Freitag, 19. April 2024

Archiv

Vor 200 Jahren
Als Berlins Königliches Schauspielhaus öffnete

Keine 15 Jahre alt war das barocke Berliner Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, als es 1817 abbrannte. Der preußische König beauftragte Karl Friedrich Schinkel mit einem Neubau an derselben Stelle. Am 26. Mai 1821 wurde er eröffnet - und begeisterte die Berliner.

Von Jochen Stöckmann | 26.05.2021
    Eine historische Zeichnung zeigt den klassizistischen Bau des königlichen Schauspielhauses mit fünf Säulen, großer Freitreppe gesäumt von Reiterstandbildern am Gendarmenmarkt in Berlin Koenigliches Schauspielhaus in Berlin, Historisch, historical, digital improved reproduction of an original from the 19th century / digitale Reproduktion einer Originalvorlage aus dem 19. Jahrhundert, 1f-494978 x0x,2020,quer,1f-494978.jpg,_MG_8458.TIF,nen,Artwork,Grafik,symbolisch,painting,drawing,illustration,HTH2-IM, Geschichte, historisch, Zeichnung, Reproduktion, Gebäude, Architekturgeschichte, Karl Friedrich Schinkel, Baudenkmal, schauspielhaus, Konzerthaus, Gendarmenmarkt, Berlin Mitte
    Karl Friedrich Schinkels Königliches Schauspielhaus in Berlin auf einer Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert (www.imago-images.de)
    Lichterloh brennt es im Juli 1817 in Berlin am Gendarmenmarkt. Vom 1802 eingeweihten Schauspielhaus bleiben nur Mauerreste. Eine Katastrophe. Doch für eingefleischte Theatergänger eröffnet die Baulücke gute Aussichten. Mit Blick auf das niedergebrannte, von den Berliner Bürgern als "Koffer" geschmähte Barockgebäude schreibt Wilhelm von Humboldt:
    "Der König selbst wird sich nachher darüber freuen. Es war ein schlechtes Kunstwerk, und wenn man Schinkel machen lässt, wird es jetzt schön werden."

    Recycling der Brandruine

    Karl Friedrich Schinkel, Geheimer Oberbaurat mit einem Faible für Bühnenbilder, bekommt den Auftrag. Aber König Friedrich Wilhelm III., ganz sparsamer Preuße, macht eine Auflage:
    "Ich habe beschlossen, das abgebrannte Schauspielhaus in Berlin auf derselben Stelle mit Benutzung der vorhandenen Umfassungsmauern wieder erbauen zu lassen."

    Die Ruine des wuchtigen Theatersaals muss der Architekt in sein neues, dreiteilig gegliedertes Gebäude integrieren: Schinkels Bühnenhaus fällt mit dem Einbau eines Schnürbodens erheblich höher aus. Es wird durchquert von einem zweiten Baukörper, das schafft zusätzlichen Platz für einen Konzert- und Ballsaal. Die turmartigen Zwischentrakte sind für Bühnentechnik und ein Restaurant vorgesehen.

    Pietistische Bedenken

    Über die vom König angeordnete Wiederverwendung der Mauerreste wacht eine "Theater-Bau-Commission" – mit tödlicher Konsequenz: Eine alte Außenwand stürzt im März 1819 ein, es gibt einen Toten, mehrere Schwerverletzte. Hinzu kommen pietistische Prediger, die gegen das Theater als gottlosen Amüsierbetrieb zu Felde ziehen. Daran erinnert in ihren Memoiren die Schauspielerin Karoline Bauer:
    "Der Brand des Schauspielhauses im Jahre 1817 wurde gradezu als eine gerechte Strafe des Himmels hingestellt, weil dies Haus der Sünde zwischen zwei Kirchen stehe."

    E.T.A. Hoffmann lobt Bau als "wahrhaftes Kunstprodukt "

    Den beiden markanten Kirchtürmen des benachbarten Deutschen und Französischen Doms zollt Schinkel allerdings Respekt – städtebaulich, was den Gendarmenmarkt angeht. Über die Gestaltung dieses Platzes und das bunte Treiben freut sich – beim Blick aus seinem Eckfenster – ein prominenter Nachbar, der Schriftsteller E.T.A. Hoffmann. Er berichtet bereits im Juni 1820 – da steht nur der Rohbau – über ein ganz besonderes Kulturvergnügen:
    "Man kann z. B. jezt einen ganzen halben Tag und länger schwelgen, wenn man blos in den neuen Theaterbau hineingeht, und man kann ohne Uebertreibung sagen, daß die kleinste Verzierung ein wahrhaftes Kunstprodukt ist."
    Mit einer Statue wird August Wilhelm Iffland geehrt, der Schauspieler und langjährige Theaterintendant. Zuerst einmal aber lockt Schinkels Architektur mit den noch leeren Räumen das Publikum an. Verbote und scharfe Kontrollen halten die Berliner nicht ab. Der Generalintendant Graf von Brühl macht das Beste draus, lädt zur Karnevalszeit zum "unmaskierten Subskriptionsball" – und kann trotz jahrelanger Theaterpause unerwartet hohe Einnahmen verbuchen.
    Zeitgenössische Darstellung des deutschen Schriftstellers und Dramatikers August Wilhelm Iffland (1777-1814).
    Iffland-Korrespondenz - Unverkäufliches Diebesgut?
    August Wilhelm Iffland war einer der berühmtesten Schauspieler der Goethe-Zeit, in dessen Hoftheater in Weimar er auch auftrat. Berühmt ist auch seine Darstellung des Franz Moor in der Uraufführung von Schillers "Räubern".
    Die akustischen Qualitäten im bereits vollendeten Konzertsaal zeigen sich Ende Februar 1821, als Singakademie und Königliche Kapelle Händels Oratorium "Das Alexanderfest" aufführen. In die allgemeine Anerkennung für das Erlebnis durchdacht ineinander gefügter Raumfolgen stimmt auch der Volksmund ein – mit ironischem Unterton:
    "Das Schauspielhaus der hundert Winkel, / aus jedem tönt’s: Oh, Schinkel, Schinkel!"
    Die Eröffnung mit Goethes "Iphigenie auf Tauris" am 26. Mai 1821 wird zu einem Volksfest. Als im dicht umlagerten Neubau der Vorhang hochgeht, sieht sich das Theaterpublikum nach draußen, auf den Gendarmenmarkt versetzt: Der Bühnenprospekt zeigt – täuschend echt gemalt – die Ansicht des neuen Schauspielhauses.
    Blick auf das festliche erleuchtete, historische Konzerthaus mit Schillerdenkmal in der Dämmerung.
    Das vormals Königliche Schauspielhaus am Gendarmenmarkt heute. Seit 1984 heißt es Konzerthaus Berlin (IMAGO / Emmanuele Contini)
    Premierenpublikum und die Menge auf dem Platz sind gleichermaßen begeistert, die Berliner bringen dem Architekten ein mitternächtliches Ständchen. Nach einigen Monaten schließt sich auch der König an und verleiht Karl Friedrich Schinkel den Roten Adlerorden.