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Vor 35 Jahren
Westdeutschlands erster Smogalarm

Alle redeten vom Wetter an diesem 18. Januar 1985 – auch Friedhelm Farthmann, der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister, der damals den ersten Smogalarm der höchsten Alarmstufe, der Stufe 3, verkündete. Ein großer Teil der Belastung hatte seinen Ursprung in den Emissionen der DDR.

Von Dagmar Röhrlich | 18.01.2020
    Essen, 18. Januar 1985. Smog-Alarm im Ruhrgebiet. Autofarher auf der B1 im Stadtgebiet Essen dürfen nicht in die Stadt fahren. In der Bundesrepublik wird erstmals Smog-Alarm der Stufe III ausgerufen. Betroffen ist vor allem das westliche Ruhrgebiet. Mit Stufe III der Smogverordnung wurde ein absolutes Fahrverbot für private KFZ verhängt. *** Essen 18 January 1985 Smog alarm in the Ruhr area Autofarher on the B1 in the city of Essen are not allowed to drive into the city In the Federal Republic of Germany for the first time smog alarm of stage III is proclaimed The western Ruhr area is particularly affected With stage III of the Smog Ordinance an absolute driving ban was imposed on private motor vehicles
    Autofahrer auf der B1 im Stadtgebiet Essen dürfen nicht in die Stadt fahren (www.imago-images.de)
    Januar 1985: Es ist Freitagnachmittag. In weiten Teilen des Ruhrgebiets sind die Straßen verwaist, Industriebetriebe drosseln ihre Produktion, der Schulunterricht war ausgefallen. Es herrscht Smogalarm der höchsten Stufe, der Stufe 3 – zum ersten Mal in der bundesdeutschen Geschichte.
    "Entgegen der zwingenden Vorschrift der Verordnung weiter zuzuwarten, sehe ich mich im Interesse der Gesundheit der Bürger außerstande, wobei hinzukommt, dass wir von der Wetterlage keinerlei Entlastung erwarten können", sagte NRW-Arbeits- und Gesundheitsminister Friedhelm Farthmann (SPD). Er hat für das westliche Ruhrgebiet Smogalarm erlassen.
    Smog, das ist eine Kombination aus den englischen Wörtern smoke für Rauch und fog für Nebel. Er entsteht bei Inversionswetterlagen, wenn wärmere Luftschichten über kälteren liegen. Das verhindert den Luftaustausch wie eine Glasglocke, die Schadstoffe sammeln sich an. Und so errichtet die Polizei in den Städten Straßensperren, im Rundfunk gibt es Durchsagen mit Verhaltensregeln:
    "Ein Hinweis noch, falls Sie, meine Damen und Herren, ins Ruhrgebiet unterwegs sind, die Autobahnen dort sind passierbar für die Durchfahrt. Probleme kann es aber geben bei den Ausfahrten, die können zum Teil gesperrt sein."
    Bürger reagieren uneins
    Nur Busse und Bahnen dürfen fahren, ebenso Einsatzwagen. Privatwagen müssen stehen bleiben. Die Bürger reagieren uneins, wie der ZDF-Länderspiegel vom 19. Januar 1985 beweist.
    "Finde ich eigentlich ganz gut. Und ich merke ja selbst, wenn ich jetzt hier durchlaufe, dass ich da nicht so gut Luft kriege."
    "Ich halte vom Fahrverbot sehr viel aus dem einfachen Grunde, weil ich ja schon sehr lange hier in Duisburg ansässig bin und auch von dieser miesen Luft betroffen bin."
    "Ja, wenn es berechtigt ist, ist es gut. Aber wir haben hier einen sternenklaren Himmel, da kann doch unmöglich Smogalarm sein."
    Die größten Verschmutzer sind aber nicht die Autos, sondern die Kraftwerke und Industriebetriebe, die mit ihren Abgasen ungefiltert Schwefeldioxid freisetzen. Der Winter 1985 ist besonders kalt, die Temperaturen sinken auf minus 20 Grad: Die Kraftwerke fahren Volllast, die Menschen heizen so viel wie möglich.
    "Man hat ja keinen blauen Himmel mehr gesehen. Es war wirklich diesig und voller Schadstoffe, insbesondere Schwefeldioxid war dort in dieser dichten Nebelsuppe enthalten." Ute Dauert vom Umweltbundesamt in Dessau. "Da wurden beispielsweise in Städten des Ruhrgebietes stündliche Schwefeldioxid-Konzentrationen um die 1.000 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Um das mal in Relation zu setzen: Wir haben heute im Jahresdurchschnitt gesehen Werte um die fünf Mikrogramm pro Kubikmeter."
    Ursprung in den Emissionen der DDR
    Das Problem war allerdings nicht nur hausgemacht. Ein großer Teil der Belastung hatte seinen Ursprung in den Emissionen der DDR:
    "Wenn wir dann jetzt mal nach Ostdeutschland gucken und hier vor allen Dingen in diese Industrieregion Halle, Leipzig, Bitterfeld, hatten wir zur gleichen Zeit im Jahr 1985 stündliche Werte, die wirklich an der oberen Grenze des Messgerätes hängen geblieben sind. Der Spitzenwert lag dort bei 4999 Mikrogramm pro Kubikmeter, einfach, weil das das Ende des Messbereiches war."
    Dass nur im Ruhrgebiet Smogalarmstufe 3 ausgerufen wurde, lag paradoxerweise an der Umweltpolitik von NRW. Die Düsseldorfer Regierung hatte mit ihrer neuen Smogverordnung als erste eine Bundesvorgabe umgesetzt, und diese Verordnung war in der Nacht zum 18. Januar in Kraft getreten. Man hoffte, eine Eskalation der Lage wie während der Smogkrise 1962 zu verhindern. Damals starben etwa 150 Menschen durch die Luftverschmutzung. 1985 berichtete Klaus Tucholsky im Deutschlandfunk:
    "Wir haben uns heute Morgen mal in den Krankenhäusern hier im Revier umgetan und erkundigt. Es sieht so aus, dass dort die Zahl der Patienten, die über solche Beschwerden klagen, zugenommen hat, dass aber das nicht so gravierend ist. Und man ist auch von ärztlicher Seite nicht unbedingt bereit zu sagen, das liegt nun alles am Smog."
    Was helfen könnte, war klar: Rauchgasentschwefelungsanlagen in der Industrie und Katalysatoren in den Pkw. Maßnahmen, die angesichts des Waldsterbens tatsächlich umgesetzt wurden:
    "Das Winter-Smogproblem, das ist definitiv gelöst."
    Die Belastung der Luft mit Schadstoffen hat sich deutlich verringert, allerdings sind Probleme geblieben – beim Feinstaub etwa. Doch die letzte Smogverordnung ist abgeschafft, und 1985 entschärfte aufkommender Wind die Situation. Am 20. Januar konnte der Smogalarm aufgehoben werden.