Mittwoch, 24. April 2024

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Vor 150 Jahren: Hayden-Expedition durch Wyoming
Folgenreiche Reise ins Naturwunderland

Im Auftrag des US-Kongresses leitete der Geologe Ferdinand Vandeveer Hayden ab dem 11. Juni 1871 eine Expedition in den bis dahin unerforschten Nordwesten Wyomings. Die von ihm dokumentierten Naturschönheiten führten zur Gründung des ersten Nationalparks – und der Vertreibung der indigenen Bewohner.

Von Bert-Oliver Manig | 11.06.2021
    Ein vergilbtes Schwarzweiß-Foto zeigt drei Männer vor einem Zelt am Ufer eines breiten Flusses. Den Hintergrund des Bildes füllt ein, in der Mitte gespaltener Felsrücken aus
    Split Rock (Twin Peaks) in Wyoming fotografiert von William H. Jackson während der Hayden Epedition um 1870 (picture alliance / akg-images )
    "Da lag der See vor uns: unüberschaubar und unbeweglich, in zartestem Ultramarin. Es war eine der schönsten Szenerien, die ich jemals erblickte. Unsere ganze Gruppe wurde von Enthusiasmus erfasst. Unser großes Ziel war erreicht, und wir wurden großzügig entschädigt für all unsere Mühen. Ein solcher Anblick ist Lohn eines ganzen Lebens."
    Die Naturwunder, die das Expeditionskorps unter der Leitung des Geologen Ferdinand Vandeveer Hayden im Sommer 1871 bestaunte, hatten bis dahin nur wenige Weiße zu Gesicht bekommen: dampfsprühende Geysire, dunkel grollende Schlammquellen, spektakuläre Wasserfälle und Canyons und den beschriebenen Yellowstone Lake. - am 11. Juni 1871 hatte sich die 34-köpfige Gruppe in den Nordwesten Wyomings aufgemacht, um dort ein großes Hochplateau zwischen schneebedeckten Berggipfeln zu erkunden.

    Mit üppigem Budget ausgestattet

    Haydens Auftraggeber war die amerikanische Union, der Kongress in Washington hatte ihm ein üppiges Budget von 40.000 Dollar bewilligt. Der geographische und geologische Ertrag der Expedition war hoch: Hayden beschrieb nicht nur detailreich eine spektakuläre Landschaft, er erkannte auch, dass das gesamte Plateau der Krater eines einzigen Vulkans war.
    Es erwies sich als weitblickende Entscheidung Haydens, den Maler Thomas Moran und den Fotographen William H. Jackson mitzunehmen: Ihre Bilder trugen dazu bei, dass Naturphänomene wie der Geysir "Old Faithful" oder die "Lower Falls" rasch in den Rang nationaler Ikonen erhoben wurden. In Washington wurde die Forderung laut, die Landschaft am Yellowstone unter den Schutz der amerikanischen Union zu stellen. Der Parlamentsausschuss für Öffentlichen Grundbesitz befürwortete diese Initiative:
    "In wenigen Jahren wird diese Region ein Erholungsgebiet für alle Bevölkerungsschichten aus allen Winkeln der Welt sein. Die Geysire Islands, die zum Ziel von Männern der Wissenschaft und Reisenden aus aller Welt geworden sind, schrumpfen zur Bedeutungslosigkeit, verglichen mit den heißen Quellen der Täler des Yellowstone und des Firehole River."
    Der Geysir Old Faithful im Upper Geyser Basin im Yellowstone Nationalpark in Wyoming
    Der Supervulkan von Yellowstone – Old Faithful entspringt in 3.000 Kilometern Tiefe
    Die Frage, wo die Energie des Geysirs Old Faithful im Yellowstone Nationalpark herkommt, beschäftigt Wissenschaftler schon seit Langem. Geholfen haben bei der Lösung dieses Rätsels eine Serie von Erdbeben.
    Es ging den Nationalpark-Aktivisten aber nicht um die kommerzielle Ausbeutung des Yellowstone-Gebiets. Im Gegenteil: Sie argumentierten, dass sich die Entwicklung an den Niagara-Fällen, wo private Eigentümer den Zugang beschränkten und einträgliche Volksbelustigungen inszenierten, nicht wiederholen dürfe. Daher drängten sie zur Eile:
    "Wenn das Gesetz nicht in dieser Parlamentssession verabschiedet wird, dann werden die Vandalen, die bereits auf dem Sprung sind, in diese kostbare Wunderwelt einzudringen, in einer einzigen Saison unwiederbringlich ruiniert haben, was die Natur in tausenden von Jahren unter Aufbietung ihrer ganzen Raffinesse geschaffen hat. Dieses Gebiet von Verkauf und Ansiedlung auszunehmen, wird dem Kongress und der Nation Ehre in der gesamten zivilisierten Welt eintragen. "
    Fotografie von William Henry Jackson: Ruby Castles, Canon of the Grand.
    William Henry Jackson – Der erste Fotograf des amerikanischen Westens
    William Henry Jackson war der früheste und wichtigste US-Fotograf. 1843 geboren, reiste er jahrelang durch das Land und dokumentierte den bis dahin unbekannten Westen. Viele seiner Fotografien beeinflussten nachfolgende Künstler und sind inzwischen nationales Kulturgut.
    Da auf dem Hochplateau weder Landwirtschaft noch Bergbau sinnvoll betrieben werden konnten, stimmten beide Parlamentskammern dem Gesetz mit deutlicher Mehrheit zu. Am 1. März 1872 wurde ein Gebiet von 3578 Quadratkilometern zum ersten Nationalpark der USA: Als staatlich beaufsichtigte Betrachter der erhabenen Natur waren Bürger und ausländische Touristen im Park künftig willkommen, aber eine dauerhafte Ansiedlung oder wirtschaftliche Betätigung wurden verboten.
    Doch anders als das Gesetz unterstellte, war der Yellowstone Park keine menschenleere Wildnis. Seit Langem suchten Schoschonen, Bannock, Crow und andere indigene Stämme das Gebiet wegen der reichen Bestände an Wildtieren und Heilkräutern regelmäßig auf. Und sie besaßen seit 1868 durch Abkommen mit der US-Regierung sogar Rechtstitel für diese Nutzung.

    Auslöschung der indigenen Kultur

    Das kümmerte die Regierung bald nicht mehr: Seit Ende der 1870er-Jahre verwehrte die Armee den Ureinwohnern den Zugang zum Park. 1894 legalisierte ein Bundesgesetz, das ein generelles Jagdverbot im Yellowstone Park verhängte, nachträglich die faktische Auslöschung der indigenen Kultur. Die unbewohnte Natur, deren Schutz in Nationalparks oft als "America’s best idea" gefeiert worden ist, war durch brutale Vertreibung von Menschen erst geschaffen worden.