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Vor 25 Jahren
"Bilderstreit" - eine Ausstellung spaltet die Kunst

Als die Stadt Köln am 8. April 1989 die Ausstellung "Bilderstreit" eröffnete, wollte sie damit selbstbewusst ihre führende Rolle in der Präsentation aktueller Kunst unterstreichen. Zum Streit kam es tatsächlich - allerdings anders als gedacht.

Von Rudolf Schmitz | 08.04.2014
    Die Erwartungen waren groß, der Austragungsort sprengte übliche Dimensionen. Die Ausstellung "Bilderstreit", die am 8. April 1989 ihre Pforten öffnete, sollte das Panorama der Kunst von 1960 bis 1989 entfalten. Gezeigt wurde "Bilderstreit" in den Kölner Messehallen, auf 10.000 Quadratmetern waren mehr als 1000 Werke von insgesamt 127 Künstlern versammelt. Siegfried Gohr, Leiter des Museum Ludwig, hatte dazu den Schweizer Ausstellungsmacher Johannes Gachnang ins Boot geholt, beide verstanden das Projekt als Fazit der eigenen Kunsterfahrung, also durchaus subjektiv, wie sie im Vorwort des Katalogs betonen:
    "Aus den Bruchstücken von Stil, die der Zweite Weltkrieg den beiden Kontinenten Europa und Amerika zurückgelassen hat, entwarf eine Generation von Künstlern seit 1960 noch einmal von verschiedener Seite ein Bild der Welt, das jeweils für sich behauptete, die ganze Wahrheit zu sein. Die Auswahl der gezeigten Werke basiert auf unseren Erfahrungen und Eindrücken aus Museen, Ausstellungen und Ateliers, die wir in den letzten Jahrzehnten sammeln konnten".
    Mit dem Titel der Ausstellung - "Bilderstreit" - war nicht so sehr der frühchristliche Streit um die Zulässigkeit von religiösen Abbildungen gemeint. Eher schon das, was Anselm Kiefer mit seinem Werk gleichen Titels von 1977 fragte: Wie kann Malerei in heutiger Zeit aussehen und welche Sicht der Gegenwart ist damit verbunden? Siegfried Gohr und Johannes Gachnang interpretierten den Bilderstreit als Auseinandersetzung von europäischer und amerikanischer Kunst, als Streit zwischen Figuration und Abstraktion, als Streit zwischen Minimalismus, Konzept, Arte Povera, Nouveau Réalisme und neu erwachender Bilderlust. Georg Baselitz versus Robert Ryman, A.R. Penck versus Donald Judd, Imi Knoebel versus Cy Twombly.
    Protestbrief von 33 Kölner Galeristen
    Dialoge und Konfrontationen wie diese kamen den meisten Kritikern spanisch vor, sie sahen darin "Willkür", "Geschichtsklitterung" oder eine "Entdeckungsreise ohne Kompass" und verlangten nach objektiver Kunstgeschichtsschreibung. Der eigentliche Bilderstreit allerdings entbrannte mit einem Protestbrief von 33 Kölner Galeristen, die der Ausstellung eine "marktpolitische Auswahl" vorwarfen. Sie waren empört über die Omnipräsenz von Künstlern wie Baselitz, Penck, Lüpertz, Immendorff und Kirkeby und meinten, dass damit der Kölner Galerist Michael Werner eindeutig bevorzugt worden sei. Köln hatte seinen Skandal, das brachte die Ausstellung "Bilderstreit" um ihren Publikumserfolg, wie Renate Eichholz im Westdeutschen Rundfunk resümierte:
    "Dass über diese Ausstellung kaum inhaltlich gestritten wurde, sondern Galeristen- und Kritikerstreit sich von Anfang an vor die Inhalte schob und deren Diskussion verdrängte, ist gewiss zu einem Teil mit Schuld am negativen Image, das die Ausstellung dann nicht mehr los wurde."
    Mit ihrer Größe suggerierte sie eine Objektivität, der die Kuratoren weder entsprechen konnten noch wollten. Dabei hatte Köln genau diese Überwältigung beabsichtigt. Denn es ging auch um den Städtestreit. Frankfurt hatte begonnen, Köln den Rang abzulaufen: Mit einer periodischen Ausstellung über aktuelle Kunst namens "Prospect", mit einer neu etablierten Kunstmesse, mit spektakulären Personalien. Deshalb erschien die Mammutschau "Bilderstreit" auch der Stadtpolitik als geeignetes Mittel, Kölns Schlüsselrolle für die zeitgenössische Kunst zu unterstreichen. Doch selbst Museumsleute wie der kürzlich verstorbene Belgier Jan Hoet, der 1992 die Kasseler documenta verantworten sollte, waren skeptisch.
    "Ich habe den Eindruck, dass "Bilderstreit" zu viel einer Marktidentifikation nachstrebt. Das kommt, weil ich den Eindruck habe, dass nur kräftige Museumsbilder in dieser Ausstellung vertreten sind. Nur Namen, die man schon lange kennt. Es sieht doch ein bisschen gefällig aus, finde ich."
    Die Ausstellung "Bilderstreit", die nur ein Drittel der erwarteten 250.000 Besucher anzog, schloss am 28. Juni 1989 vorzeitig ihre Pforten, endete mit einem finanziellen Desaster und einer heillos zerstrittenen Kölner Kunstszene. Der essayistische Blick auf die Kunst, den die Schau vorgeschlagen hatte, wurde allerdings in der Folgezeit - mit Tendenz zum Gigantomanischen - zum erfolgreichen Rezept der Präsentation zeitgenössischer Kunst.