Vor 175 Jahren geboren

Der französische Schriftsteller Paul Verlaine

Ausschnitt aus einem Gemälde des Künstlers (Fantin-Latour, 1836-1904). Abgebildet sind Paul Verlaine und Arthur Rimbaud bei einer Zusammenkunft von Künstlern. Coin de table Representation d une reunion d artiste. Detail du tableau representant Paul Verlaine (1844-1896) et Arthur Rimbaud (1854-1891), poetes francais. Peinture de Henri Fantin Latour (Fantin-Latour, 1836-1904). Huile sur toile. Dim. 1,60 x 2,25 m. 1872. Paris, musee d Orsay (252240) !AUFNAHMEDATUM GESCH
Paul Verlaine und sein Dichterfreund Arthur Rimbaud, dessen Gedichte er schätzte und nach dessen Tod veröffentlichte. © imago stock&people/ Leemage
Von Maike Albath · 30.03.2019
Dichterfürst, Trunkenbold und Wegbereiter des Symbolismus: Der französische Lyriker Paul Verlaine war hochsensibel und belesen, er verbrachte sein Leben in emotionaler Verwirrung und mit gewalttätigen Ausbrüchen. So elend sein Leben, so eifrig war er als Dichter.
Im alten einsamen Park wo es fror
Traten eben zwei Schatten hervor.
Ihre Augen sind tot ihre Lippen erblassen
Kaum kann man ihre Worte fassen.
1869 veröffentlichte Paul Verlaine, ein bärtiger junger Mann, der in den Pariser Cafés für seine makellosen Gedichte ebenso bekannt war wie für seine Trinkfestigkeit, sein zweites Buch. Galante Feste hieß sein Lyrikband, der auch von den Gemälden Watteaus im Louvre inspiriert war. Verlaine ließ Landschaftsbilder und Schäferszenen aufblitzen, beschwor nostalgisch die Vergangenheit, bis am Ende alles in das Gefühl tiefer Vergeblichkeit mündete. In der Übersetzung Stefan Georges:
Wie blau war der Himmel die Hoffnung wie groß! –
"Die Hoffnung entfloh in den finsteren Schoß!"
Sie gingen hin in den wirren Saaten
Die Nacht nur hat ihre Worte erraten.

Von Metz nach Paris

Verlaine war ein rebellischer Anti-Bourgeois, belesen und hochsensibel. Er wurde am 30. März 1844 in Metz geboren. Sieben Jahre später quittierte sein Vater den Offiziersdienst und ließ sich mit seiner Familie in Paris nieder, wo Paul das Gymnasium absolvierte und widerwillig ein Jurastudium begann. Erste Gedichte erschienen im Umfeld der Poetengruppe der Parnassiens und waren von der l’art pour l’art-Ästhetik geprägt.
Was mahnst du mich, mein Herz, an alte Zeiten?
Ich seh in leerer Luft die Drossel gleiten,
die Sonne müd am gelben Wald sich breiten,
im welken Laub hör ich den Herbstwind schreiten.
Um den literarischen und alkoholischen Ausschweifungen seines Sohnes Einhalt zu gebieten, zwang ihm der Vater einen Posten in der Stadtverwaltung auf. Paul Verlaines seelischer Zustand blieb prekär. Nach dem Tod des Vaters ging er seiner Mutter zwei Mal an die Gurgel. Beruhigend wirkte die Liaison mit der gerade erst siebzehnjährigen Mathilde Mauté de Fleurville, die er 1870 heiratete.
Das bürgerliche Korsett hielt nur kurz: 1871 schloss sich Verlaine den Aufständischen der Pariser Kommune an und verlor seine Anstellung. Unterdessen hatte ihm ein junger Dichter namens Arthur Rimbaud neuartige Verse geschickt – Verlaine war hingerissen und nahm den Heranwachsenden bei sich auf.

Liaison mit Arthur Rimbaud

Seine Frau brachte einen Sohn zur Welt; Verlaine begann ein Liebesverhältnis mit dem Hausgast. Die Folge war eine enorme emotionale Verwirrung mit gewalttätigen Ausbrüchen. Mathilde entkam zu ihren Eltern, Verlaine verließ Paris gemeinsam mit Rimbaud im Juli 1872 und streifte mit dem Freund durch Belgien und England.
Auf jeden Liebestaumel folgten Entzweiung und erneute Versöhnung. Als Lyriker stand Verlaine auf dem Zenit: Formen, Farben und Beschreibungen lösten sich auf, stattdessen ging es um Rhythmus und Bewegung.
Im zärtlich umwandelnden Reigen
Ein weiches sich Heben und Neigen,
Erschauern die Wipfel im Wald.
Es regt und bewegt sie ein Wehen,
Aus dunklen Gezweigen ergehen
Sich Stimmen, so jung wie uralt.

Gewalt gegen Mutter und Geliebten

Bei einem Streit mit Rimbaud im Juli 1873 griff der volltrunkene Verlaine zu einem gerade erworbenen Revolver und gab zwei Schüsse auf den Geliebten ab. Die Kugeln streiften nur das Handgelenk des Freundes, aber sie brachten den Schützen für zwei Jahre ins Gefängnis, wo Verlaine zur Ruhe kam und sich zum Katholizismus bekehrte.
Nach seiner Entlassung versuchte er sich einige Zeit als Lehrer, bis er mit Hilfe seiner Mutter einen Pachthof übernahm. Aber auch dieses Experiment misslang. Verlaine verarmte zusehends, erkrankte an Syphilis, trank weiter, versuchte erneut, seine Mutter zu erwürgen und kam noch einmal ins Gefängnis.
So elend sein Leben war, so eifrig arbeitete er als Dichter und veröffentlichte die Werke des verstorbenen Rimbaud, die sonst verloren gegangen wären. In zwei bahnbrechenden Aufsätzen über zeitgenössische Lyriker prägte er den Begriff der poètes maudits, der verfemten Dichter, der in die Literaturgeschichte einging.
Was blieb von den Siegen aus tausend Gefechten, […]
Ein lorbeerumrauschter, ein trauriger Traum.

Sein Ruhm war inzwischen groß. 1894 verlieh man ihm den Ehrentitel "Dichterfürst". Der Wegbereiter des Symbolismus Paul Verlaine starb am 8. Januar 1896. Zu seiner Beerdigung kamen Tausende von Trauergästen.
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