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Vor 175 Jahren veröffentlicht
Alexander von Humboldts Weltgeschichte "Kosmos": Weltwissen kompakt

Von der Idee bis zur Veröffentlichung dauerte es Jahrzehnte. Mit dem insgesamt fünfteiligen Werk "Kosmos" schuf Alexander von Humboldt ein Universalstück der Wissenschaftsliteratur, in dem er die gesammelten Erkenntnisse seiner Weltreisen der Öffentlichkeit zu Verfügung stellte.

Von Peter B. Schumann | 15.03.2020
    Gemälde von Alexander von Humboldt. Er sitzt in einer Landschaft, schaut zum Betrachter und in einem geöffneten Buch liegt eine Blume vor ihm.
    Alexander von Humboldt bereiste weite Teile Europas und Nordamerikas. Seine Beobachtungen hielt er in zahllosen Notizbüchern fest. (picture alliance / CPA Media / Pictures From History)
    "Ich habe den tollen Einfall, die ganze materielle Welt, alles was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Erdenlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen wissen, alles in Einem Werke darzustellen, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemüth ergötzt", so schrieb Alexander von Humboldt 1835 an einen befreundeten Schriftsteller.
    Ein langer Weg bis zur Publikation
    Der Plan, eine Entwicklungsgeschichte der wissenschaftlichen Welterforschung zu schreiben, hatte ihn bereits Ende des 18. Jahrhunderts als junger Gelehrter fasziniert, bevor er seine erste große Reise nach Südamerika antrat. Doch es sollte Jahrzehnte dauern, bis die Idee literarische Gestalt annahm. Dazu trug wesentlich der öffentliche Druck nach seinen sogenannten Kosmos-Vorlesungen bei, die er von Herbst 1827 bis Frühjahr 1828 in Berlin hielt. Das Publikum war begeistert von dieser ersten "physischen Weltbeschreibung". Sehr bald kursierten ganz unterschiedliche Mitschriften, und Verleger machten ihm lukrative Angebote. Schließlich schloss er mit dem renommierten Verlagshaus Cotta einen Vertrag, doch wieder verging lange Zeit bis zur Publikation.
    Der Humboldt-Forscher Ottmar Ette: "Die Kosmos-Vorlesungen und der erste Band des Kosmos liegen fast 20 Jahre auseinander. In dieser Zeit, in der Humboldt durchaus auch an der Ausführbarkeit des Kosmos gezweifelt hat, gelingt es ihm dann doch, eine literarische Form, eine wissenschaftliche Form dafür zu finden, diesen Kosmos zu entwickeln."
    Alexander von Humboldts Reisetagebücher
    Alexander von Humboldt - Der digitale Nachlass eines Universalgelehrten
    Er reiste nach England, Russland und Amerika: Alexander von Humboldt. Unterwegs führte er Reisetagebuch. Jetzt werden Teile seiner Schriften Stück für Stück erschlossen und digital publiziert.
    Mit dem Cotta-Verlag hatte er eine zweibändige Publikation vereinbart. Im Lauf der Zeit und durch Humboldts nie erlahmenden Forscherdrang war das Werk jedoch auf fünf Bände angewachsen, dessen erster Teil am 15. März 1845 endlich erschien.
    In seinem Vorwort schrieb er: "Am späten Abend eines vielbewegten Lebens übergebe ich dem deutschen Publikum ein Werk, dessen Bild in unbestimmten Umrissen mir fast ein halbes Jahrhundert lang vor der Seele schwebte."
    Alexander von Humboldt war damals 76 Jahre alt. Der preußische Adelige hatte viele Teile der Welt bereist, den amerikanischen Kontinent und Europa erkundet und war sogar bis an die Grenzen Chinas gelangt. Die dabei gesammelten fundamentalen Erkenntnisse verglich er als erster in seinem einzigartigen Kosmos mit dem Fachwissen der Zeit und vereinte zugleich Natur- und Geisteswissenschaften.
    Ein Förderer von Frauen in der Wissenschaft
    Ottmar Ette: "Es geht ihm darum, das Weltwissen zusammenzuführen, ebenso aus der Anthropologie wie aus der Geologie, ebenso im astronomischen Bereich wie in der Mathematik. Es geht ihm darum, die Geschichte, auch die Wissenschaftsgeschichte mit einzublenden. Es geht ihm darum, die Naturerscheinungen in der Malerei, in der Lyrik, in der Literatur zu sehen. Also eigentlich sollten im Grunde alle verschiedenen Bereiche, natürlich auch, das was heute besonders interessiert, nämlich Fragen der Klimaforschung, hier dargestellt werden."

    Humboldt war ein engagierter und sehr gefragter Kommunikator und nutzte jede Gelegenheit, um in den gesellschaftlichen Salons sein Wissen zu vermitteln. Dazu dienten ihm auch die Kosmos-Vorlesungen in Berlin und die Publikation seines Hauptwerks. Er wollte damit ein größeres Publikum und vor allem auch Frauen erreichen, so Ette:
    "Humboldt hat sich sehr stark für Frauen, auch für reisende Frauen eingesetzt, hat sie auch gefördert, zum Teil mit eigenen Mitteln, vor allem auch mit Mitteln des preußischen Staates. Da war es eben halt wichtig zu einem Zeitpunkt, als Frauen noch nicht an die Universität konnten, auch nicht an die neu gegründete Berliner Universität, Frauen den Zugang zum Wissen zu eröffnen."
    Der Erfolg des ersten Bandes war sensationell. Innerhalb von zwei Jahren mussten fünf Auflagen gedruckt werden. Beim zweiten Band lieferte sich das Publikum "wahre Schlachten", um das Buch zu erhalten – wie Verleger Cotta dem Autor mitteilte. Es soll sogar zu Plünderungen von Versandpaketen und zu Bestechungen von Buchhändlern gekommen sein. Als junger Gelehrter hat sich Alexander von Humboldt sicher nicht vorstellen können, dass sein "Versuch, die Natur lebendig und in ihrer erhabenen Größe zu schildern", sein Kosmos zu einem Bestseller in seiner Zeit werden