 1868 starb er in seiner Heimatstadt Paris im Alter von 48 Jahren. Doch eine Kopie seines legendären Pendels ist noch heute im Pariser Panthéon zu bewundern.