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Vor 175 Jahren
Aufbruch des ersten großen Trecks auf dem Oregon Trail

Pioniere im Planwagen auf dem Weg nach Westen: Sie sind die Ikone der amerikanischen Geschichte. Der erste große Treck brach im Frühjahr 1843 auf - und fortan zogen über 30 Jahre lang Siedler im Sommer von Missouri nach Oregon und Kalifornien. Eine territoriale Expansion mit weitreichenden Folgen.

Von Ulrike Rückert | 22.05.2018
    Siedlertreck auf dem Oregon Trail um 1869
    Siedlertreck auf dem Oregon Trail um 1869 (imago / Albert Bierstadt WHA )
    "Wir brachen vom Sammelplatz auf und erreichten den Ulmenhain, etwa fünfzehn Meilen entfernt, gegen drei Uhr mittags. Das Wetter war klar und der Weg so gut wie nur möglich. Die weiß bedeckten Wagen, die sich durch die Wildnis der grünen Prärie bewegten, boten den reizendsten Anblick. Am Abend war in den Zelten der Klang fröhlicher Musik zu hören. Unsere lange Reise begann mit Sonnenschein und Gesang."
    So erzählt Peter Burnett, einer der Siedler, die sich 1843 bei Independence am Missouri versammelten. Am 22. Mai setzte sich die Karawane in Bewegung: hundertzwanzig Wagen mit etwa neunhundert Menschen und etliche tausend Rinder. Ihr Ziel war Oregon, das Land zwischen den Rocky Mountains und der Pazifikküste. Fast alle waren Bauern aus dem Mittleren Westen, von einer Wirtschaftskrise gebeutelt. Auf Versammlungen hatten sie gehört, wie eine Zeitung berichtete:
    "Dass das Oregon-Territorium jedem anderen Teil der Vereinigten Staaten überlegen sei, dass es gut für Ackerbau und Viehzucht geeignet sei und großen Anreiz für Handwerker der verschiedenen Gewerbe biete."
    Oregon als Zankapfel zwischen den USA und Großbritannien
    Die westliche Grenze der USA bildete zu dieser Zeit der Missouri. Die Prärien von hier bis zu den Rocky Mountains betrachteten die Vereinigten Staaten zwar als ihren Besitz, aber sie galten als unfruchtbar und für die Besiedlung ungeeignet. Oregon jedoch, mit seinen natürlichen Ressourcen und dem Zugang zum Pazifikhandel, war ein Zankapfel zwischen den USA und Großbritannien. Nur eine Handvoll britische und amerikanische Siedler lebten dort. Politiker wollten Fakten schaffen, um den Streit zugunsten der USA zu entscheiden.
    "Sie empfehlen deshalb jeder Person, welche die Unternehmungslust und den patriotischen Geist des wahren amerikanischen Bürgers besitzt, so bald als möglich in das Oregon-Territorium auszuwandern und sich selbst ein glückliches Heim und ihrem Land einen der besten Teile seines Besitzes zu sichern."
    "Eine Reise nach Oregon mit Ochsenwagen war zu dieser Zeit ein neues Experiment."
    Beschwerlicher Weg auf dem Oregon Trail
    Vor den Siedlern lagen rund dreieinhalbtausend Kilometer auf ungebahnten Wegen. Pelzhändler kannten die Route, den "Oregon Trail", aber kaum jemand glaubte, dass ein so großer Wagentreck bis nach Oregon gelangen könnte. Die Ochsen kämpften sich durch mannshohes Gras und Gestrüpp; Flüsse und steile Böschungen waren zu überwinden. Die Siedler hatten Feindseligkeiten von Indianern befürchtet, aber alle Begegnungen waren friedlich. Als sie im August den Kamm der Rocky Mountains auf einem bequemen Passweg erreichten, lag der schwierigste Teil noch vor ihnen: mit Bergwäldern, tiefen Schluchten und Wildwasser, das mit Flößen bezwungen werden musste. Ende Oktober waren sie am Ziel - auf den ersten Blick eine herbe Enttäuschung.
    "Das Land erschien mir unbewohnbar für weiße Menschen, eine Wüste, geschaffen für die Indianer, geeignet für sie und niemand sonst, für eine wilde Rasse. Es erschien unfruchtbar, obwohl es mit Gras bedeckt war, mit tausenden von Indianerpferden. Dieses Land hat sich seither als eines der besten Weizenländer der Welt erwiesen und es ist das beste Land für Gemüse und Früchte, seine Trauben werden nur von Kalifornien übertroffen."
    Territoriale Expansion mit weitreichenden Folgen
    Der Treck von 1843 war der Beginn der großen Wanderung nach Westen. In den USA wurde die territoriale Expansion zum zentralen politischen Ziel. Der Journalist John O’Sullivan reklamierte "das Recht unserer offenkundigen Bestimmung, uns auszubreiten und den ganzen Kontinent in Besitz zu nehmen, den die Vorsehung uns geschenkt hat für das große Experiment von Freiheit und Selbstregierung".
    Großbritannien verzichtete auf Oregon, der Sieg in einem Krieg gegen Mexiko brachte den USA ihren heutigen Südwesten ein. Mit dem Goldrausch in Kalifornien schwollen die jährlichen Trecks auf bis zu fünfzigtausend Menschen an. Als der Strom der Planwagen durch den Bau der Eisenbahnen versiegte, waren etwa eine halbe Million Menschen über den Oregon Trail gezogen. Amerika hatte sich für immer verändert: Die überlebenden Indianer waren in Reservate gezwungen worden, die großen Büffelherden von Jägern vernichtet und die Landnahme durch die Weißen hatte auch die Prärien erfasst. Doch die Pioniere im Planwagen sind bis heute eine Ikone des amerikanischen Selbstverständnisses.