Vor 250 Jahren in Madrid

Revolte gegen Verbot von Mantel und Hut

Das Denkmal von König Karl III. auf der Puerta del Sol in Madrid.
Das Denkmal von König Karl III. auf der Puerta del Sol in Madrid: Er brachte mit einem Verbot von Hut und Mantel die Madrilenen gegen sich auf. © picture alliance / Fabian Stratenschulte
Von Almut Finck · 23.03.2016
Nur leise murrten die Armen Madrids, als König Karl III. sie mit Neuerungen plagte und die Brotpreise anhob. Als er aber den Madrilenen Mantel und Hut nehmen wollte, kam es am 23. März 1766, vor 250 Jahren, zum sogenannten Hutaufstand.
Düstre, vermummte Gestalten. Männer in langen, schwarzen Gewändern, Hunderte, Tausende bald, ihre Gesichter von Hutkrempen verdeckt, die Messer unter den Mänteln gezückt. Das Jahr: 1766, in der Woche vor Ostern.
"Der Aufstand begann im Zentrum von Madrid, auf einem Platz, der liegt heute ziemlich genau zwischen dem Bahnhof Atocha und dem königlichen Schloss."
Der Historiker und Hispanist Walther Bernecker:
"Von dort sind sie zum Schloss gezogen, sind an den Residenzen der Minister vorbeigekommen, haben diese geplündert. Dann kamen aber sehr schnell die wallonischen Garden. Dann gab es Tote, dann kam es richtig zu einem Scharmützel in den Straßen von Madrid, die waren ja sehr eng, darf man nicht vergessen."

Verbot von Mantel und Hut

Dabei ging es den Madrilenen doch nur um ihren Mantel und ihren Hut, die traditionelle Capa, eine Art Umhang, etwa wadenlang, und den dazugehörigen großen Schlapphut aus Filz. Neuerdings galt ein striktes Verbot, diese jahrhundertealte Kleidung zu tragen. Erlassen hatte es der Marquis Esquilache, ein Minister Karls III., zur Bekämpfung der außergewöhnlich hohen Kriminalität in Madrid. Die Capa ist nämlich vorne offen:
"Man kann sie mit dem Arm um das Gesicht schleudern. Und man könnte sagen, was hier erlassen wurde, war eine Art Vermummungsverbot, um zu verhindern, dass die Verbrecher, die Diebe, die Räuber, unentdeckt entkommen konnten."
Das Dekret traf in erster Linie die Armen. Die Capa gehörte zur Kleidung der spanischen Unterschicht.
"Aber vergessen wir nicht: Unterschicht bedeutet in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 80 Prozent der gesamten Madrider Bevölkerung."
Madrid hat leere Kassen, ist gefährlich, hässlich und stinkt, als Karl III. 1760 den Bourbonen-Thron in Spanien besteigt. Schlimmer noch: Das ganze Land erlebt seinen Niedergang. Unter Karls Vater war es noch das größte Imperium der Welt. Karl stellt Fragen:
"Woran liegt es, dass wir nicht mehr in der Lage sind, unsere Territorien in Lateinamerika gegen die Engländer, gegen die Niederländer, gegen die Franzosen zu verteidigen? Dass unser Land bettelarm ist, dass wir eine so dreckige Stadt wie Madrid haben, dass die Infrastruktur am Boden liegt? Hier müssen wir gewaltige Reformen durchführen. Und das nennt man halt Reformismo Borbónico, die bourbonische Reformtätigkeit, die sich das ganze 18. Jahrhundert hinzieht und unter Karl III. gewissermaßen den Höhepunkt erlebte."

Karl III. wollte Madrid modernisieren

Er gründet eine spezielle Polizeitruppe und außerhalb von Madrid ein Hospiz für Bettler, damit sie aus dem Stadtbild verschwinden. Er baut eine Kanalisation, lässt Wege pflastern und Straßenlaternen errichten:
"Um die Sicherheit in dieser Stadt zu verbessern, um die Hauptstadt Madrid ein klein bisschen so zu machen, wie Karl III. wusste, dass Paris war, dass London war, dass Berlin war."
Das alles kostet, weshalb Karl die Brotpreise erhöht. Die öffentlichen Kassen profitieren davon, weil der Staat das Getreidemonopol besitzt. Die gebeutelten Untertanen nehmen es hin. Doch dann kommt das Hut-und-Mantel-Verbot. Und da platzt ihnen der Kragen. Am 23. März, dem Palmsonntag des Jahres 1766, geht das Volk auf die Straße.
In Madrid ist der Aufstand nach zwei Tagen vorbei. In anderen Städten geht er da erst los und wächst sich aus zur bedeutendsten Revolte im Spanien des 18. Jahrhunderts. Am Ende muss der verantwortliche Minister Esquilache das Land verlassen. Kurz darauf werden allerdings auch die staatskritischen Jesuiten aus Spanien vertrieben – und aus den Kolonien. Karl hält sie für die Hintermänner der Revolte. Und überhaupt ist ihm der eigensinnige Orden schon lange ein Dorn im Auge.
Die Lebensmittelteuerung wird rückgängig gemacht, das Getreidemonopol aufgegeben. Das Capaverbot bleibt bestehen, aber keiner hält sich dran. Frei nach dem Motto:
"Se obedece pero no se cumple. Das heißt auf Deutsch: Ja, wir gehorchen dem Gesetz, aber wir führen es nicht aus."
Irgendwann wurde die Capa dann nicht mehr von den Armen getragen, sondern nur noch in den höheren Schichten, bis hin zum König.
"Auch der jetzige, wenn er in die Große Oper geht zum Beispiel, hat so eine Capa umhängen. Der Schlapphut ist natürlich was anderes, der ist dann im Laufe der Zeit schon verschwunden."
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