Vor 25 Jahren gestorben

Anni Albers: Als Textilkünstlerin zu Weltruhm

Anni Albers in New York im Jahr 1933.
Anni Albers auf einem Foto von 1933 in New York: Textilien als Kunst © picture alliance/AP Images/uncredited
Von Carmela Thiele · 09.05.2019
Mit dem Thema, gegen das sie sich zu Beginn in ihrer Zeit am Bauhaus wehrte, wurde Anni Albers zur gefragten Künstlerin: Sie schuf freie Webarbeiten und monumentale Wandbehänge. Einen Namen machte sie sich auch als Autorin, Sammlerin und Pädagogin.
"Bei einer Auftragsarbeit muss ich mich sehr genau mit der Wahl des Materials und der Technik beschäftigen. Ich war aber immer auch an dem interessiert, was wir normalerweise als Kunst bezeichnen. Dennoch empfinde ich es als großes Problem, dass die Leute dazu neigen, sich Textilien nur in einem funktionalen Kontext vorzustellen. Sie wollen darauf sitzen, sie möchten sie tragen. Sie wollen sich nicht vorstellen, dass das an der Wand hängt und Qualitäten eines Gemäldes oder einer Skulptur hat."

"Anfangs konnte ich mit der Weberei nichts anfangen"

Anni Albers in einem Interview, das 1968 in ihrem Haus in New Haven stattfand. Sie war 69 Jahre alt und erhielt repräsentative Aufträge wie die Wandarbeit "Six Prayers" für das Jüdische Museum in New York oder den monumentalen Wandbehang für die Bar des Hotels Camino Real in Mexiko City. Sie hatte mehrere Bücher veröffentlicht, unter anderem das Standardwerk "On Weaving", das die technischen, kulturhistorischen und künstlerischen Aspekte des Webens behandelt. Seit ihren Anfängen am Bauhaus in Weimar war fast ein halbes Jahrhundert vergangen. Anni Albers ist das Thema, gegen das sie sich anfangs gewehrt hat, zur Lebensaufgabe geworden:
"Anfangs konnte ich mit der Weberei nichts anfangen. Ich dachte, weben sei Weiberkram, nur diese Fäden. Ich war nicht im Mindesten interessiert. Aber die einzige Möglichkeit, am Bauhaus zu bleiben, war, diese Werkstatt zu besuchen. Und nachdem ich einmal damit angefangen hatte, hat es mich immer mehr fasziniert."
Es war Anni Albers wie fast allen anderen Frauen gegangen, die sich vom Bauhaus in Weimar angezogen fühlten: Sie wurde in die Weberei-Werkstatt abgeschoben. Die aus den Wirren nach dem Ersten Weltkrieg hervorgegangene Reform-Kunsthochschule hatte 1922, als Anni sich bewarb, bereits Schlagzeilen gemacht. Kunst und Handwerk sollten unter dem Dach der Architektur zu einem Ganzen verschmelzen. Doch hatte niemand einen genauen Plan, wie das gehen sollte. Auch nicht die damals bereits berühmten Formmeister Paul Klee oder Wassily Kandinsky.
"Ich bewunderte Klee sehr. Aber was ich von ihm lernte, lernte ich beim Betrachten seiner Bilder. Als Lehrer war er nicht sehr gut."

Experimente mit neuen Materialien

Die 1899 in Berlin geborene Tochter aus großbürgerlichen Verhältnissen interessierte sich eigentlich für Malerei. Am Bauhaus wurde sie Teil einer Bewegung, die ihr bei allem Gegenwind ungeahnte Entfaltungsmöglichkeiten bot. Der Rückgriff auf Handwerkertraditionen war schnell dem Motto "Kunst und Technik - eine neue Einheit" gewichen. Seit 1928 arbeitete Anni Albers freiberuflich als Textilgestalterin in Dessau, ihr Mann Josef Albers lehrte am Bauhaus. Schon bald entwickelte sie für ein Gebäude von Hannes Meyer einen lichtreflektierenden und schallabsorbierenden Stoff.
"Ich hatte die Idee, eine Oberfläche aus einer Art Zellophan zu machen. Das war damals ein ganz neues Material. Aus Florenz hatte ich eine gehäkelte Mütze aus diesem Material mitgebracht. Ich trennte sie auf und versuchte, daraus eine mit Zellophan überzogene Wandbedeckung zu machen. Für die Rückseite verwendete ich ein Material, das – wie Samt – den Schall absorbiert. So hatte ich eine lichtreflektierende und eine schalldämpfende Seite."

Aus Weimar in die USA

Diese innovative Materialverwendung brachte Anni Albers 1933 eine Einladung in die USA ein. In Berlin hatte sie den Architekten Philip Johnson getroffen, der sie und ihren Mann an das Black Mountain College in North Carolina vermittelte. Von dort aus unternahmen Anni und Josef Albers Reisen nach Mexiko, Peru und Chile.
Während ihrer Lehrtätigkeit am Black Mountain College begann sich Anni Albers mit der Analogie von Weberei und Sprache zu befassen. Sie setzte Webtechniken in Beziehung zu gedanklichen Rhythmen von Texten. So entstanden Arbeiten wie "Ancient Writing" oder "False Letter". Erst 1970 gab sie das Weben auf, experimentierte aber noch weitere zehn Jahre mit Drucktechniken. Am 9. Mai 1994 starb sie im Alter von 94 Jahren in ihrem Haus in Connecticut.
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